GESUNDHEIT

Kleine Helfer, fatale Folgen

Vorsicht vor Schlaftabletten – Zwei Experten erklären, warum Arzneimittel den Schlaf stören und wie sie abhängig machen.

Das Bild zeigt viele bunte Tabletten
© Unsplash

Ab und zu mal eine unruhige Nacht – das kennt jeder. Wer aber häufig schlecht schläft, fühlt sich krank und kraftlos. Doch anstatt zu starken Schlaftabletten zu greifen, die abhängig machen können, sollten sich Betroffene professionelle Hilfe bei einem Facharzt suchen.

Einsamkeit, Depression, Verlust des Partners. Es gibt viele Gründe, warum Menschen unter Schlafproblemen leiden – und sich gegen die innere Anspannung ein Beruhigungsmittel verschreiben lassen. Doch Benzodiazepine, die am häufigsten verwendeten Beruhigungs- und Schlafmittel, können zu einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit führen.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen schätzt, dass mehr als eine Million Menschen in Deutschland von Schlafmitteln abhängig sind. „Zwei Drittel bis drei Viertel davon sind Frauen über 65“, sagt Professor Norbert Wodarz von der Universität Regensburg und Vorstandsmitglied der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS).

Soziales Problem

Der Mediziner sieht darin auch ein soziales Problem, das keineswegs neu sei. So haben Mick Jagger und Keith Richards von der britischen Rockband The Rolling Stones bereits 1966 einen Song über das Beruhigungsmittel Valium mit dem Titel „Mother’s Little Helper“ geschrieben. Obwohl das hohe Suchtpotenzial der „kleinen Helfer“ bekannt ist, werden Benzodiazepine oft verschrieben, weiß der Suchtexperte.

Tobias Bayer, der in der Röntgen-Apotheke in Würzburg arbeitet und Mitglied bei der BAS ist, zeigt Verständnis für Hausärzte, die im Notfall ein Beruhigungsmittel verordnen:„Sie begleiten eine Familie oft jahrzehntelang und nehmen Anteil.“ Wenn der Ehemann verstirbt und seine Frau allein zurückbleibt, vertraut sich diese in ihrer Verzweiflung dem Hausarzt an. Sie klagt über Schlafprobleme und Ängste. „Die Tabletten können bei einem Schicksalsschlag vorübergehend helfen“, bestätigt auch Suchtmediziner Wodarz. Betroffene seien sehr erleichtert, wenn sie endlich wieder ein paar Stunden am Stück durchschlafen können und sich von Sorgen befreit fühlen.

Trauer nur verschoben

Doch: „Beruhigungsmittel verschieben die Trauerzeit nur nach hinten“, betont Professor Wodarz. Zudem stören sie den empfindlichen Schlafrhythmus, und ihre Wirkung lasse bald nach. Schlimmer noch: Dadurch, dass die Schlafmittel muskelentspannend wirken, sei mit einem erhöhten Sturzrisiko zu rechnen, warnt er.

Seine Empfehlung lautet: „Schlafmittel sollten höchstens vier Wochen lang eingenommen werden. Schon vor der Einnahme sollte der behandelnde Arzt mit dem Betroffenen eine Strategie besprechen, um das Medikament wieder abzusetzen.“

Wie können Angehörige helfen? „Wenn sie merken, dass das Medikament für ihr Familienmitglied immer wichtiger wird, wenn es leicht in Panik ausbricht, wenn nicht genügend Beruhigungsmittel im Haus sind – dann sollten sie ihre Sorge ausdrücken und Unterstützung anbieten.“ Viel wirksamer als Arzneimittel seien Schlafschulen, in denen man lernen könne, ohne Arznei richtig zur Ruhe zu kommen, rät der Suchtmediziner.

Nicht immer stecken seelische Nöte hinter Einschlafschwierigkeiten. „Viele wissen nicht, dass der Schlafbedarf mit dem Alter abnimmt“, sagt Apotheker Tobias Bayer. Wenn ein 70-Jähriger sechs Stunden Schlaf braucht und um 22 Uhr ins Bett geht, wacht er am nächsten Morgen eben schon um 4 Uhr auf. Ein Problem sei auch der ausgedehnte Mittagsschlaf. 20 bis 30 Minuten genügten.

Tipps zur Schlafhygiene geben Hausärzte, Apotheker und gesetzliche Krankenkassen. Einen Selbsttest mit fünf Fragen, der hilft, eine mögliche Suchterkrankung zu erkennen, stellt der VdK online bereit unter:

Elisabeth Antritter

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