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Nicht Mitleid, sondern Achtung
Gründungsversammlung der Körperbeschädigten in Radolfzell
Alt ehrwürdiger Scheffelhof zu Radolfzell
In Anwesenheit der führenden Männer der Stadtverwaltung, der Stadträte, der Geistlich-keit, der Parteien und Gewerkschaften fand am Sonntagnachmittag im Scheffelhof zu Radolfzell die Gründungs-versammlung des "Verbandes der Körperbeschädigten, Arbeitsinvaliden und Hinterbliebenen (Bezirksgruppe Radolfzell)" statt. Verbandsleiter und Vertrauensarzt Dr. Köstner nahm den Wahlakt vor, bei der bisherige Obmann Eugen Fröhlich einstimmig zum ersten Vorstand gewählt wurde. Zweiter Vorstand: Konrad Schreyer, Beisitzende: Steidle und Weber, sowie Frau Kolleg. Kassierer Epple, Schriftführer: Graf, Revisoren: Ritter und Fürst.
Im Mittelpunkt der Versammlung stand ein Referat des Kriegsblinden, Ingenieur Schramm, Freiburg das bei den Anwesenden tiefen Eindruck hinterließ. Der Redner überbrachte zunächst die Grüße der badischen Regierung und erklärte, der Staatspräsident habe ihm persönlich seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, dass sich die Versehrten, Invaliden und Hinterbliebenen nunmehr auch am Bodensee in ihrer Organisation sammeln. Nicht aus Freude am Kriegsspiel wären die Soldaten und damit die Versehrten hinausgezogen, sondern weil es keine andere Wahl gab. Alles habe man den Beschädigten genommen, nur die Verantwortung für ihre Familien sei geblieben. Nicht Mitleid, sondern Achtung fordere man. Keine Bettelei dürfte in der neu gegründeten Organisation eingreifen, es sei vielmehr die Hauptaufgabe, die Kameraden über die Fährnisse dieser schweren Zeit hinweg zu führen. Man dürfe sich, sosehr man die Unterstützung aller Parteien und der Gewerkschaften benötige, nicht für politische Zwecke ausnützen lassen. Die Verteilung von Spenden bleibe wie bisher, Sache der bestehenden Wohltätigkeitsverbände. Ein neues Versorgungsgesetzt solle bis zum 1. März 1948 in Vorlage gebracht werden.
Bürgermeister Gohl überbrachte den Beschädigten die Grüße der Stadt Radolfzell wies auf die immer gute Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Obmann Fröhlich hin und versprach, auch in Zukunft alles zu tun, um der Organisation zu helfen. Im gleichen Sinne sagte Gewerkschaftsführer Rösch vollste Unterstützung zu.
Radolfzell (Bodensee) 20. Nov. 1947
