Kategorie Urteil Sozialrecht

Voll betreute behinderte Menschen dürfen an Europawahl teilnehmen

Unter voller Betreuung stehende behinderte und im Maßregelvollzug unterbrachte psychisch kranke Menschen dürfen auf Antrag an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilnehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Mann schiebt Frau im Rollstuhl durch den Park
Lange durften behinderte, betreute Menschen nicht wählen. © IMAGO / imagebroker

Das Bundesverfassungsgericht hat per einstweiliger Anordnung vom Montag, 15. April 2019, die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen gekippt (Az.: 2 BvQ 22/19). Die Karlsruher Verfassungsrichter haben den Beschluss noch nicht näher begründet, hatten aber bereits im Januar 2019 Wahlrechtsausschlüsse bei der Bundestagswahl als gleichheitswidrig verworfen.. Damit dürfen unter Betreuung stehende behinderte Menschen an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen.

Zur Europawahl hatten Grüne, FDPkurz fürFreie Demokratische Partei und Linke einen Eilantrag gestellt, damit auch behinderte und psychisch kranke Menschen teilnehmen können. Nach den bisherigen Regelungen durften behinderte Menschen, für die ein Betreuer alle Angelegenheiten des Lebens regeln soll, sowie im Maßregelvollzug untergebrachte, psychisch kranke und schuldunfähige Straftäter nicht an der Europawahl teilnehmen.

81.000 behinderte Menschen dürfen nun wählen

Das Gericht gab nun dem Antrag statt und ordnete an, dass die Wahlrechtsausschlüsse nicht angewendet werden dürfen. Mehr als 81.000 Betroffene können daher nun bei den Wahlbehörden einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis für die Europawahl stellen.

Am 29. Januar 2019 hatten die Verfassungsrichter entschieden, dass der auch für die Bundestagswahl vorgesehene Wahlrechtsausschluss im Bundeswahlgesetz - hier für die Bundestagswahl 2013 - verfassungswidrig ist (Az.: 2 BvC 62/14). Das Gesetz sah vor, dass behinderte Menschen, deren volle Betreuung ein gerichtlich bestellter Betreuer übernimmt, nicht wählen dürfen. Hat der Betroffene dagegen mit einer Vorsorgevollmacht selbst einen Betreuer – etwa einen Familienangehörigen – bestimmt, durfte er wählen gehen. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen, so das Bundesverfassungsgericht.

Regeln unvereinbar mit Gleichheitsgrundsatz

Auch der Wahlrechtsausschluss von psychisch kranken, im Maßregelvollzug untergebrachten Straftätern stehe nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Die Betroffenen seien dort wegen „Schuldunfähigkeit“ und wegen der Gefahr für die Allgemeinheit untergebracht. Die Krankheitsbilder, die eine Schuldunfähigkeit begründeten, sagten aber nichts darüber aus, ob jemand nicht fähig sei, wählen zu können. Auch könne von einer Unterbringung abgesehen werden, wenn „von dem Schuldunfähigen keine Gefahr erheblicher Straftaten ausgeht“. In diesem Fall dürfte der Betroffene wählen gehen. Dies sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar.

Trotz dieser Entscheidung zur Bundestagswahl hatte der Gesetzgeber die Wahlrechtsausschlüsse für die anstehende Europawahl noch nicht geändert. Auch diese Wahlrechtsausschlüsse dürfen nun mit der aktuellen Entscheidung nicht angewendet werden, wenn Betroffene ihren Eintrag in das Wählerverzeichnis beantragen.

Wer sich in das Wahlregister eintragen lassen möchte, dem empfehlen wir, bis zum 3. Mai 2019 bei seiner zuständigen Gemeindebehörde einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis zu stellen. So sollten Sie dabei vorgehen: Der Antrag muss den Familiennamen, die Vornamen, das Geburtsdatum und die genaue Anschrift des Wahlberechtigten enthalten sowie grundsätzlich persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein.