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Seit 30 Jahren versorgen die Tafeln Menschen in Deutschland mit Lebensmitteln. Im Gespräch mit VdK-Präsidentin Verena Bentele erzählt Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, von seinem Engagement gegen Armut.
Jochen Brühl: Das ist vor allem bei den Erstbesuchen so, dass die Leute Angst haben, erkannt zu werden. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist, dass wir den Menschen die Scham nehmen. Tafeln sind immer auch Orte der Begegnung, wo man als Mensch gesehen wird. Und 20 Prozent der Menschen, die als Kundinnen und Kunden zu uns kommen, sind auch Helfende.
Jochen Brühl: Für die Tafel-Helfenden war die Corona-Zeit schon extrem herausfordernd. Dann kam dieser furchtbare Krieg, die Inflation, der Anstieg der Lebensmittel-, Wohn- und Energiekosten. Das hat die Ehrenamtlichen erneut an ihre Grenzen gebracht.
Tafeln, die vielleicht bisher 1500 Kundinnen und Kunden hatten, haben auf einmal 3000 oder 4000. Über 60 Prozent der Tafel-Helfenden haben gesagt, dass es physische und psychische Erschöpfungen mit sich bringt. Das sind Ehrenamtliche, die das in ihrer Freizeit machen.
Jochen Brühl: Wir verteilen anders. Wir versuchen, dass jede und jeder, der zu uns kommt, nicht ohne Lebensmittel gehen muss. Gleichzeitig bauen wir unsere Bemühungen aus, Lebensmittel auf anderen Wegen zu akquirieren, indem wir mit Großunternehmen sprechen, indem wir bereit sind, Großmengen abzunehmen, unsere Logistik auszubauen und zu verbessern. Für uns ist wichtig, dass wir auf der einen Seite Lebensmittelüberflüsse abbauen und auf der anderen Seite Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind, unterstützen. Diese Dualität leben wir weiter. Wir sind sehr kreativ, was die Lebensmittel-Akquise betrifft.
Jochen Brühl: Da engagieren sich 60.000 Menschen für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger. Da retten wir Lebensmittel, die wir sonst wegschmeißen würden. Wir halten der Gesellschaft den Spiegel vor, was schiefläuft. Da ist die Frage, wen kritisieren wir? Die, die uns den Spiegel vorhalten, oder eine Politik, die wegschaut, die Armut ignoriert? Ich glaube, dass unsere Sozialpolitik definitiv verändert werden muss.
Jochen Brühl: Meine Positionen sind sehr deutlich: Es geht um bedarfsgerechte Leistungen für Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind. Es geht um Teilhabe, gerade auch in Familien, dass die Kinder die Chance haben, wie andere Kinder auch an Bildung teilzuhaben.
Es ist wichtig, dass wir die Thematik Frauen und Beruf, Familie und Beruf auf dem Schirm haben und dass Bildung nicht nur abhängig ist vom Einkommen der Eltern.
Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft, als Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren, der Politik sehr deutlich auf die Füße treten. Das Ausspielen derjenigen, die viel zu wenig haben, und derjenigen, die noch weniger haben, muss aufhören.
Es ist wichtig, dass wir eine sozial gerechte Gesellschaft anstreben, in der der Einzelne zählt und nicht das, was er an Einkommen hat. Mich erschreckt die Wahlbeteiligung unter armen Menschen. Wir müssen uns alle vor Augen führen, dass soziale Ungerechtigkeit zu einer Spaltung der Gesellschaft führen kann.
Das ganze Interview mit dem Vorsitzenden der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, hören Sie im neuen Podcast von VdK-Präsidentin Verena Bentele „In guter Gesellschaft“. Darin spricht Brühl ausführlicher über die Bedeutung der Tafeln in Deutschland und geht der Frage nach, warum immer mehr Menschen in Deutschland das Angebot der Tafeln nutzen.
In einer weiteren Podcast-Folge spricht Verena Bentele mit Fritz Fischer, einem der erfolgreichsten Biathleten in Deutschland. Der Bayer ist zweifacher Weltmeister und hat mit der Staffel Olympia gewonnen. In ihrem Gespräch unterhalten sich die beiden Spitzensportler über Fischers lange Karriere und sprechen über seine Mitgliedschaft beim Sozialverband VdK.
Die beiden neuen Folgen des Podcasts können Sie ab sofort hören:
juf
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