5. Juni 2023
PFLEGE

Online-Pflegeberatung im Selbstversuch

Viele Portale bieten Unterstützung an – nicht alle sind hilfreich

Wenn ein Pflegefall eintritt, nutzen Angehörige auch das Internet, um sich zu informieren. Wie gut sind Online-Pflegeberatungen? Die VdK-Zeitung wagte den Selbstversuch.

Symbolfoto: Frau sitzt am Notebook
© IMAGO / Fotostand

Ich gehe als Erstes auf eine Seite, die „Hilfe für pflegende Angehörige“ verspricht. Dass der Anbieter eigentlich Pflegekurse abhält und Pflegehilfsmittel zum Verbrauch vertreibt, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Eine künstliche Intelligenz (KI) schlägt mir mögliche Fragen vor und beantwortet diese.

Schließlich lande ich bei einer Übersicht über Pflegestützpunkte – und nein, mein erdachter Wohnort in Bayern ist nicht darunter. Für die Finanzierung listet die KI die üblichen Leistungen der Pflegekasse auf, das bayerische Landespflegegeld kennt sie nicht. Immerhin werden die hauseigenen Pflegekurse und die Pflegebox nicht aufgedrängt.

Werbung für Pflegebox

Das ist bei der nächsten Webseite schon anders. Dieses Unternehmen trägt die Bezeichnung „Pflegeberatung“ vermutlich eher zur Tarnung seiner wirtschaftlichen Interessen. Es gibt fachlich gute Artikel zum Thema Pflege, aber in jedem ploppt eine zu bestellende „Pflegebox“ auf. Die Übersicht über die Pflegestützpunkte könnte auch mal aktualisiert werden, sie entspricht etwa dem Stand vor fünf Jahren.

Weiter geht’s zur Webseite einer Pflegeversicherung: Hier wird man mit Informationen förmlich überschüttet. Viel Zeit wäre nötig, um sich durch sämtliche Artikel zu kämpfen, bevor man die Pflege für seine Angehörigen organisiert. Manche Beiträge lassen sich nur mit Zeitverzögerung abrufen.

Lächelnde KI

Und noch eine Webseite arbeitet mit KI – diesmal hat sie ein menschliches Gesicht. Es lächelt mich zuversichtlich an, als wolle es sagen: „Wir schaffen es, dein Problem zu lösen.“ Ich gebe nur wenige Daten in eine Maske ein, dann verkündet das Gesicht freudestrahlend, es habe „tolle Angebote“ gefunden. Ich bekomme ein Handvoll Pflege- und Hauswirtschaftsdienste genannt, darunter auch weiter entfernte Anbieter, und einen 150 Kilometer entfernten Pflegestützpunkt im benachbarten Baden-Württemberg.

Über eine Webseite mit dem Namen „Pflegeberatung“ werde ich unbemerkt auf eine Seite geleitet, die von privaten Pflegekassen finanziert wird. Ich klicke mich durch die Infos, aber meiner erdachten Pflegesituation werden sie nicht gerecht. Also wähle ich die angebotene Nummer der Beratungshotline.
Für den Testanruf ausgedacht habe ich mir eine Mutter, 82 Jahre, mit Pflegegrad 2, die in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Sie nutzt den Rollator, lebt noch zu Hause und will dort auch bleiben. Aber sie hat Probleme mit dem Laufen, der Körperpflege, dem Einkaufen und dem Putzen. Ganz einfach will ich es den Beraterinnen nicht machen, deshalb wähle ich eine Kleinstadt in Oberbayern. Dort herrscht massiver Pflegekräftemangel, und einen Pflegestützpunkt gibt es auch nicht.

Persönlicher Berater

Die Beraterin nimmt gewissenhaft alle Daten meiner erfundenen Mutter auf: Name, Geburtsdatum, Straße und Hausnummer, Wohnort, Telefonnummer. Ihre Akribie ist mir unheimlich, und so frage ich: „Was machen Sie mit den Daten?“ Die Dame am anderen Ende der Leitung versichert mir, dass die Angaben vertraulich sind, und dass man sie nur bräuchte, damit der persönliche Berater vorbeikommen könne. Ich frage scheinheilig: „Meine Mutter ist gesetzlich versichert, kann sie dann auch Ihre Beratung in Anspruch nehmen?“ Die Beraterin erklärt mir, nein, dann bleibe es bei der Telefonberatung. Puh!

Letzter Versuch: Ich nehme es mit der „am besten bewerteten Pflegeberatung Deutschlands“ auf. Dafür muss ich Name, Mailadresse und Telefonnummer in eine Suchmaske eintragen und abschicken. Wenige Sekunden später klingelt mein Telefon, und ich erzähle die erdachte Geschichte. Die Beraterin hat gutes Fachwissen. Sie fragt, ob meine Mutter ein Gästezimmer hat, und bietet eine 24-Stunden-Kraft für rund 3000 Euro monatlich an.

Pausenloses Klingeln

Als ich ablehne, erkundigt sie sich, ob das Bad barrierefrei ist – natürlich nicht! Die freundliche Dame weiß sogleich eine Firma, die das ändern kann, und beharrt darauf, diese umgehend zu kontaktieren. Ich winke ab und behaupte, dass meine erfundene Mutter zur Miete wohnt. Ob sie denn einen Hausnotruf habe? Sie könne mir zwei Anbieter empfehlen. Außerdem besteht sie darauf, eine Pflegebox zu ordern mit Einmalhandschuhen und weiteren Hilfsmitteln. Ich willige ein, meine Daten weiterzugeben, und frage mich im Stillen, was Handschuhe mit eingeschränkter Mobilität zu tun haben. Schließlich verspricht sie, sich in zwei Wochen nochmal zu melden.

Keine zwei Minuten später klingelt es wieder: Erst ruft eine Hamburger Firma für Hausnotruf-Systeme an, dann die Mitarbeiterin eines Pflegebox-Unternehmens und schließlich jemand von einer anderen Firma für Hausnotrufe. Obwohl ich ihnen erkläre, dass ich erst mit meinem Mann über alles sprechen möchte, lassen sie nicht locker und rufen noch viele weitere Male an.

Mein Fazit: Online-Pflegeberatung kann unter Umständen helfen, einen ersten Einblick in das Thema Pflege zu bekommen. Bei Telefon-Hotlines sollte man vorsichtig sein, sonst setzt man eine ungeahnte Verkaufsmaschinerie in Gang. Eine Beratung, die meiner erdachten Situation gerecht geworden wäre, gab es jedoch nicht.

Annette Liebmann


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05.06.2023

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