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In der Hörgeräteversorgung gilt: Die Krankenkassen zahlen pauschale Festbeträge, zurzeit liegt dieser für schwerhörige Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei 784,94 Euro inklusive Mehrwertsteuer.
Das Bundessozialgericht hat aber entschieden, dass dies die Krankenkassen nicht von der Pflicht befreit, die Hörbehinderung auszugleichen (Urteil vom 17. Dezember 2009). Das bedeutet, dass die Patienten Anspruch auf ein Hörgerät haben, das "die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet". Soweit technisch möglich, gehört dazu auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen und nicht nur das Einzelgespräch. Wenn also der Festbetrag nicht ausreicht, muss die Kasse auch ein teureres Hörgerät bezahlen.
Hier finden Sie noch einmal alle Schritte auf dem Weg zu einem neuen Hörgerät auf einen Blick:
Ihr HNO-Arzt wird Sie gründlich untersuchen, Ihren Grad der Schwerhörigkeit feststellen und Ihnen eine Verordnung für ein Hörgerät ausstellen. Diese Verordnung ist die Grundlage für die Versorgung. Lassen Sie Sich auch ein ärztliches Attest erstellen, das Grad der Schwerhörigkeit sowie eventuelle weitere Gründe für die Verordnung eines Hörgerätes deutlich festhält. Machen Sie sich eine Kopie der Verordnung für Ihre Unterlagen.
Lassen Sie beim Arzt ein Audiogramm machen, um in Akustikerläden ohne Zusatzkosten Preisauskünfte einholen zu können. Einige HNO-Ärzte bieten im Rahmen des verkürzten Versorgungsweges auch selber Hörgeräte an. Lassen Sie Sich ein Angebot machen, aber lassen Sie Sich nicht überrumpeln.
Mit der Verordnung und dem Audiogramm suchen Sie einen Hörgeräteakustiker auf. Die Krankenkassen und die Hörgeräteakustiker haben Versorgungsverträge geschlossen, die die Akustiker verpflichten mindestens ein Gerät zum Festbetrag, also ohne Eigenbeteiligung des Versicherten bereitzuhalten (abgesehen von der gesetzlichen Zuzahlung von 10 Euro). Sie können auch verschiedene Akustiker aufsuchen und Preise vergleichen, bevor Sie mit dem Anpassungstest beginnen.
Wenn Sie ein ausreichendes Hörgerät zum Festbetrag finden, sparen Sie sich viel Ärger und Bürokratie. Auf Grundlage der Verordnung wird Ihnen der Akustiker mehrere Geräte vorschlagen, die Sie kostenlos testen dürfen. Dabei sollten Sie ein Hörtagebuch führen und genau notieren in welcher Situation Sie mit welchem Gerät wie gut hören konnten. Sie können auch nach dem Anpassungstest noch den Akkustiker wechseln, dieser erhält dann eine Abbruchvergütung von der Krankenkasse. Bedenken Sie aber, dass nicht nur der Preis, sondern auch ein guter Service wichtig ist für eine gute Hörgeräteversorgung.
Wenn das Gerät zum Festbetrag nicht ausreicht um Ihre individuelle Hörbehinderung auszugleichen und ein teureres gewählt werden muss, können Sie einen Antrag auf Kostenübernahme bei Ihrer Krankenversicherung stellen. Beachten Sie, dass Annehmlichkeiten, wie besseres Tragegefühl oder unauffälligeres Hörgerät nicht zum Behinderungsausgleich gehören. Entscheiden Sie sich aufgrund dieser Gründe für ein teureres Hörgerät müssen Sie die Mehrkosten selber tragen.
Dieses Verfahren kann langwierig und kompliziert werden, deshalb beachten Sie die folgenden Schritte:
Lassen Sie Sich von Ihrem Hörgeräteakustiker ein Gutachten schreiben, in dem dargelegt wird, warum nur das ausgewählte, teurere Gerät ihre Hörbehinderung ausgleichen kann. Auf die Defizite insbesondere der Festbetragsgeräte sollte detailliert eingegangen werden. Ihr Hörtagebuch kann dabei wertvolle Hilfe leisten.
Reichen Sie das Gutachten zusammen mit dem Kostenvoranschlag für das benötigte Modell und einem formlosen schriftlichen Antrag auf Übernahme der Kosten für das gewählte Hörgerät bei Ihrer Krankenkasse ein und lassen Sie sich den Empfang bestätigen.
Nun gibt es drei Möglichkeiten:
a) Die Kasse genehmigt die Kostenübernahme, dann ist für Sie alles geklärt und Sie müssen nur noch Ihr Hörgerät abholen und feinanpassen lassen.
b) Die Kasse lehnt Ihren Antrag ab, dann legen Sie Widerspruch ein (siehe 4a).
c) Die Kasse reagiert gar nicht. Dann stellen Sie eine Frist (siehe 4b).
