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Der Dokumentarfilm „Mitgefühl“ begleitet das Leben im dänischen Demenzpflegeheim Dagmarsminde. Regisseurin Louise Detlefsen gibt der VdK-ZEITUNG Einblicke in die besondere Philosophie, die auf Gemeinschaft und Menschlichkeit statt Medikamente setzt.
Als Torkild und seine Frau Vibeke in Dagmarsminde einziehen, wird das gefeiert. Alle zwölf Bewohnerinnen und Bewohner sitzen im Wohnzimmer an der Kuchentafel, trinken Kaffee und begrüßen die Neuen. An den Wänden hängen Gemälde, bunte Kissen liegen auf alten Sesseln, auf dem Tisch stehen Blumen: Dieses Wohnzimmer sieht aus wie das einer x-beliebigen Großfamilie.
Doch Dagmarsminde ist ein Pflegeheim für Demenzkranke, allerdings ein ungewöhnliches. Nähe, Aufmerksamkeit und Gemeinschaft ersetzen Medikamente. Statt wie üblich zehn Präparate, erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner meist nur eins pro Tag.
Als die dänische Regisseurin Louise Detlefsen zum ersten Mal die Gründerin von Dagmarsminde, Maj Bjerre Eiby, über Demenz und ihren mitfühlenden Behandlungsansatz erzählen hörte, wollte sie unbedingt einen Dokumentarfilm über diesen besonderen Ort drehen. „Ich war von dieser Superkraft der menschlichen Beziehungen fasziniert.“ In ihrem Film „Mitgefühl“ zeigt sie den Alltag in Dagmarsminde – auch den von Vibeke und Torkild. Vibekes Demenz ist weit fortgeschritten. Sie braucht Hilfe, die ihr 89-jähriger Mann nicht mehr leisten kann. Denn auch Torkild ist demenzkrank. Er versteht das aber nicht und denkt, nur wegen Vibeke mit einzuziehen.
Der Film begleitet die beiden und die anderen Bewohnerinnen und Bewohner beim gemeinsamen Frühstück, dem Zeitunglesen, den Aktivitäten im großen Garten, den Spaziergängen in den nahen Wald. Nach der Gymnastik nehmen die Pflegerinnen zusammen mit allen das Mittagessen zu sich. Nach dem Mittagsschlaf gibt es selbst gebackenen Kuchen zum Nachmittagskaffee. Anschließend lesen die Pflegerinnen etwas vor. Der Abend klingt nach dem gemeinsamen Essen auf dem Sofa aus mit Dessert und Nachrichten, bevor alle Bewohnerinnen und Bewohner nach und nach ins Bett begleitet werden.
„Ich hatte dieses Familiengefühl. Die Pflegerinnen haben immer im Blick, dass es allen gut geht. Sie geben darauf Acht, wer etwas benötigt – nicht als Patient, sondern als Mensch“, sagt Detlefsen. Die gelebte Gemeinschaft ist Teil der Philosophie des Hauses: Der Tag wird zusammen und nicht allein in den Zimmern verbracht, dadurch werden etwa im Wohnzimmer nur zwei Pflegerinnen gebraucht, die dort alles überblicken.
Der geregelte Tagesablauf gibt den Demenzkranken Struktur. Trotzdem ist Torkild manchmal frustriert und reagiert wütend. Spielt die Musik zu laut, verliert er leicht die Kontrolle, dann geht Pflegerin Dorte mit ihm in den Garten, nimmt ihn in den Arm, sagt ihm, dass sie ihn versteht. „In unserer Gesellschaft ist es sehr beschämend, Demenz zu haben und seine Fähigkeiten zu verlieren. Deshalb versuchen die Pflegerinnen, dieses Selbstwertgefühl wieder aufzubauen“, sagt Detlefsen.
Ein Pflegeheim ist in Bjerre Eibys Philosophie eine Wohlfühloase. Es geht dabei nicht nur um Ästhetik, sagt Detlefsen: „Die Blumen haben verschiedene Farben oder Formen. Zum Essen gibt es jeden Tag ein anderes Serviettenmuster, mal lila, mal mit Vögeln. Über diese Kleinigkeiten tauschen sich die Demenzkranken aus. Gleichzeitig hilft es ihnen, sich heimisch zu fühlen.“
Könnte das Konzept auch in Deutschland funktionieren? „Absolut“, sagt Detlefsen.#ZITAT {„Für eine solche Demenzpflege braucht es Engagement und Führungspersönlichkeiten mit einer Vision und Werten. Es ist leichter, sich um Menschen zu kümmern, wenn sie nicht mit Medikamenten ruhiggestellt sind.“}
Die Politologin und Pflegeexpertin Cornelia Heintze sieht das kritischer: „Wenn man solche Ansätze in Deutschland umsetzen will, muss man an das System ran.“ In Dänemark ist die Langzeitpflege öffentliche Aufgabe. Es gibt keine privaten Zuzahlungen, und Pflegeheime in freier Trägerschaft wie Dagmarsminde bekommen das Gleiche bezahlt wie kommunale Einrichtungen. Ins dänische Pflegesystem fließt jedoch doppelt so viel Geld wie ins deutsche, und der Pflegebedarf wird individuell ermittelt: Menschen mit Demenz bekommen 6000 bis 7000 Euro pro Person, in Deutschland dagegen 2000 Euro für die vergleichbare Pflegestufe 5. „Damit sind ganz andere Bedingungen in der Pflege möglich mit gesünderer Ernährung, besserem Personalschlüssel, angemessenen Gehältern“, sagt Heintze.
Um auch in Deutschland ältere Menschen so gut zu betreuen wie Torkild und Vibeke, braucht es nicht nur eine andere Philosophie, sondern strukturelle Veränderungen und mehr Geld für die Pflege.
Marie-Christin Höhne
Der Film „Mitgefühl“ von Louise Detlefsen läuft im November noch in einzelnen Kinos und ist ab Februar als DVD erhältlich.
Schlagworte Pflege | Demenzerkrankung | Demenz | Pflegeheim
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