27. Juni 2023
GESUNDHEIT

Endometriose – Mehr als nur Regelschmerzen

Aufklärung, Beratung und gute Versorgungsstrukturen können betroffenen Mädchen und Frauen helfen

Endometriose ist eine Schmerzerkrankung und gehört zu den häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Dennoch vergehen oft Jahre bis zur Diagnose.

Symbolfoto: Frau hält beide Hände vor ihren Bauch und Unterleib, als hätte sie Schmerzen.
© IMAGO / Zoonar

Natascha L. (Name der Redaktion bekannt) war 13 Jahre alt, als sie ihre Menstruation bekam. Auf die Schmerzen war sie nicht vorbereitet. Ihre Gynäkologin verschrieb die Pille. Aber die Beschwerden wurden mit den Jahren trotzdem schlimmer. Immer häufiger erbrach sie sich, litt unter Krämpfen, Blutungen und auch Depressionen.

Deshalb setzte sie die Pille nach zehn Jahren ab und erlebte bei der Regelblutung Schmerzen wie nie zuvor. „So etwas wollte ich nie wieder erleben“, sagt die 30-Jährige heute. Sie wandte sich an ihre Hausarztpraxis und hatte Glück. Denn ein junger Assistenzarzt dort erkannte die Symptome und wusste: Das ist Endometriose.

Langes Leiden

Mädchen und Frauen wie Natascha L. warten im Schnitt zehn Jahre auf eine Diagnose. „Das ist nicht akzeptabel“, sagt Professor Sylvia Mechsner. Sie leitet das Endometriose-Zentrum an der Charité in Berlin. Jedes Jahr behandeln sie hier rund 1500 Frauen, pro Woche gehen 200 Terminanfragen ein. In Deutschland sollen insgesamt zwei bis vier Millionen Frauen betroffen sein. Genauere Zahlen gibt es nicht.

Bei einer Endometriose siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an. Die Ursache ist noch nicht geklärt. Mechsner verfolgt den Forschungsansatz, dass bei den betroffenen Frauen die Gebärmutter während der Menstruation besonders intensiv kontrahiert. Dies führt zu kleinen Verletzungen. Heilen diese ab, können Zellen in die Muskelwand der Gebärmutter oder durch die Eileiter in den Bauchraum gelangen und sich zu sogenannten Endometrioseherden entwickeln. Hier können Verklebungen, Verwachsungen, Entzündungen und Zysten entstehen.

Manche Betroffene spüren davon kaum etwas. Andere hingegen leiden vor allem während der Regelblutung oder nach dem Geschlechtsverkehr unter großen Schmerzen, die in den Unterbauch, den Rücken oder die Beine ausstrahlen. Oft haben sie auch mit Krämpfen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zu kämpfen.
Die Beschwerden wirken sich massiv auf die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Mädchen und Frauen aus. Zudem fühlen sich viele von ihren Ärztinnen und Ärzten nicht verstanden, wenn diese von psychischen oder psychosomatischen Ursachen ausgehen.

Für Mechsner ist es erschreckend, dass Schmerzen bei der Regelblutung noch immer als normal gelten. Rund 400 Mädchen aus ganz Deutschland habe sie behandelt, die so starke Schmerzen wie bei einer Geburt hatten. „Man muss diese Schmerzen nicht aushalten. Sie sind nicht normal“, betont sie.

Bisher lässt sich Endometriose nicht vollständig heilen. Sie wird mit Hormonen behandelt, oder das Gewebe wird in einer Operation verödet oder entfernt. Natascha L. hat bereits zwei Operationen hinter sich, weil sich die Herde immer wieder neu bilden. Der letzte Eingriff erfolgte im Jahr 2021, weil sie, auch unabhängig von der Menstruation, an Schmerzen beim Wasserlassen und Abführen sowie an Magen-Darm-Problemen litt.

Konservativ behandeln

Mechsner weiß, dass eine Operation langfristig nicht hilft. Doch Medizinerinnen und Mediziner setzen viel zu oft auf diese Lösung, weil sich das in den derzeitigen Versorgungsstrukturen rechnet. An der Charité verzeichnen sie gute Ergebnisse, wenn sie konservativ vorgehen: Hier wird die hormonaktive Behandlung begleitet von Schmerz-, Psycho- und Physiotherapie sowie Ernährungsempfehlungen.

Zudem ist Mechsner überzeugt, dass die Aufklärung über die Erkrankung schon früh in den Schulen beginnen muss. Aber auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte brauchen Fortbildungen und Qualifizierungskurse, um die Patientinnen endlich gut beraten und begleiten zu können.

Bis diese davon profitieren, rät Natascha L., die sich in der Endometriose-Vereinigung Deutschland engagiert: „Hab Vertrauen in dich und deinen Körper, du kennst dich selbst am besten. Lass dich nicht abweisen oder unter Druck setzen. Und hol dir Unterstützung, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe.“

Kristin Enge

Mehr zum Thema lesen auf der Seite unseres Landesverbands Baden-Württemberg:

Beratungsfall des Monats: Endometriose – die unerkannte und unbekannte Frauenkrankheit

Schlagworte Endometriose | Schmerzen | Therapie | Behandlung

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