2. Februar 2017
SOZIALRECHT

Pflegekassenzuschuss für behindertengerechte Wohnung ausschöpfen

Bundessozialgericht: Auch Reparaturkosten können zuschussfähig sein

Bezuschusst die Pflegekasse den behindertengerechten Umbau einer Wohnung, können auch später angefallene Reparaturkosten zuschussfähig sein. Insgesamt dürfen aber die Umbaumaßnahme und die geltend gemachten Reparaturkosten den gesetzlichen Zuschuss-Höchstbetrag von derzeit 4.000 Euro nicht überschreiten, urteilte am Mittwoch, 25. Januar 2017, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Aktenzeichen: B 3 P 4/16 R und B 3 P 2/15 R).

Symbolfoto: Ein Rollstuhl steht in einem Aufzug, die Türen sind offen. Blick in eine moderne Wohnung.
© imago/Westend61

Nach den gesetzlichen Bestimmungen übernimmt die Pflegekasse grundsätzlich die Reparaturkosten von Hilfsmitteln, wie beispielsweise ein Rollstuhl. Soll eine Wohnung behindertengerecht umgebaut und das Wohnumfeld nach den individuellen Bedürfnissen verbessert werden, gewährt die Pflegekasse einen Zuschuss. Fielen in diesem Zusammenhang Reparaturen an, blieben bislang die Betroffenen oder gegebenenfalls die Sozialhilfe auf den Kosten sitzen.

Im ersten jetzt entschiedenen Fall hatte ein behinderter Rollstuhlfahrer aus Coburg geklagt. Der Mann lebt im Rahmen des betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung. 2010 hatte er bei der Pflegekasse der AOK Bayern einen Zuschuss für die individuelle Verbesserung seines Wohnumfeldes beantragt.

Die Pflegekasse gewährte den damals geltenden Höchstsatz von 2.557 Euro. Das Bad wurde daraufhin behindertengerecht umgebaut. Auch ein elektrisches Türöffnungssystem wurde eingebaut, so dass der Rollstuhlfahrer eigenständig und ohne fremde Hilfe seine Wohnung verlassen kann.

Doch als 2013 der Motor des Systems kaputt ging, fielen weitere 547 Euro für Reparaturen an. Ohne Erfolg machte er das Geld bei der Pflegekasse geltend.

Reparaturkosten müssten nur bei Hilfsmitteln übernommen werden, nicht aber bei Reparaturen für Maßnahmen einer Wohnumfeldverbesserung. Diese unterschiedliche Behandlung habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen.

Auch im zweiten Verfahren ging es um entsprechende Reparaturkosten, diesmal für einen gebrauchten Treppenlift. Die Pflegekasse der AOK Rheinland/Hamburg hatte diesen bei einem an Muskelschwund leidenden Mann bezuschusst, den Restbetrag zahlte das Kölner Sozialamt. Als mehrere Reparaturen anfielen, verlangte das Sozialamt, dass die Pflegekasse auch diese Kosten, insgesamt 1.526 Euro, übernimmt.

Das BSG wies den Rollstuhlfahrer und auch die Stadt Köln ab. Nach den Urteilen kann aber dennoch ein Anspruch auf Geld für die Reparaturen bestehen.

Grundsätzlich müsse die Pflegekasse nur Reparaturen für Hilfsmittel übernehmen, erklärten die Kasseler Richter. Sowohl bei dem Türöffnungssystem als auch bei dem Treppenlift handele es sich aber nicht um Hilfsmittel, sondern um eine individuelle Verbesserung des Wohnumfeldes. Von einer solchen Wohnumfeldverbesserung sei auszugehen, wenn die Verbesserungen bei einem Umzug nicht ohne weiteres mitgenommen werden können.

Doch die Kasseler Richter eröffneten behinderten und pflegebedürftigen Menschen einen Weg, wie diese zumindest den gesetzlichen Höchstbetrag für den Pflegekassen-Zuschuss ausreizen können. Den wurde der gesetzliche Höchstzuschuss von derzeit 4.000 Euro für die Wohnumfeldverbesserung noch nicht ausgeschöpft, könnten Betroffene den Differenzbetrag für spätere Reparaturkosten verwenden.

Bagatellbeträge könnten davon aber ausgeschlossen werden. Lohne sich eine Reparatur wegen eines wirtschaftlichen Totalschadens gar nicht mehr, könne bei der Pflegekasse ein ganz neuer Zuschuss für eine Wohnumfeldverbesserung beantragt werden.

In den beiden verhandelten Fällen hätten die Kläger jedoch den gesetzlichen Zuschuss bereits ausgeschöpft gehabt, so dass kein Spielraum zur Übernahme der später angefallenen Reparaturkosten bleibe.

Der in Coburg lebende Rollstuhlfahrer hatte das Geld aber letztlich auf anderem Wege bekommen. Da das Verfahren vor dem Landessozialgericht München zu lange gedauert hatte, hatte er 1.500 Euro Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhalten.

juragentur

Schlagworte Pflegekasse | Umbau | behindertengerecht | Reparatur | Bundessozialgericht | Urteil | BSG | Reparaturkosten | Wohnung | Umbaumaßnahme | Höchstbetrag | Wohnumfeldverbesserung

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