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Bund und Länder sind im Gespräch über einen „Härtefallfonds“ – Betroffene verlangen eine „Anerkennung der Lebensleistung“
Mehr als 30 Jahre nach der deutschen Einheit warten viele Ost-Rentnerinnen und -Rentner weiter auf Gerechtigkeit. Ihre in der DDR erworbenen Rentenansprüche wurden nach der Wiedervereinigung nicht berücksichtigt. Interessenvertreter sprechen von rund 500 000 Betroffenen.
17 Personen- und Berufsgruppen haben in der DDR Rentenansprüche erworben, die bis heute strittig sind. Nach der Wende sollten die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, in die die Betroffenen oft jahrzehntelang eingezahlt hatten, in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden.
Doch nach einer kurzen Übergangsfrist wurden sie gekürzt oder komplett gestrichen. Davon betroffen waren beispielsweise Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und der Post sowie Krankenpflegerinnen und -pfleger, aber auch Balletttänzerinnen und -tänzer oder Bergleute. Die zahlenmäßig größte Gruppe, die auf eine Anerkennung finanzieller Ansprüche wartet, ist die der in der DDR geschiedenen Frauen.
Im März 2019 gründete sich ein Runder Tisch (RT), der seitdem für eine Entschädigung dieser Gruppen kämpft. Der Sprecher dieses Bündnisses ist Dietmar Polster, ehemaliger Reichsbahner, der selbst betroffen ist.
Er sei ganz froh, erklärt Polster, dass ein „Härtefallfonds“, wie ihn CDU/CSU und SPD in den Koalitionsvertrag von 2018 geschrieben haben, nicht gekommen ist. Dieser Fonds habe eine Entschädigung ausschließlich jener Personen vorgesehen, „die mit einer Rente in der Nähe der Grundsicherung im Alter auskommen müssen“. Entschädigt werden sollen außerdem jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler.
Von den 500 000 Ost-Rentnerinnen und -Rentnern würden aus einem solchen Härtefallfonds gerade zwei Prozent eine Abfindungszahlung erhalten, erklärt Polster. In einem größeren Umfang dürften jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler davon profitieren, weil von ihnen mehr Personen die Voraussetzungen erfüllen. Polster macht deutlich: „Wir als Runder Tisch werden nicht über einen Härtefallfonds diskutieren. Uns geht es um die Schaffung eines Gerechtigkeitsfonds, mit dem die Lebensleistung der Menschen angemessen anerkannt wird.“
Sein Ziel ist, eine durchschnittliche, einmalige Abfindung in Höhe von 10 000 Euro für die Betroffenen „on top“, also zusätzlich zum Einkommen, zu erreichen. In den meisten Fällen lägen die tatsächlichen Ansprüche der Betroffenen höher. „Aber wir haben entschieden, dass wir nicht mehr unser Recht einfordern“, so Polster. Das habe in der Vergangenheit nicht zum Ziel geführt. „Wir streben eine politische Lösung für einen Gerechtigkeitsfonds an.“ Einen Härtefallfonds kann er sich „als ersten Schritt“ für die „am härtesten Betroffenen“ vorstellen.
Vor wenigen Monaten berichtete der MDR, dass Betroffene mit einer Einmalzahlung von rund 2500 Euro entschädigt werden sollen. Für Polster ist das indiskutabel. Hoffnung schöpfe er daraus, dass im Haushaltsplan für das Jahr 2022 erstmals Geld für einen Fonds vorgesehen sei. „Die Bundesregierung plant demnach die Bereitstellung von einer Milliarde Euro. Voraussetzung ist allerdings, dass sich alle Bundesländer zusammen mit ebenfalls einer Milliarde beteiligen“, sagt der Sprecher des Runden Tischs. Einige Länder wie Brandenburg hielten sich jedoch noch zurück.
Polster begrüßt, dass in den vergangenen Jahren Bewegung in die Verhandlungen über einen Härtefallfonds gekommen ist. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte einen solchen Fonds im Koalitionsvertrag aufgenommen. Er sei zwar nicht umgesetzt worden, aber das Thema werde wieder intensiver auf politischer Ebene diskutiert, so Polster. Er hoffe aber, dass die neue Regierung an einer Lösung arbeiten werde.
Wie der Runde Tisch fordert auch der VdK, dass Zahlungen aus einem Fonds nicht an die Bedürftigkeit, also den Bezug von Grundsicherung, gekoppelt werden. „Das wäre vor allem jenen nicht vermittelbar, die Ansprüche in der DDR erworben haben, die im Rahmen des Rentenüberleitungsgesetzes nicht berücksichtigt wurden“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Generell seien Rentenansprüche unabhängig von der Bedürftigkeit auszuzahlen. Zudem belegen Studien, dass ein Großteil derer, die Anspruch auf Grundsicherung haben, diese aus Scham oder Unkenntnis nicht beantragen. „Die Lebensleistung aller Betroffenen muss auch finanziell angemessen anerkannt werden“, fordert die VdK-Präsidentin.
Jörg Ciszewski
Schlagworte Rente | Ostdeutschland
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