Lehnt die Kasse Ihren Antrag auf Kostenübernahme und für das benötigte Hörgerät ab, so müssen Sie innerhalb eines Monats formlos und schriftlich Widerspruch gegen diese Entscheidung einlegen. Legen Sie dem Widerspruch das ärztliche Atteste Ihres HNO-Arztes sowie den Anpassungstest sowie das Gutachten des Hörgeräteakustikers und ggf. Ihr Hörtagebuch (alles in Kopie!) bei und bitten Sie Ihre Kasse um Erstellung eines Gutachtens durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen). Die Erstellung dieses MDK-Gutachtens zu Ihrem Fall ist für Sie kostenlos und die Kasse ist nach dem Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet, Ihren Antrag auch medizinisch zu prüfen, bevor sie ihn endgültig ablehnt! Nach einer endgültigen Ablehnung bleibt Ihnen noch die Klage vor dem Sozialgericht.
Wichtig ist dabei, dass die Kasse eine schriftliche Ablehnung schickt. Wenn die Kasse Sie anruft, bestehen Sie auf einem schriftlichen Bescheid.
4b) Setzen Sie eine Frist
Ab dem 1. Januar muss die Krankenkasse Ihnen innerhalb von drei Wochen antworten, wenn sie ein Gutachten des MDK beauftragt innerhalb von fünf Wochen. Die Antwort kann auch statt einer Entscheidung Gründe enthalten, warum die Frist überschritten wird. Wenn innerhalb der Frist keine Antwort kommt, oder die Gründe nicht hinreichend sind, können Sie der Kasse eine Frist setzen, nach deren Ablauf Sie Sich das Hörgerät selber kaufen, die Kasse muss die Kosten dann übernehmen (§13 Absatz 3a SGB V). Dazu reicht ein formloses Schreiben, als Frist sind zwei Wochen angemessen. Wenn nach Ablauf der Frist immer noch keine Entscheidung der Kasse vorliegt, kaufen Sie das gewählte Hörgerät und reichen die Rechnung bei der Kasse zur Kostenerstattung ein. Wenn ein Ablehnungsbescheid erfolgt, legen Sie Widerspruch ein (siehe 4a).
Sowohl die Widerspruchslösung, als auch die Kostenübernahme haben ihre Tücken. Im ersten Fall erhalten Sie kein Hörgerät, solange das (Gerichts-)Verfahren läuft. Im zweiten Fall, bleiben Sie eventuell auf den Mehrkosten sitzen, wenn Gutachter im Gerichtsverfahren feststellen, dass ihr Hörgerät keinen "wesentlichen" Gebrauchsvorteil gegenüber dem Festbetragsgerät besitzt.
In jedem Fall sollten Sie kein Hörgerät kaufen, bevor Sie nicht mit der Kasse die Kosten geklärt haben, weil Sie dann jeglichen Anspruch verlieren. Also entweder den Ablehnungsbescheid abwarten, oder falls dieser nicht kommt, eine Frist setzen und warten bis diese verstrichen ist.
Häufig sollen Sie beim Hörgeräteakustiker ein Formular unterschreiben, dass Sie sich freiwillig für dieses Hörgerät entscheiden haben, wohl wissend, dass es über dem Festbetrag der Krankenkasse liegt. Ohne dieses Formular wird Ihr Antrag bei der Krankenkasse als "unvollständig" nicht bearbeitet, aber mit dem Formular treten Sie Ihren Anspruch auf Kostenerstattung ab. Streichen Sie die entsprechenden Sätze und unterschreiben Sie das Formular. In neueren Formularen sollen Gründe angekreuzt werden, warum Sie Sich für ein Gerät über dem Festbetrag entschieden haben. Fügen Sie hier ein neues Kästchen hinzu, das einen medizinischen Grund angibt, zum Beispiel "Sprachverstehen in größeren Personengruppen".
Machen Sie sich nicht allzu große Sorgen über dieses Formular, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, wird die Krankenkasse sich wahrscheinlich nicht darauf berufen, da unklar ist, ob diese Verzichtserklärung nicht sittenwidrig ist. Auf jeden Fall die Mehrkostenerklärung erst nach dem Ablehnungsbescheid der Kasse unterschreiben.
Sollte Ihr Widerspruch nicht erfolgreich sein, so wenden Sie sich bitte zur weiteren juristischen Prüfung und Rechtsvertretung an eine VdK-Beratungsstelle in Ihrer Nähe:
Auf dieser Seite stehen Musteranträge zum Herunterladen zur Verfügung:
Muster: Antrag auf Kostenerstattung für ein selbst beschafftes bedarfsgerechtes Hörgerät. Quelle: Sozialverband VdK Deutschland
Muster: Erstantrag für ein bedarfsgerechtes Hörgerät. Quelle: Sozialverband VdK Deutschland
Muster: Widerspruch bei erfolgter Ablehnung des Antrags auf ein bedarfsgerechtes Hörgerät. Quelle: Sozialverband VdK Deutschland
Die VdK-Geschäftsstellen vor Ort stehen Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.
Schlagworte Hörgerät
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