5. Juli 2023
GESUNDHEIT

Interview: Blutarmut im Alter abklären

Geriaterin weist auf Ursachen von Anämie bei Hochbetagten hin

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat im Jahr 2016 eine Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt „Anämie im Alter“ gebildet. Diese wird von Prof. Dr. Gabriele Röhrig-Herzog geleitet. Die Expertin erläutert im Interview mit der VdK-Zeitung, weshalb es so wichtig ist, Blutarmut (Anämie) bei älteren Patientinnen und Patienten ernst zu nehmen und mögliche Ursachen in den Blick zu nehmen.

Symbolfoto: Älterer Mann in einer Arztpraxis sitzt einer Ärztin gegenüber, hört ihr zu
© IMAGO / Westend61

VdK-Zeitung: Wann spricht man von Blutarmut?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Das Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff. Die „kleinen roten Blutkörperchen“, wie man auch gern sagt, transportieren den Sauerstoff. Hat ein Mensch zu wenig Hämoglobin, sprechen wir von Blutarmut. Nach den Referenzwerten der Weltgesundheitsorganisation WHO für die Region Nordeuropa gilt bei Erwachsenen ein Hämoglobin-Wert im Blut zwischen 12 und 13 als normal. Liegt der Wert darunter, handelt es sich um eine Anämie.

Weshalb ist es wichtig, bei Seniorinnen und Senioren den Hämoglobin-Wert im Blick zu behalten?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Anämie bei älteren Menschen ist lange unterschätzt worden. Anfang der 2000er-Jahre hat man sich noch wenig Gedanken gemacht. Im geriatrischen Klinikalltag wurde bei Betroffenen zwar immer wieder Blutarmut festgestellt, ihren Ursachen wurde jedoch oft nicht nachgegangen, und sie wurde auch nicht therapiert. Die DGG-Arbeitgruppe „Anämie im Alter“ hat für mehr Aufklärung gesorgt. Heute weiß man: Eine Anämie im Alter ist nicht normal und muss ernst genommen werden.

Wie häufig sind ältere Menschen von Blutarmut betroffen?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Tatsächlich haben mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten über 70 Jahren eine Blutarmut. Deshalb ist es ratsam, dass bei Hochbetagten regelmäßig der Hämoglobin-Wert gemessen wird.

Sie machen sich dafür stark, dass Anämie im Alter als Syndrom anerkannt wird. Weshalb?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Blutarmut kann viele Ursachen haben, die bei älteren Menschen Folgen haben. Deshalb spricht man in der Geriatrie von einem Syndrom. So gibt es das Syndrom der sogenannten Entzündungsanämie: Das Immunsystem ist bei einem hochbetagten Menschen oftmals in einem Zustand der chronischen Entzündung, weil es zeitlebens gegen Erreger kämpfen musste. Dadurch kommt es zu Verschleißerscheinungen mit ständig leicht erhöhten Entzündungswerten, die zu einer Entzündungsanämie führen. Die Folgen sind meist dieselben wie bei allen Anämieformen: Erschöpfung, Müdigkeit und gerade bei älteren Menschen oft verschlechterte Bewegungs- und Körperfunktionen.

Welche weiteren Probleme kann eine Blutarmut nach sich ziehen?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Wer an einer Anämie leidet, kann Krankheiten schlechter bewältigen. Bei Menschen mit Demenz hat Eisenmangel ebenfalls negative Folgen: Die Zellen im Gehirn, die vielleicht noch unbeschädigt sind, werden zu wenig mit Sauerstoff versorgt. Gehirn und Herz sind übrigens die Organe, die am meisten Sauerstoff benötigen.

Wie finden ältere Menschen heraus, ob sie eine Anämie haben?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Die Hausärztin oder der Hausarzt stellt eine Anämie bei einer Blutabnahme fest. Falls eine Anämie vorliegt, wird weiter untersucht. Benötigt der Mensch Eisen oder Vitamine? Hat er eine Wunde oder eine Druckstelle? Oder eine chronische Entzündung im Mund? All das kann dazu führen, dass man eine Blutarmut entwickelt.

Wie kann der Eisenspeicher wieder aufgefüllt werden?

Dr. Gabriele Röhrig-Herzog: Bei ausgeprägtem Eisenmangel muss das Spurenelement von außen zugeführt werden, etwa in Form von Tropfen oder Tabletten. Darüber hinaus kann eine eisenreiche Kost helfen. Gute Eisenlieferanten sind etwa Haferflocken, Kakaopulver sowie Rote Bete und rotes Fleisch.

Interview: Elisabeth Antritter

Schlagworte Blutarmut | Anämie | Geriatrie | Ältere | Senioren | Ursachen | Theraüpie | Risiken

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