6. September 2019
SOZIALRECHT

BSG: Alte Ehe schützt neue Partnerin nicht vor dem Sozialamt

Wer sich von seiner getrennt lebenden Ehefrau nicht scheiden lässt, schützt damit seine neue Lebenspartnerin nicht vor der Inanspruchnahme durch das Sozialamt. Denn eine „eheähnliche Gemeinschaft“ ist auch neben einer rechtlich noch fortbestehenden Ehe möglich.

Ein älötere Pärchen schaut sich einen Wasserfall an.
Eine eheähnliche Gemeinschaft: Partner sind zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. | © Pixabay

Dieser Fall lag dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel vor: Ein heute 83-jähriger Rentner aus Berlin ist seit über 50 Jahren verheiratet, lebt aber seit 1982 als Untermieter mit einer anderen Frau zusammen. Weil seine Rente in Höhe von monatlich rund 550 Euro nicht ausreicht, beantragte er – erstmals 2002 – Grundsicherungsleistungen der Sozialhilfe.

Das Sozialamt lehnte dies ab. Der Rentner lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Unter Berücksichtigung der Einkünfte seiner Partnerin sei sein Bedarf gedeckt. Dagegen klagte der Rentner mit dem Argument, wegen des ausschließlichen Charakters einer Ehe sei daneben eine eheähnliche Partnerschaft gar nicht möglich.

Wie nun das BSG entschied, geht dies sozialrechtlich aber doch. Laut Gesetz müssten neben dem Betroffenen nur „nicht getrennt lebende Ehegatten“ gegenüber dem Sozialamt für den Unterhalt einstehen, zudem Partner oder Partnerin einer eheähnlichen Gemeinschaft. Für getrennt lebende Ehepaare schließe das Gesetz daher eine neue und gegebenenfalls auch daneben bestehende eheähnliche Partnerschaft nicht aus. Auf eine vorausgehende Scheidung komme es dabei nicht an.

Dauer des Zusammenlebens kann entscheiden

Offen blieb aber, ob hier tatsächlich eine eheähnliche Gemeinschaft besteht. Maßgeblich sei hierfür der Wille der Partner, gegenseitig füreinander einzustehen. Im ersten Durchlauf hatte das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam es allerdings abgelehnt, hierzu die Wohn-Partnerin des Rentners zu befragen.

Genau dies gehört im Regelfall aber zu einer gerichtlichen Prüfung dazu, betonte nun das BSG. Die Beteiligten müssten die Möglichkeit bekommen, ihren persönlichen Lebensentwurf zu erläutern. Im Streitfall soll nun das LSG eine Vernehmung der Partnerin nachholen. Daneben könne es aber natürlich auch „objektive Umstände“ berücksichtigen – hier etwa die lange Dauer des Zusammenlebens von schon beim ersten Sozialhilfeantrag 20 Jahren (Urteil vom 5.9.2019, Az.: B 8 SO 14/18 R).

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08.05.2019 | ©Juragentur / ime

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Schlagworte Bundessozialgericht | BSG | Sozialhilfe | Ehe | Gemeinschaft | Sozialamt

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