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Das Training tut gut und schützt vor Stürzen, sagt VdK-Mitglied Marcel Thimmel, der auf den Rollstuhl angewiesen ist und in einem Studio in Rehlingen trainiert. Doch viele Studios sind nicht barrierefrei.
Wer als Rollstuhlfahrer seine Muskeln trainiert, ist bei Stürzen besser gewappnet, sagt VdK-Mitglied Marcel Thimmel (30) aus Merzig. Er ist durch einen Hirntumor vor etwa zehn Jahren teilweise gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Doch ein barrierefreies Fitnesscenter zu finden, war schwierig. Die meisten haben kein barrierefreies WC, teilweise ist nicht einmal der Eingang barrierefrei.
Seit 2012 trainiert Marcel Thimmel im Trewa-Fitncesscenter in Rehlingen. Dort sind die Geräte auf einer Etage verteilt. Das Studio wurde 2013 umgebaut und verfügt seitdem über ein rollstuhlgerechtes WC mit einer speziellen Raumspartür. Vor dem Umbau konnte Thimmel das WC nicht nutzen. Seine Taktik damals: Vor dem Training nicht zu viel zu trinken.
Marcel Thimmel fährt mit seinem Rollstuhl zu dem jeweiligen Gerät und hievt sich dann aus dem Rollstuhl auf den Sitz. Er trainiert vor allem seine Beine, da seine Arme durch den Rollstuhl sowieso beansprucht werden. „Das Training hat mir geholfen, fit zu werden und meine Ausdauer beim Fahren zu verbessern. Aber es schützt auch bei Stürzen. Ich bin schon mehrmals gefallen, und wenn ich nicht so gut trainiert wäre, hätte das schlimm ausgehen können“, sagt Marcel Thimmel.
Durch das Krafttraining verbessere sich die Koordination der Bewegungen und es falle ihm leichter, das Gleichgewicht zu halten, sagt der 30-Jährige, der seine Beine nur sehr eingeschränkt bewegen kann. Marcel Thimmel möchte Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, dazu ermuntern, ihre Fitness zu trainieren, nicht zuletzt, um gegen die Schonhaltung anzugehen, die aus dem ständigen Sitzen entsteht. Doch ein passendes Fitnesscenter zu finden, ist schwierig.
Doch gibt es überhaupt gesetzliche Vorschriften zur Barrierefreiheit von Fitnesscentern? „Fitnesscenter sind Sportstätten und demnach öffentlich zugängliche Gebäude. Alle Bereiche, die dem Besucher- und Benutzerverkehr dienen, müssen barrierefrei sein. Dazu gibt es Gerichtsurteile“, erklärt die Saarbrücker Architektin Doris Schütz, die sich auf barrierefreies Bauen spezialisiert hat. In einem Urteil von 2004 wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Klage einer Frau zurück, die sich gegen die Auflage, einen Aufzug in ein Fitness-Studio einzubauen, gewehrt hatte.
Schranken im Eingangsbereich, die es in vielen Studios gibt, sind unzulässig, wenn ein Mensch im Rollstuhl diese nur mit fremde Hilfe passieren kann, da dies der Definition von Barrierefreiheit widerspricht. Das Problem ist allerdings, dass die aktuelle DIN-Norm 18040-1 zur Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden nur für Neubauten oder bei umfassenden Modernisierungen gilt. Bei älteren Gebäuden gilt in der Regel Bestandsschutz, sie wurden nach damals geltender Rechtslage gebaut.
Zahlreiche Fitnesscenter bieten Rehabilitationssport an. Diese Leistung ist aus dem Versehrtensport entstanden und richtete sich ursprünglich an Menschen, die durch Krieg, Unfall oder Krankheit eine Behinderung erlitten hatten. Der Reha-Sport wurde von gemeinnützigen Vereinen wie Behindertensportverbänden entwickelt. Mittlerweile nehmen jedoch immer mehr Menschen mit Rückenproblemen oder neurologischen Leiden Reha-Sport in Anspruch, so dass immer mehr private und kommerziell ausgerichtete Anbieter in diesen „Markt“ vordrangen.
Um Reha-Sport anzubieten, muss ein Fitnesscenter gewisse Anforderungen erfüllen. Diese sind in der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining von 2011 geregelt. Sie wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) ausgearbeitet, eine Plattform verschiedener Leistungsträger wie Renten-, Unfall- oder Krankenversicherung oder Arbeitsagentur.
Das Thema Barrierefreiheit kommt in dieser Vereinbarung allerdings nur in der Anlage zum Punkt Ausstattung von Übungsstätten vor – versehen mit einem Fragezeichen. Dass der Begriff nicht genauer definiert ist, begründet die BAR auf Nachfrage damit, dass Barrierefreiheit ein gesetzlicher Auftrag sei – eine ausführliche Auflistung aller gesetzlichen Regelungen würde den Rahmen einer solchen Vereinbarung sprengen.
Jedoch sei Barrierefreiheit „selbstverständlich auch für die BAR ein wichtiges Thema“. Die Rahmenvereinbarung werde im kommenden Jahr einer „Standortbestimmung“ unterzogen und möglicherweise überarbeitet. Der BAR verweist dabei auf die Rahmenempfehlungen zur ambulanten, medizinischen Rehabilitation, deren neue Fassung seit Juli 2016 vorliegt. Dort sei Barrierefreiheit bereits erheblich konkretisiert worden.
Die Rahmenvereinbarung für den Reha-Sport gibt allerdings lediglich einen Rahmen vor – in den Bundesländern prüfen Verbände deren Umsetzung. Im Saarland ist das der Behinderten- und Rehabilitationssportverband Saarland (BRS), der auf seiner Homepage rund 280 Einrichtungen auflistet. Darin wird vermerkt, ob die Einrichtung ebenerdig ist und ob sie über ein rollstuhlgerechtes WC verfügt. Bisher ist deren Zahl jedoch eher gering. Die Einrichtungen werden laut BRS regelmäßig überprüft, allerdings gebe es nur selten Nachfragen.
Auf eine Anfrage, die der VdK Saarland an sechs Fitness-Ketten gestellt hatte, meldete sich die Hälfte zurück. Der Tenor: Barrierefreiheit ist ein wichtiges Thema, die Studios sind in der Regel barrierefrei erreichbar, allerdings hapert es oft am rollstuhlgerechten WC – dieses ist nur bei Neubauten vorhanden. Im Zweifel muss sich ein Mensch im Rollstuhl, so wie Marcel Thimmel, selbst auf die Suche machen und vor Ort prüfen, ob das Fitness-Studio für ein Rollstuhlfahrer geeignet ist.
Maria Wimmer
Schlagworte Fitnessstudio | Barrierefreiheit | Barrierefrei | Rollstuhl | Rehabilitation
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