Springen Sie direkt:
Schon vor der Pandemie war es schwierig, einen Platz für eine Psychotherapie zu bekommen. „Die Corona-Krise hat den Mangel an Behandlungsplätzen verschärft“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. Der VdK erklärt Wissenswertes rund um das Thema Psychotherapie.
Die Nachfrage bei Erwachsenen stieg um 40 Prozent, bei Kindern und Jugendlichen sogar um 60 Prozent, wie eine Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung aus dem Jahr 2021 zeigt. Das Ergebnis sei besorgniserregend, weil sich viele Menschen erst dann um einen Therapieplatz bemühten, wenn es ihnen schon sehr schlecht gehe, sagt Munz: „Mit der Wartezeit steigt das Risiko, dass sich psychische Erkrankungen verschlimmern, verlängern oder immer wiederkehren.“ Er rät, bereits mit Beginn der Erkrankung nach Unterstützung zu suchen und sich bei der Suche nach einem Therapieplatz helfen zu lassen.
Anspruch haben alle gesetzlich Krankenversicherten, bei denen eine seelische Erkrankung vorliegt, etwa eine Depression, Angst- oder Suchterkrankung, Essstörung, Psychose sowie schizophrene Erkrankungen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, etwa über den Hausarzt, über die Arztsuche der Kassenärztlichen Vereinigungen, übers Telefonbuch oder übers Internet. Hilfreich sind auch die Psychotherapeutenkammern des jeweiligen Bundeslands oder das Psychologenportal des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
Über die bundesweite Telefonhotline 116 117 kann man einen Temin für ein Erstgespräch bekommen. Darin geht es unter anderem um die Einschätzung der Beschwerden sowie um die Therapieform und -dauer. Allerdings ersetzt das Gespräch nicht die Suche nach einem Therapieplatz.
Die BPtK hat mehr als 300 000 Versichertendaten aus dem Jahr 2019 ausgewertet. Demnach warten rund 40 Prozent der Betroffenen mindestens drei bis neun Monate auf den Behandlungsbeginn. Im Jahr 2022 dürfte diese Zahl noch höher liegen. Insbesondere auf dem Land und in strukturschwachen Gebieten gibt es deutlich zu wenig Therapieplätze.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Therapie als Sachleistung nur, wenn die Therapeuten eine Kassenzulassung haben. Das können Psychologinnen/Psychologen und Pädagoginnen/Pädagogen sein, die zusätzlich eine Ausbildung zur/zum psychologischen Psychotherapeutin/en oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin/en absolviert haben, sowie ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Die Kassen übernehmen die Kosten für Verhaltenstherapie, analytische Psychoanalyse, systemische Psychotherapie sowie tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
Findet man keinen Therapeuten mit Kassenzulassung, ist es bei dringendem Behandlungsbedarf möglich, bei einem gleichwertig ausgebildeten Psychotherapeuten ohne diese Zulassung eine Therapie zu machen. Bei diesem sogenannten Kostenerstattungsverfahren zahlt der Patient zunächst die Rechnung des Therapeuten und lässt sich dann die Kosten erstatten. Das sollte aber im Vorfeld unbedingt mit der Krankenkasse abgeklärt werden. In der Regel fordern die Kassen einen Nachweis, dass man sich intensiv um einen Therapieplatz bemüht hat.
Am Anfang steht das Erstgespräch zur Abklärung des Therapiebedarfs. Dafür benötigt man weder eine ärztliche Überweisung noch einen Antrag bei der Krankenkasse. Danach folgen bis zu vier sogenannte probatorische Sitzungen, in denen sich Patient/in und Therapeut/in kennenlernen. Patienten können diese Sitzungen bei mehreren Therapeuten machen, um den passenden für sich auszuwählen. In dieser Phase erfolgt meist auch die endgültige Diagnose. Ratsam ist es, spätestens jetzt nachzufragen, wie lange man auf den eigentlichen Therapieplatz warten muss. Nach den probatorischen Sitzungen erfolgt die Antragstellung bei der Krankenkasse. Jetzt kann die Therapie beginnen.
In schweren Fällen besteht die Möglichkeit einer Akutbehandlung. Sie kann in psychiatrischen Praxen mit Notfalldienst, in psychotherapeutischen Ambulanzen, psychiatrischen oder psychosomatischen Kliniken sowie in psychotherapeutischen Praxen erfolgen. Eine Antragstellung bei der Krankenkasse ist nicht erforderlich. Unterstützung gibt es auch in psychosozialen Beratungsstellen, bei den Sozialpsychiatrischen Diensten der Kommunen sowie bei regionalen Selbsthilfegruppen. Wer jemanden zum Reden braucht, kann sich an die Telefonseelsorge wenden oder beim „Seelefon“ des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker anrufen.
Die Krankenkasse hat drei Wochen Zeit für die Entscheidung. Gegen einen Ablehnungsbescheid kann man Widerspruch einlegen. Wird auch dieser abgelehnt, ist es möglich, Klage beim Sozialgericht einzureichen. Der Sozialverband VdK hilft seinen Mitgliedern gerne beim Antragsverfahren für eine Therapie.
Annette Liebmann
Schlagworte Psychotherapie | Wartezeit
Wir sagen Ihnen, was Ihnen laut Sozialrecht zusteht und kämpfen für Ihr Recht. Bundesweit. Jetzt Beratung vereinbaren!
Bildrechte auf der Seite "http://www.vdk.de//deutschland/pages/themen/gesundheit/84967/der_lange_weg_zur_psychotherapie":
Liste der Bildrechte schließen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.