Springen Sie direkt:
Arbeitnehmer im Homeoffice stehen künftig unter besserem Unfallschutz. Nach zwei Urteilen des Bundessozialgerichts in Kassel kann ein Sturz auf der Haustreppe auch dann ein Arbeitsunfall sein, wenn sich im selben Haus auch die private Wohnung befindet – und zwar sowohl ein Sturz auf dem Weg zwischen zwei beruflich genutzten Räumen als auch bei dem Weg von einem Außentermin zum Büro.
Der erste Kläger war ein freiwillig versicherter Versicherungsmakler und Gesellschafter-Geschäftsführer. Er arbeitete im ersten Stock seines sechsstöckigen Wohnhauses, der Firmen-Server stand in einem Kellerraum. Im April 2012 spielte er nach eigenen Angaben nachts ein Software-Update auf den Server auf. Dafür musste er mehrfach zwischen Keller und seinem Computer im Büro hin und her laufen. Um 1.30 Uhr stürzte der dabei auf der Haustreppe und erlitt eine schwere und dauerhafte Verletzung seines linken Handgelenks.
Die zweite Klägerin arbeitete für ein Unternehmen, das geldwerte Gutscheine an Unternehmen verkaufte, die diese dann zu Firmenjubiläen oder anderen Anlässen an ihre Mitarbeiter verschenken. Am Unfalltag im Jahr 2013 war die Mitarbeiterin bei einer Messe in München, um neue Kunden zu gewinnen. Um 16.30 Uhr sollte sie über die firmeneigene Computersoftware ihren Geschäftsführer in den USA anrufen. Rechtzeitig verließ sie die Messe und fuhr zu ihrem außerhalb Münchens gelegenen Wohnhaus. Dort hatte sie im Keller ihr Büro. Auf dem Weg dorthin – bepackt mit Notebook, Drucker und Messematerialien – stürzte sie auf der Treppe. Dabei wurde ein Wirbel im Lendenbereich schwer und dauerhaft beschädigt.
In beiden Fällen lehnten die Berufsgenossenschaften eine Entschädigung des Sturzes als Arbeitsunfall ab. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung meinten sie, Wege auf der überwiegend privat genutzten Haustreppe seien nicht versichert. Im ersten Fall spreche zudem die nächtliche Uhrzeit gegen einen Arbeitsunfall.
Hierzu urteilte nun erstmals das BSG, dass Unfallschutz „nicht schon deshalb verneint werden (kann), weil die Treppe nicht überwiegend dienstlichen Zwecken dient“. Auch auf die Uhrzeit kommt es nach neuer Rechtsprechung nicht mehr wesentlich an.
Maßgeblich ist danach vielmehr die sogenannte objektive Handlungstendenz. Diese sei in zwei Schritten zu prüfen: Zunächst müsse feststehen, dass der Versicherte eine berufliche Tätigkeit „subjektiv ausführen wollte“. Danach sei zu prüfen, ob die entsprechende Darstellung des Versicherten „durch objektive Tatsachen eine Bestätigung findet“. Hierbei könnten Ort und Zeitpunkt des Unfalls allerdings wichtige Indizien sein.
Im zweiten Fall gingen die Kasseler Richter von einem versicherten „Betriebsweg“ aus und sprachen der Mitarbeiterin Unfallschutz zu. Im ersten Fall soll das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in Mainz noch prüfen, ob der Versicherungsmakler tatsächlich mit einem dienstlichen Software-Update beschäftigt war.
Sorgen der Unfallversicherung, der erweiterte Unfallschutz auf der Haustreppe könne auch zu mehr Missbrauch führen, ließ das BSG nicht gelten.
Weiterhin nicht versichert sind für Arbeitnehmer mit Homeoffice aber Wege in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus zu privat geprägten Tätigkeiten, etwa zur Toilette oder Teeküche. Das hatte der BSG-Unfallsenat 2016 entschieden (Az.: B 2 U 5/15 R). Hier bleiben Arbeitnehmer im Betrieb besser geschützt. Sie sind zwar auf der Toilette oder in der Betriebskantine ebenfalls nicht versichert, auf dem Weg dorthin aber schon. Den Unterschied hatten die Kasseler Richter damit begründet, dass die eigenen vier Wände immer privat geprägt sind und privat gestaltet werden, während Arbeitnehmer im Betrieb keinen Einfluss auf die Gestaltung und damit auch auf die Sicherheit etwa einer Treppe haben.
Drei Fragen an unseren Sozialrechtsexperten
Um das Urteil besser einordnen zu können, haben wir unseren Sozialrechtsexperten Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des Sozialverbands VdK in Kassel, zur Bedeutung des Urteils befragt.
vdk.de: Herr Ungerer, was bedeutet das Urteil für unsere Leserinnen und Leser?
Jörg Ungerer: Bislang waren Treppenstürze bei einer Tätigkeit im Homeoffice nicht unfallversichert. Es wurde bislang die Auffassung vertreten, dass eine häusliche Treppe vorwiegend dem privaten Bereich diene und nicht vorwiegend zu Betriebszwecken. Das hat sich mit dem aktuellen Urteil geändert.
vdk.de: Welche Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die im Homeoffice arbeiten, sind nach wie vor nicht unfallversichert?
Jörg Ungerer: Vor allem sind zwei Dinge nach wie vor bei Tätigkeiten im Homeoffice nicht versichert: Der Weg z.B. in die Küche und der Toilettengang.
vdk.de: Gibt es etwas in Sachen Unfallschutz, auf das Arbeitnehmer im Homeoffice besonders achten sollten?
Jörg Ungerer: Bei einem Homeofficeunfall sollte der Arbeitnehmer das Unfallereignis möglichst genau dokumentieren. Insbesondere sollte man darlegen, welche betriebliche Beschäftigung man ausüben wollte, als es zu dem Unfall kam.
Lesen und sehen Sie mehr:
©Juragentur / ime
Schlagworte Arbeitsunfall | Unfall | Unfallversicherung | Unfallversicherungsschutz | homeoffice
Der Sozialverband VdK berät und vertritt seine Mitglieder im Bereich gesetzliche Rentenversicherung, zum Beispiel zum Thema Erwerbsminderungsrente.
Bildrechte auf der Seite "http://www.vdk.de//deutschland/pages/themen/sozialrecht/urteile_im_sozialrecht/76064/besserer_unfallschutz_fuer_arbeitnehmer_im_homeoffice":
Liste der Bildrechte schließen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.