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Ob mit kleiner oder größerer Theatererfahrung, jünger oder älter, ob mit oder ohne Sehbeeinträchtigung: Beim Theater Kassandra sind alle willkommen. Die Gruppe ist ein offenes Angebot des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH) für jede und jeden. Zweimal monatlich trifft sie sich in Barmbek-Süd. Neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind herzlich zum Mitspielen eingeladen.
„Ist der Kaffee fertig?“, ruft Leiter und Regisseur Jörn Waßmund beim Reinkommen. „Heute gibt es Tee!“, erwidert eine Darstellerin. „Auch prima“, lacht Waßmund, bedankt sich und stößt zur Tischrunde. Ankommen, loslassen vom Alltag bevor die Probe beginnt – das sei wichtig, sagt der Kulturwissenschaftler. Nach kurzem Plausch geht es los. Wie jede Theatergruppe starten auch die Kassandras, wie sie sich selbst manchmal nennen, mit Aufwärmübungen für Körper, Stimme und Ausdruck.
„Diese Gruppe ist eine super Möglichkeit, den Kopf frei zu kriegen“, sagt Heike Ackermann, die von Anfang an dabei ist. „Und ich freue mich immer darauf, die anderen zu treffen.“ 2016 begann alles mit einem Wochenendworkshop – ein Test, ob man Theaterspielen im BSVH anbieten sollte.
Mittlerweile sind alle Mitspielenden aufgewärmt: Assoziationsketten mit Wörtern haben den Geist geweckt, Spannung und Präsenz entwickelt sich etwa über das „Einpendeln“ oder das „Einfrieren“ der Bewegungen.
„Ich war gespannt, welche Ausdrucksformen es für mich gibt. Vor allem, da ich nicht weiß, wie ich mich mit meinem Körper ausdrücken kann“, erzählt Torsten Wolfsdorff. Er ist von Geburt an blind, Gestik und Mimik sind für ihn keine vertrauten Mittel – aber sie gehören zum Theaterspiel dazu. „Es hat allen viel Spaß gemacht, als wir Gesten wie ‚den Vogel‘ oder ‚den Stinkefinger zeigen‘ ausprobiert haben“, berichtet Theaterleiter Waßmund und lacht.
Humor zeichnet die Gruppe aus, auch im Miteinander. Und die Lust, Neues zu entdecken: „Mich fasziniert, dass ich mich hier in neuen Situationen ausprobieren kann. Ich kann ja im Beruf die Leute nicht einfach mal anschreien. Hier kann ich neue Seiten an mir kennenlernen“, sagt Heike Ackermann.
Etwas wagen, auch mal verblüffen und überraschen: Wenige Monate nach ihrer Gründung „schlichen“ sich die Kassandras auf eine BSVH-Veranstaltung und irritierten die Gäste mit „heimlichem Theater“ – einer unangekündigten und erst nach einigen Momenten als Theaterspiel erkennbaren Szene. Damit ernteten sie ihren ersten Publikumsapplaus.
2020 hat die Gruppe abermals Neuland betreten. „Im Moment ist unser Schwerpunkt Improvisationstheater“, erzählt Nermin Aydemir. Da gebe es ganz andere Herausforderungen als beim klassischen Theaterspiel. „Natürlich ist es einerseits super für die ganz Faulen, denn wir brauchen keinen Text lernen“, sagt sie lachend, „aber beim Improtheater müssen wir auf den Punkt präsent sein und darauf reagieren, was uns das Publikum anträgt. Darin liegt der große Spaß, man kann sich richtig ausprobieren.“
Die Corona-Zeit hat Kassandra mit Telefon- und Videotreffen überbrückt, sodass die Gruppe im Sommer 2020 auf einer Veranstaltung erste Kostproben ihres Improtheaters zeigen konnte. „Das war fantastisch, das war bunt, das hat viel Freude gemacht“, erinnert sich Aydemir.
Und welche Rolle spielt bei Kassandra das Sehen? „Eigentlich gar keine“, sagt Torsten Wolfsdorff. „Wir sind Leute mit allen Facetten des Sehens, die Theater spielen wie alle anderen auch. Darüber muss man sich keine Gedanken machen. Jede und jeder kann vorbeikommen, sich ausprobieren – und staunen, wie einfach das Miteinander ist.“
Wer beim Theater Kassandra mitmachen möchte, meldet sich bei Jörn Waßmund:
0163 5 51 53 02
post@kulturundmehr.org
Schlagworte Theater Kassandra | Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg
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