21. Februar 2022
GESUNDHEIT

Leben ohne Kehlkopf – Wie ein an Krebs erkrankter Musiker sein Leben meistert

Dieter Lanser erkrankt mit 64 Jahren an Krebs. Doch er gibt nicht auf und kämpft sich in sein Leben zurück. Trotz einiger Rückschläge ist er heute fast so aktiv wie zuvor.

Das Bild zeigt Dieter Lanser beim Posaune spielen.
© privat

Ende 2019 ist Dieter Lansers Stimme etwas belegt. Eine Erkältung, denkt er. Dann, im Frühjahr 2020, nimmt er plötzlich stark ab und wird wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus eingeliefert. Bei der Untersuchung bricht er zusammen. Not-OP. Er wacht mit einem Luftröhrenschnitt wieder auf. Diagnose: Kehlkopfkrebs. In einer zweiten OP wird ihm der ganze Kehlkopf entfernt.

Einer von 200 Männern erkrankt an dieser Krebsart. Damit steht sie auf Platz 15 der bösartigen Erkrankungen. „Eine Vorsorgeuntersuchung gibt es nicht. Heiserkeit über mehr als vier Wochen, schlechtes Schlucken und Schmerzen können Anzeichen sein. Diese sollten Betroffene unbedingt abklären lassen“, rät Chefarzt Dr. Peter Schäfer vom Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier, der auch Lanser mit betreut hat. Aber die Prognose sei gut: Zwei Drittel werden geheilt.

Neu sprechen lernen

Ohne Kehlkopf ist für Lanser nichts mehr, wie es war. Nachdem ihm eine Stimmprothese eingesetzt wird, muss er mühevoll neu schlucken, atmen und sprechen lernen. Mit einer Logopädin übt er, den Luftstrom über die Luftröhre in die Speiseröhre zu leiten. Das erzeugt Töne, wenn er das kleine Ventil, das in seinem Hals steckt, mit der Hand verschließt. Langsam kann er wieder sprechen. Sein neues Leben beginnt.

Als die Logopädin ihm ein Video zeigt, in dem ein Kehlkopfoperierter Querflöte spielt, ist Lanser Feuer und Flamme. Musik hat sein früheres Leben bestimmt. Er hat Klavier und Blechblasinstrumente gelernt und als Berufsmusiker viele Jahre Posaune im Orchester gespielt. All das schien vorbei zu sein. Doch nun schöpft er Hoffnung: Was der Mann will, schafft er auch. Und er will wieder Posaune blasen. Allerdings werden ihm wegen der Chemo und der Bestrahlung alle Zähne entfernt. Die Behandlung muss er erst abwarten, bevor ihm ein Zahnersatz angepasst werden kann. „Für mich als Musiker war das eine Katastrophe“, sagt er.

Dann erhält er endlich die Zahnprothese, und es kann losgehen. Nach sechs Wochen gelingen ihm erste Stücke, etwa „Ach, wie ist’s möglich dann“ von Friedrich Wilhelm Kücken. Schäfer sagt, es sei nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit der Stimmprothese wieder sprechen lernen. Aber Posaune blasen, das sei schon was ganz Besonderes. Derzeit bereitet Lanser ein erstes kleines Konzert vor.

Das Essen und Schlucken fällt ihm schwer, auch das Atmen ist mit dem Luftröhrenschnitt nicht leicht. Doch sich in die Ecke setzen und nichts tun, das könne er nicht, sagt er am Telefon. „Fernsehen ist langweilig.“ Seine Stimme knarrt leicht.

Inzwischen erteilt er wieder Musikunterricht und hat trotz der Corona-Pandemie weitere Anfragen. Auch den Musikverein Kinderbeuern, dessen musikalische Leitung Lanser vor 15 Jahren übernommen hat, leitet er wieder. „Als Dieter Lanser kam, hat er das Programm komplett von klassischer auf Stimmungsmusik umgestellt. Seitdem haben wir einen Höhenflug“, sagt der Vereinsvorsitzende Jürgen Lagodka. Die 20 aktiven Mitglieder sind mehrfach in Spanien auf Oktoberfesten aufgetreten – auch nach Lansers OP.

Engagiert und aktiv

Im Mutterhaus in Trier informiert Lanser gemeinsam mit einer Logopädin Patienten, denen eine Kehlkopf-OP bevorsteht, über das Leben mit der Erkrankung. „Ihnen hilft es, mit jemandem zu reden, der selbst betroffen ist. Sie sehen, was sie erwartet. Hier findet Selbsthilfe schon vor der OP statt“, berichtet Schäfer.

Wenn der 66-jährige Lanser erzählt, was er alles macht, wird klar: Krankheit hin oder her – geht nicht, gibt’s nicht für ihn. Trotz eines Grads der Behinderung (GdB) von 100 hat das VdK-Mitglied aus Kinderbeuern im vergangenen Jahr das silberne Sportabzeichen gemacht. Auf seiner Liste: 50-Meter-Lauf, 7,5 Kilometer Gehen, Standweitsprung, Kugelstoßen, Ballweit- und -zielwurf. Das silberne Abzeichen reicht ihm nicht, in diesem Jahr will er sich sogar das goldene holen.

Kristin Enge

Schlagworte Krebs | Musik

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