28. September 2021
SOZIALE GERECHTIGKEIT

„Junges, dynamisches Team sucht Dich!“

Die Antidiskriminierungsstelle berät Menschen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden – Oft geht es um den Arbeitsplatz

Ein modernes Co-Working / Großraumbüro mit Menschen vor Computern und Lichterkettenund großen Lampen an der Decke.
© unsplash

Menschen mit Behinderung oder einer dunklen Hautfarbe kennen das Gefühl von Benachteiligung oder Ausgrenzung. Doch viele werden auch aufgrund ihres Lebensalters diskriminiert. Oft steht dahinter die Annahme, dass der- oder diejenige bestimmte Fähigkeiten nicht besitzt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät Betroffene.

Bis zu welchem Alter darf ein Schiedsrichter Spiele der Fußball-Bundesliga pfeifen? Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat die Altersgrenze auf 47 Jahre festgesetzt. Der bekannte Schiri Manuel Gräfe (47) hält das für Quatsch. Er fühle sich fit, sagt er, so sehr, dass er bis 50 oder länger pfeifen will. Deshalb hat er den DFB „wegen Altersdiskriminierung“ verklagt.

Gräfe kann sich vermutlich einen guten Anwalt leisten. Vielleicht erreicht dieser sogar, dass der DFB die Altersgrenze verschiebt oder aufhebt. Aber was ist mit den vielen Betroffenen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, die nicht einfach so gegen den Arbeitgeber klagen können?

Zu alt für den Job

Für sie hat der Bund eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet, die juristisch berät. Ein typisches Beispiel aus der Beratungspraxis sieht so aus: Herr J., 53 Jahre alt, ist auf der Suche nach einem neuen Job. Er ist bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen. „Junges, dynamisches Team sucht Dich!“, „Sie sollten zwischen 18 und 35 Jahre alt sein“, „Wir suchen junges, engagiertes Personal für den Vertrieb“ … Immer wieder stößt J. bei seiner Arbeitsplatz­suche auf solche und ähnlich formulierte Anzeigen, die nur junge Bewerberinnen und Bewerber ansprechen. Weil er aber alle Qualifikationen mitbringt, bewirbt er sich trotzdem auf eine entsprechende Stelle im Vertrieb eines Unternehmens.

Das sagt ihm aber ohne Begründung ab. J. wendet sich daraufhin an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, weil er wissen will, ob solche Stellenanzeigen eine Altersdiskriminierung darstellen. Und er will erfahren, wie er sich dagegen wehren kann.

Die Stelle prüft den Fall juristisch. Klar ist: Stellenausschreibungen, die sich nur an Bewerbende eines bestimmten Alters richten, verstoßen gegen das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelte Gebot, Stellen altersneutral auszuschreiben.

Altersgrenze aufgehoben

Nach der Prüfung wendet sich die Antidiskriminierungsstelle in Absprache mit J. an das Unternehmen und macht auf die Vorschriften des AGG aufmerksam. Eine rechtlich haltbare Begründung, warum die neu Einzustellenden nicht älter als 35 Jahre alt sein sollten, gibt es von der Firma nicht. „Bessere Chancen im Vertrieb“ und „bessere Integration in das junge Team“ sind keine „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen“. Die Antidiskriminierungsstelle erreicht schließlich, dass das Unternehmen seine Einstellungspolitik überdenkt und Altersgrenzen aufhebt.

Seit die Antidiskrimierungsstelle im Jahr 2006 ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sie bis Anfang 2021 rund 34 000 Beratungsanfragen gezählt, erklärt Pressesprecher Sebastian Bickerich. „Etwa 16 Prozent betreffen den Bereich Altersdiskriminierung.“ In Zahlen seien das 5308 Anfragen. „Altersdiskriminierung bedeutet, dass eine Person wegen ihres Alters nachteilig behandelt wird, ohne dass es einen sachlichen Rechtfertigungsgrund dafür gibt“, erklärt Bickerich.

Die meisten Anfragen kommen mit etwa 60 Prozent aus dem Arbeitsleben. „Beschäftigte werden bei Beförderungen übergangen oder gar nicht erst berücksichtigt, Fortbildungen lohnen sich nicht mehr“, zählt Bickerich Beispiele auf. Ältere Menschen würden aber auch von Diskriminierungen bei Geschäften und Dienstleistungen berichten, von Ungleichbehandlungen bei der Kreditvergabe oder bei Versicherungstarifen.

Eine wegen ihres Alters benachteiligte Person kann „Ansprüche auf Beseitigung, Schadensersatz und Entschädigung geltend machen“, erklärt Bickerich. Wer sich im Fall einer Benachteiligung aufgrund des Alters rechtlich beraten lassen möchte, kann telefonisch oder per E-Mail Kontakt zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufnehmen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind: aus rassistischen Gründen, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Die Anlaufstelle bietet eine kostenlose telefonische Beratung an.

Kontakt zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Telefonisch: 0800 5 46 54 65
Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 Uhr

beratung@ads.bund.de
www.antidiskriminierungsstelle.de

Jörg Ciszewski

Schlagworte Altersdiskriminierung | Antidiskriminierung | Arbeitsleben

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