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Der Kopf will mehr, als der Körper kann: Psychologe Andreas Winkler spricht über seine Erfahrungen mit Senioren.
Verbohrt, zänkisch, rechthaberisch: Im Alter kommt es bei manchen zu Veränderungen im Verhalten und im Umgang mit Mitmenschen. Oft gibt es Streitigkeiten. Ist das dann der viel zitierte Altersstarrsinn?
„Menschen können sich mit zunehmendem Alter verändern – in ihren Denk- und Verhaltensweisen, in ihrer Persönlichkeit und in der Beziehungsfähigkeit“, sagt Andreas Winkler, klinischer Psychologe im Klinikum St. Georg gGmbH Leipzig und Mitglied beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).
Die Veränderung könne sowohl in Richtung „Altersweisheit“ – also im positiven Sinne durch Lebenserfahrung und Stolz auf Erreichtes – als auch in eine entgegengesetzte Richtung gehen. Winkler: „Hier kommt der Begriff des Altersstarrsinns ins Spiel. Häufig werden diese Betroffenen rigider in ihren Denk- und Verhaltensmustern. Veränderungen werden abgelehnt, es kommt zu für Außenstehende unverständlichen Handlungen.“ Das könnten Geiz oder übermäßiges Geldausgeben sein, sozialer Rückzug, Missmut, Aggressionen gegen sich selbst und andere, oft auch Familienangehörige. Das gehe so weit, dass Hilfe abgelehnt wird, obwohl gleichzeitig signalisiert wird, dass man hilfsbedürftig und überfordert ist.
Winkler spricht aus Erfahrung, die er in über 15 Jahren Arbeit in einer geriatrischen Abteilung als klinischer Psychologe sammeln konnte. „Ich erlebe immer wieder Patienten, die verzweifelt darüber sind, dass alles nicht mehr so schnell und reibungslos und grenzenlos funktioniert, wie sie es aus früheren Jahren gewohnt sind. Wenn der Kopf mehr will, als der Körper kann, dann gilt es, sich darauf zu fokussieren, nicht dem nachzutrauern, was nicht mehr so gut funktioniert“, betont der Psychologe. Stattdessen solle man stolz darauf sein, was man alles noch kann.
„Alt werden ist nichts für Feiglinge …“ – dieses Zitat des verstorbenen Entertainers und Schauspielers Joachim Fuchsberger präsentiert er seinen Patienten häufig, um ihnen zu signalisieren, dass Älterwerden eben auch kein Selbstläufer ist, sondern ein täglicher kleiner Kampf: gegen Schmerzen, gegen das Vergessen, gegen Altersbeschwerden, gegen Kraftlosigkeit, gegen die Trauer und die Einsamkeit, wenn der Partner verstorben ist. Im Gegenzug müssten Angehörige und Freunde akzeptieren, dass ein älterer Mensch eben schneller an seine Grenzen kommt als ein jüngerer.
Das Verhalten und Erleben könne sich aber auch im Verlauf einer Erkrankung verändern, gibt Winkler zu bedenken. So sei beispielsweise die Demenz eine Erkrankung, die das Verhalten verändert. Gerade in der Anfangsphase einer demenziellen Erkrankung gebe es Abwehrmechanismen, die in aggressives Verhalten umschlagen. Solche Veränderungen müssten als ein Merkmal der Erkrankung gesehen werden. „Und wenn ältere Menschen sich zurückziehen und soziale Kontakte meiden sowie Merkmale der Selbstvernachlässigung und auch Zeichen der Selbstaufgabe zeigen, dann besteht der begründete Verdacht auf eine Altersdepression“, so Winkler.
Für die Diagnostik und Behandlung der beschriebenen Erkrankungen stünden spezialisierte geriatrische Einrichtungen zur Verfügung, in denen geschultes Personal sowohl mit den körperlichen als auch mit den seelischen Besonderheiten älterer Menschen bestens vertraut sei. Auch die Zahl von Vereinen und kommunalen Verbänden, die sich den Älteren widmen, nehme erfreulicherweise zu. Als Betroffener, Angehöriger oder als Freund und sich Sorgender könne man sich also immer Hilfe holen.
Die meisten Formen von Altersstarrsinn sind nicht behandlungsbedürftig: Es handelt sich nicht um eine Krankheit, sondern vielmehr um eine natürliche Reaktion auf massive Veränderungen im Leben. Denn im höheren Lebensalter kommt es zu Einschnitten in die gewohnten Abläufe und die eigenbestimmte Handlungsfähigkeit. Vor allem wegen des körperlichen und auch geistigen Abbaus.
Wichtig dabei für Angehörige und Freunde: Tritt ein ungewohnt aggressives Verhalten auf, plötzlich oder zunehmend, so muss herausgefunden werden, was dahintersteckt. Eine Reihe von körperlichen oder psychischen Gründen könnte die Ursache sein. Eine mögliche Demenz, eine Altersdepression oder auch Schmerzen müssen abgeklärt werden.
Viele der älteren Menschen leben dennoch ein ruhiges, geordnetes und durchaus als glücklich zu bezeichnendes Leben im Einklang mit Familie, Freunden und Verwandten. Sie sind stolz auf Erreichtes und freuen sich über jeden neuen Tag.
Die überwiegende Mehrheit der über 70-Jährigen hat eine mittlere bis hohe Lebenszufriedenheit. Es gibt also eine große Bandbreite des Älterwerdens.
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