Odyssee Erwerbsminderungsrente – Er wünscht es keinem, doch es ist kein Einzelfall

Von: scb

Zermürbt und verzweifelt wendet sich Uwe Baltruschat (Name von der Redaktion geändert) Anfang 2019 an den VdK Hamburg. Er und seine Frau Monika wissen nicht mehr weiter. Rund drei Jahre zuvor hatte Uwe Baltruschat bei der Deutschen Rentenversicherung (DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung) einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gestellt – der Beginn einer nervenaufreibenden Odyssee durch das deutsche Rentenversicherungssystem.

Jan-Philipp Pohst im Büro der VdK Landesgeschäftsstelle Hamburg.
Kennt sich aus und konnte schnell helfen: Jan-Philipp Pohst ist Rechtsberater beim VdK Hamburg © VdK Hamburg

Die Ärzte empfehlen einen Antrag auf Erwerbsminderung zu stellen

Im April 2015 hebt Uwe Baltruschat bei Probearbeiten für eine neue Arbeitsstelle schwer. Konsequenz: Bandscheibenvorfall. Als sich auch nach Monaten keine Besserung einstellen will, empfehlen die Ärzte dem 56-Jährigen im März 2016, bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Erwerbsminderung zu stellen. Auch ein Gutachten im Auftrag der Agentur für Arbeit kommt zu dem Schluss, er habe ein zeitlich begrenztes Leistungsvermögen von unter drei Stunden am Tag und damit seien die Voraussetzungen für eine solche Erwerbsminderungsrente (EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente) gegeben.

Eigentlich geht es Uwe Baltruschat und seiner Ehefrau Monika gut. Beide leben zu dem Zeitpunkt noch auf Sylt. Uwe Baltruschat arbeitet als Haustechniker in einem Wellness-Resort, seine Frau ist Therapiedisponentin. Seit 2011 leben die beiden zusammen auf der Insel. Zuvor war Uwe Baltruschat schon viel in der Welt herumgekommen. Der gelernte Betriebsschlosser arbeitete viele Jahre im Ausland: Österreich, Spanien, Portugal, Großbritannien. Aber schon seit einiger Zeit hat Uwe mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ihn belasten ein beidseitiger Tinnitus, Schwerhörigkeit, beginnender Gelenkverschleiß, Gicht sowie eine Herzgefäßerkrankung, auch psychisch geht es ihm deshalb nicht gut.

Die Odyssee durch das deutsche Rentenversicherungssystem

Im April 2015 hebt Uwe Baltruschat bei Probearbeiten für eine neue Arbeitsstelle schwer. Konsequenz: Bandscheibenvorfall. Als sich auch nach Monaten keine Besserung einstellen will, empfehlen die Ärzte dem 56-Jährigen im März 2016, bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Erwerbsminderung zu stellen. Auch ein Gutachten im Auftrag der Agentur für Arbeit kommt zu dem Schluss, er habe ein zeitlich begrenztes Leistungsvermögen von unter drei Stunden am Tag und damit seien die Voraussetzungen für eine solche Erwerbsminderungsrente (EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente) gegeben.

Eigentlich geht es Uwe Baltruschat und seiner Ehefrau Monika gut. Beide leben zu dem Zeitpunkt noch auf Sylt. Uwe Baltruschat arbeitet als Haustechniker in einem Wellness-Resort, seine Frau ist Therapiedisponentin. Seit 2011 leben die beiden zusammen auf der Insel. Zuvor war Uwe Baltruschat schon viel in der Welt herumgekommen. Der gelernte Betriebsschlosser arbeitete viele Jahre im Ausland: Österreich, Spanien, Portugal, Großbritannien. Aber schon seit einiger Zeit hat Uwe mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ihn belasten ein beidseitiger Tinnitus, Schwerhörigkeit, beginnender Gelenkverschleiß, Gicht sowie eine Herzgefäßerkrankung, auch psychisch geht es ihm deshalb nicht gut.

Als die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Rheinland seinen Antrag am 20. September 2016 ablehnt, gerät das Leben des Ehepaars allmählich aus den Fugen. Er erfülle nicht die medizinischen Voraussetzungen für eine EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente und könne noch mehr als sechs Stunden täglich arbeiten, meint die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung. Und auch wenn er seine letzte Tätigkeit nicht mehr ausführen könne, so sei es ihm doch zuzumuten, einer anderen Arbeit in einem Umfang von sechs Stunden täglich nachzugehen. Auch eine teilweise Erwerbsminderung komme für Uwe Baltruschat laut DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung nicht infrage: „Wir haben festgestellt, dass sie Tätigkeiten, die es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, mindestens sechs Stunden täglich ausüben können. Dies ist ihnen aufgrund ihres beruflichen Werdegangs zumutbar. Deshalb sind sie nicht berufsunfähig und können auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erhalten“, schreibt die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Rheinland.

Uwe und Monika Baltruschat wissen alleine nicht mehr weiter und nehmen sich auf Sylt eine Anwältin. Die legt am 29. September Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Für die Begründung lässt sie sich jedoch vier Monate lang Zeit. So dauert es, bis Familie Baltruschat wieder von der Rentenversicherung hört. Im Sommer 2017 muss Uwe Baltruschat zu zwei ärztlichen Gutachtern. Beide bestätigen zwar seine Einschränkungen und betonen die deutliche degenerative Veränderung seiner Schultergelenke, eine Erwerbsminderung verneinen die Gutachter der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung jedoch.

Mitte September 2017 – anderthalb Jahre nach seinem Erstantrag – dann die nächste Über­raschung: Uwe Baltruschat erhält den Bescheid, dass seinem Widerspruch stattgegeben wurde. Das bedeutet in diesem Fall aber lediglich, dass die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Rheinland erklärt, sie sei für seinen Fall gar nicht zuständig.

