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Viele VdK-Mitglieder erleben zurzeit eine große Enttäuschung – ein Besuch bei armen Rentnerinnen am Tegernsee
Vor einem Jahr ist die Grundrente nach langen Diskussionen endlich eingeführt worden. Sie sollte Menschen, die viele Jahre gearbeitet und trotzdem nur eine geringe Rente haben, deutliche Verbesserungen bringen. Doch die ersten Bescheide, die seit Jahresmitte verschickt wurden, sorgten vielerorts für Enttäuschungen, wie die Beispiele von einigen VdK-Mitgliedern zeigen.
Der Tegernsee in Oberbayern steht für viele Menschen für Wohlstand und eine herrliche Landschaft. Kaum jemand, der mit dem Ausflugsschiff oder einem Privatboot über das von Bergen umgebene tiefblaue Gewässer fährt, denkt daran, dass es hier auch Armut gibt. Doch den Beraterinnen und Beratern des Sozialverbands VdK begegnen immer wieder Menschen, die finanziell nur schwer über die Runden kommen.
Die 72-jährige Manuela Osterberg* ist eine davon. 937 Euro Rente bekam sie in den vergangenen Jahren im Monat ausbezahlt. Davon musste sie alle Ausgaben von Miete über Energie bis hin zu Essen und Kleidung bezahlen. Zum Glück wohnt sie in einer Genossenschaftswohnung, deren Kosten deutlich unter dem Mietspiegel liegen. Und in den vergangenen Jahren konnte das VdK-Mitglied auch noch etwas arbeiten, um sich so monatlich rund 300 Euro hinzuzuverdienen.
Doch dies geht aus gesundheitlichen Gründen seit einiger Zeit nicht mehr. Sie versuchte, alle möglichen Hilfen zu beantragen wie Grundsicherung oder Wohngeld. Alles wurde abgelehnt, auch den Rundfunkbeitrag muss die alleinstehende Frau weiter zahlen. Ihr Einkommen war zu hoch und die Miete zu niedrig. Wie viele andere Menschen auch, liegt sie gerade so an der Grenze zu Sozialleistungen.
Ihre große Hoffnung war daher die Grundrente. Diese soll ja Menschen wie ihr zu einem Leben mit weniger Sorgen verhelfen: Sie hat 35 Jahre überwiegend ganztags als Arzthelferin gearbeitet und einen Sohn großgezogen. Wegen der enormen Bürokratie, wie zum Beispiel der aufwendigen Einkommensprüfung, gingen die ersten Bescheide mit Grundrentenprüfung erst ab dem Sommer an die Betroffenen. Da Manuela Osterberg krankheitsbedingt vorzeitig in den Ruhestand gehen musste, wurde ihre Rente bereits früher als bei den meisten neu berechnet.
Als sie den Brief der Deutschen Rentenversicherung öffnete, war die Enttäuschung groß: Sie bekommt zwar einen Grundrentenzuschlag. Dieser beträgt aber brutto nur 5,60 Euro. Auf ihrem Konto landen davon 4,97 Euro.
„Das war ein totaler Schock“, sagt sie. „Und dann ist dieser in Wut umgeschlagen.“ Manuela Osterberg fragte bei der VdK-Kreisgeschäftsstelle in Bad Tölz nach, die sie schon länger betreut. Doch der Bescheid ist im rechtlichen Sinne korrekt. Auf juristischem Weg kann sie dagegen nichts unternehmen. Der geringe Zuschlag liegt an der vom Gesetzgeber vorgegebenen Berechnungsformel.
Ihren Unmut über den kaum spürbaren Grundrentenaufschlag hat sie in einem Fernsehinterview für ein ARD-Politikmagazin zum Ausdruck gebracht. Die knapp fünf Euro im Monat helfen ihr gar nicht. „Ich habe Existenzängste“, erzählte sie vor der Kamera. Sie habe Sorge, ihre Wohnung zu verlieren.
Nur wenige Kilometer weiter wohnt Petra Müller*, die noch auf die Grundrente hofft. In ihrem Rentenbescheid ist ebenfalls ein Zuschlag aufgeführt. Dieser wird aber nicht ausbezahlt, da ihr Einkommen noch überprüft wird.
Sie erfüllt aus versicherungsrechtlicher Sicht alle Kriterien. So kommt sie auf 468 „Grundrentenmonate“. Zu diesen umgerechnet 39 Jahren gehören alle Zeiten, in denen sie berufstätig war oder Krankengeld bezogen hat. Zudem sind noch zwölf Jahre für die Erziehung ihrer beiden Kinder enthalten.
Obwohl sie immer wieder schwere gesundheitliche Probleme mit starken Schmerzen hatte, biss sie die Zähne zusammen und arbeitete viele Jahre neben der Kindererziehung im Dienstleistungsbereich. Petra Müller gab immer ihr Bestes, hat Verantwortung übernommen, trotz geringerem Gehalt und Teilzeit. Auf gesundheitlich empfohlene Reha-Maßnahmen verzichtete sie zugunsten der Berufstätigkeit.
890 Euro bekommt sie an Erwerbsminderungsrente ausbezahlt. Ihr Grundrentenzuschlag läge immerhin bei 120 Euro netto. Allerdings wird sie diesen in absehbarer Zeit nicht bekommen. Denn bei ihr ist die Einkommensprüfung das Problem. So wird nicht die aktuelle Rente zugrunde gelegt, sondern der Steuerbescheid vom vorletzten Jahr, für die Rente 2021 zählt der von 2019. Und da Petra Müller damals noch erwerbstätig war, kommt sie mit dem Einkommen über die erlaubte Höchstgrenze für einen Zuschlag.
Beide Rentnerinnen sind also weit weg von den Summen, die die Deutsche Rentenversicherung in fiktiven Rechenbeispielen veröffentlicht hat. Demnach könnte eine Floristin, die von der Lehre bis zum Ruhestand 43 Jahre in Voll- und Teilzeit gearbeitet hat, dank Grundrente 911 Euro statt 633 Euro bekommen. Das wären immerhin 278 Euro mehr.
Viele können davon nur träumen. Die Zuschläge, von denen der VdK weiß, liegen im günstigsten Fall bei 70 bis 100 Euro. Meistens jedoch sind es nur niedrige ein- bis zweistellige Beträge. Für VdK-Präsidentin Verena Bentele ist die Grundrente „definitiv nicht die Unterstützung, die viele Menschen erwartet haben“. Da müsse die neue Bundesregierung deutlich nachbessern, sagt sie.
Manuela Osterberg lebt zwar an einem wunderschönen See. Doch mit 4,97 Euro käme sie mit dem Schiff nur vom Ort Tegernsee nach Rottach-Egern. Zurück aber nicht mehr.
Sebastian Heise
*Namen von der Redaktion geändert
Schlagworte Grundrente | Deutsche Rentenversicherung | Armut | Altersarmut
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