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Alexandra Koch kommt Vorurteilen in der Literatur auf die Spur
Meistens leidend, schwach und bedürftig. In Romanen, die Menschen mit Behinderung beschreiben, wird gerne in diese Klischeekiste gegriffen. Die Frankfurterin Alexandra Koch hilft Schreibenden, nicht in diese Falle zu laufen.
Es beschreibt einen Schritt im Lektorat eines Buches. Dabei geht es ganz konkret um die Darstellung von an den Rand gedrängten Menschen. Sensitivity Reading hilft Autorinnen und Autoren, die Perspektive von Betroffenen zu berücksichtigen, über die sie schreiben. Ich mache zum Beispiel auf verletzende Beschreibungen oder klischeehafte Darstellungen von Menschen mit Behinderung aufmerksam und schlage Veränderungen vor.
Ganz besonders allergisch reagiere ich darauf, wenn alles, was Menschen mit Behinderung benutzen oder machen, sprachlich deutlich getrennt wird von dem, was Menschen ohne Behinderungen betrifft. Da entstehen Stilblüten wie der „Behindertensessel“ und das „Behindertenkonzert“. Oder bei einer Romanfigur im Rollstuhl: Muss wirklich bei jedem Satz betont werden, dass sie „rollt“, anstatt zu gehen?
Platz zwei nimmt die Darstellung von Menschen mit Behinderung als ganz besonders traurig, passiv und vom Schicksal geschlagen ein. Natürlich könnte sich all das aus einer Handlung ergeben, aber viel zu oft werden Behinderungen leider pauschal ausschließlich mit Leid assoziiert.
Allenfalls ein genervtes Augenrollen habe ich für – leider nach wie vor beliebte – Phrasen wie „an den Rollstuhl gefesselt“ und „leidet an Behinderung XY“ übrig.
Für mich ist eine solche teils harsche Kritik schwer verständlich. Wir sind keine „bösen Zensoren“, die irgendjemandem etwas wegnehmen wollen, sondern bieten Unterstützung bei Themen an, bei denen zum Teil einfach noch große Unsicherheit herrscht. Glücklicherweise wird das von vielen Autorinnen und Autoren sowie Verlagen aber auch so verstanden. Wir sprechen keine „Verbote“ aus, was in einem Text geschrieben werden darf. Wir weisen nur auf problematische Stellen hin. Wir erklären, warum eine Darstellung bestimmte Klischees festigt oder verletzend auf Betroffene wirkt. Ob die Vorschläge angenommen werden, liegt im Ermessen der Autoren.
Für mich als Frau mit Behinderung war die Lektüre ermüdend. Die Hauptfigur erfüllt so ziemlich jedes Klischee vom traurigen Behinderten, dessen Leben eigentlich nichts mehr wert ist. Sämtliche positive Aspekte seines Lebens werden ignoriert und selbst eine aufkeimende Liebesgeschichte wird für ihn als unmöglich dargestellt. Sowohl sprachlich als auch in der Entwicklung der Geschichte wird immer wieder der Eindruck erzeugt, dass Menschen mit Behinderung in einer ganz eigenen Welt leben, mit der man als „Normaler“ möglichst keinen Kontakt haben möchte.
Obwohl Sterbehilfe an sich ein wichtiges Thema ist, wird dann der Selbstmord eines Menschen mit Behinderung noch romantisiert und als Happy End dargestellt. Ich habe das Buch gelesen und war fassungslos. Ich bin traurig, dass es beinahe nur diese Art von Geschichten gibt, in denen Menschen mit Behinderung eine Rolle spielen.
Während meiner Lektüre habe ich auf Instagram immer wieder erklärt, wie verschiedene Aspekte der Geschichte auf mich als Betroffene wirken. Spannend waren die Gespräche, die so entstanden sind. Viele Menschen, die das Buch eigentlich sehr mochten, waren sehr offen und interessiert an diesem Perspektivwechsel beteiligt.
Über diese Frage musste ich viel zu lange nachdenken und habe erschreckenderweise kaum eine Antwort gefunden. Für mich persönlich war es Odetta Dean aus der Reihe „Der dunkle Turm“ von Stephen King, die mich vor vielen Jahren sehr begeisterte. Sie ist eine Schwarze Frau, die im Rollstuhl sitzt und sich in dieser abenteuerlichen Geschichte zur starken Revolverfrau entwickelt. Es war das erste Mal, dass ich mich mit einer Figur so identifizieren konnte. Ich weiß nicht, ob ich das Buch heute noch genauso lesen würde. Aber Odetta hat mir einen Aha-Moment beschert. Eine toughe, weibliche Figur mit Behinderung, die zur Geschichte mehr beiträgt, als „behindert zu sein“. Ich wünsche mir mehr davon!
Interview: Dr. Bettina Schubarth
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