Das Problem ist plötzlich seine Erwerbstätigkeit im Ausland. Bevor er zurück nach Deutschland kam, hatte er zuletzt in Großbritannien gearbeitet. Die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Rheinland wäre jedoch nur zuständig gewesen, wenn seine letzte Auslandstätigkeit beispielsweise in Chile, Israel, Uruguay oder Spanien gewesen wäre. Großbritannien hingegen fällt, wie die skandinavischen Länder, in den Aufgabenbereich der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Nord. Uwe Baltruschats Fall wird nun statt in Düsseldorf in Hamburg bearbeitet.

Aber auch in der Hansestadt ­geschieht zunächst nichts weiter. Inzwischen sind die finanziellen Reserven der Familie aufgebraucht. Als es Streit mit der Sylter Vermieterin gibt, ziehen die beiden aufs Festland. Monika Baltruschat pendelt noch eine Zeit lang auf die Nordseeinsel, aber bald ist auch sie mit ihrer Kraft am Ende. In einer kleinen Saga-Wohnung in Hamburg, Monikas Heimatstadt, finden die beiden ein neues Zuhause. Hier erreicht sie am 27. Juni 2018 Post von der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Nord: Abermals wird Uwe Baltruschats Antrag auf eine EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente abgelehnt. Nochmals legt seine Anwältin Widerspruch ein. Doch mehr passiert nicht.

Der VdK-Rechtsberater Jan-Philipp Pohst nimmt sich des Falls an

Da Uwe Baltruschat mit der Arbeit seiner Anwältin unzufrieden ist, entzieht er ihr das Mandat und tritt in den VdK Hamburg ein. Der VdK-Rechtsberater Jan-Philipp Pohst nimmt sich des Falls im Januar 2019 an. Sofort beantragt er bei der Rentenversicherung Akten­einsicht. Weil sich die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung aber nicht meldet, sendet er im März 2019 ein Erinnerungsschreiben. Zwei Wochen später erhält er endlich die Akte von Uwe Baltruschat. Am 3. April begründet Jan-Philipp Pohst die Übernahme des Widerspruchverfahrens und regt einen ergänzenden Befund durch einen Neurologen an, da dieser Teil von Uwe Baltruschats gesundheitlichen Einschränkungen bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Für den VdK-Rechtsberater ist die ablehnende Haltung der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung nicht nachvollziehbar: „Für mich war es offensichtlich, dass Uwe Baltruschat nicht mehr in der Lage war, weiterhin als Haustechniker zu arbeiten. Dazu waren seine gesundheitlichen Beschwerden zu vielfältig und zu stark“, so der VdK-Rechtsberater.

Nun endlich kommt Bewegung in die Sache: Die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung fordert von Uwe Baltruschat, Tätigkeitsnachweise von ehemaligen Arbeitgebern einzuholen. Für Jan-Philipp Pohst ein gutes Zeichen: „Das war ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Rentenversicherung, die ganze Sache nochmal sehr genau ansieht und ihre ablehnende Haltung endlich aufgibt.“

Im Juli 2019 sind alle Nachweise bei der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung ein­gegangen. Doch wieder geschieht zunächst nichts, sodass Jan-Philipp Pohst am 10. September bei der Rentenversicherung nachhakt, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Endlich kommt am 21. Januar 2020 die erlösende Nachricht: Uwe Baltruschat erhält von der DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Nord die Mitteilung, dass am 4. November 2019 entschieden wurde, ihm eine teilweise EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit bis 2022 zu gewähren. Denn für die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung Nord steht nun fest: „Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen können sie ihren Beruf als Haustechniker sowie zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht mehr verrichten.“

Ernüchternd ist allerdings die Höhe der zugestandenen Summe: 292,57 Euro erhält Uwe Baltruschat ab dem 1. März 2020. Abzüglich der Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung und des Zusatzbeitrages werden ihm 260,54 Euro ausbezahlt. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 29. Februar 2020 erhält er eine Nachzahlung von 10.202,49 Euro. Allerdings muss zunächst noch geprüft werden, ob davon noch Ansprüche der Agentur für Arbeit, der Krankenkasse oder anderer Stellen abzuziehen sind.

Für Familie Baltruschat hat der positive Ausgang ihres Verfahrens das Leben zurück ins Lot gebracht: Monika absolviert eine Umschulung und auch Uwe geht es zumindest psychisch besser. Beide wünschen aber niemandem einen ähnlichen Hindernislauf durch das deutsche Sozialsystem.

Positiver Ausgang, doch die lange Verfahrensdauer ist kein Einzelfall

Für Jan-Philipp Pohst ist der Fall Baltruschat jedoch kein Einzelfall. „In unserer Rechtsberatung erleben wir leider immer wieder solche absurd langen Verfahren. Das kann für die Mitglieder schnell sehr belastend werden. Wenn plötzlich ein großer Teil des Einkommens ausfällt, müssen viele Betroffene um ihre Existenz bangen“, resümiert der Rechtsberater. Für die lange Verfahrensdauer gibt es seiner Ansicht nach viele Gründe: die dünne Personaldecke bei den Rentenversicherern und den Sozialgerichten sowie die schwierige Suche nach geeigneten Gutachtern und mitunter auch die nur schleppende Mitwirkung von angeschriebenen Ärzten. Auch die vielen Auslands­tätigkeiten von Uwe Baltruschat haben sein Verfahren kompliziert gemacht. Die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung musste bei den jeweiligen beteiligten Rentenversicherungen im Ausland Verfahren einleiten.