31. August 2023
BEHINDERUNG

Bauplanung: Barrierefrei ist nicht gleich barrierefrei

Sozialverband VdK: In die Bauplanung müssen Fachverbände und Betroffene eingebunden werden

Bei der Umgestaltung öffentlicher Infrastruktur müssen nach Ansicht des Sozialverbands VdK frühzeitig Fachleute für Barrierefreiheit eingebunden werden. Ansonsten können neue Hürden entstehen, wie ein Beispiel zeigt.

Symbolfoto: Ein Rollstuhlfahrer am Geldautomat, er muss sich nach oben strecken, um das Tastaturfeld bedienen zu können.
Auch für Menschen im Rollstuhl ist die Bedienung von Geldautomaten oft schwierig. | © IMAGO / McPHOTO

Anna Spindelndreier hat ihr Geld immer bei der Sparkasse in ihrem Viertel in Dortmund abgehoben. Doch seitdem der letzte reine Auszahlungsautomat dort durch einen Automaten für Ein- und Auszahlungen ausgetauscht wurde, kann die Kleinwüchsige den Touchscreen nicht mehr bedienen. Der neue Automat hängt höher, und die Auszahlungstaste ist dadurch für die 36-Jährige nicht mehr erreichbar. Dafür ist der Automat nun für Menschen im Rollstuhl bedienbar, die ihn unterfahren können. „Es ist für mich als Kleinwüchsige ein grundsätzliches Problem, dass Barrierefreiheit oft nur auf Menschen im Rollstuhl gemünzt ist“, sagt Anna Spindelndreier.

Teure Fehler vermeiden

Jonas Fischer, Referent für Barrierefreiheit beim Sozialverband VdK, kennt dieses Problem. „Bei der barrierefreien Umgestaltung ist es wichtig, die Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen mitzudenken. Während für die einen durch einen Umbau eine Barriere verschwindet, entsteht für die anderen dadurch vielleicht eine neue.“ Er hält es deshalb für notwendig, dass in die Planung solcher Baumaßnahmen betroffene Expertinnen und Experten eingebunden werden. „In Behinderten- oder Sozialverbänden setzen sich Fachleute Tag für Tag mit den Fragen der Barrierefreiheit auseinander. Wenn schon bei der Bauplanung auf dieses Wissen zurückgegriffen würde, ließen sich teure Fehlplanungen vermeiden.“

Im konkreten Fall des Geldautomaten in Dortmund hätte beispielsweise eine in die Wand gelassene Stufe, die ausklappbar oder herausziehbar ist, eine Lösung sein können, so Fischer. Kleine Menschen könnten sich auf diese Stufe stellen, um den Touchscreen zu bedienen. „Das gibt es bereits bei einigen Geldautomaten. Die Installation ist günstig, nicht sehr fehleranfällig und gut umsetzbar.“

Lange Übergangsfrist

Hoffnung verbindet der VdK mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das im Juni 2025 in Kraft tritt. Dort ist geregelt, dass einige Produkte und Dienstleistungen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei angeboten werden müssen. Für Selbstbedienungsterminals wie bei einem Geldautomaten gilt allerdings eine Übergangsfrist von 15 Jahren bis 2040. „‚Wäre dieses Gesetz schon in Kraft, hätte der Geldautomat so nicht in Betrieb genommen werden dürfen“, sagt Fischer. Eine Barrierefreiheit in diesen Bereichen wird umso wichtiger, wenn in Zukunft immer mehr Angebote der Daseinsvorsorge auf solche Selbstbedienungsterminals reduziert werden, weil Filialen eingespart werden. Eine Entwicklung, die der VdK mit großer Sorge beobachtet.

Anna Spindelndreier muss nun bei ihren Einkäufen daran denken, dass sie sich an der Supermarktkasse Bargeld auszahlen lässt. „Das ist umständlich. Ich würde mir wünschen, dass auch die Belange von kleinwüchsigen Menschen bei der Barrierefreiheit besser berücksichtigt werden“, sagt sie.

Jörg Ciszewski

  • Sozialrecht
    Ob Rente, Gesundheit und Pflege, Teilhabe und Behinderung, Leben im Alter oder soziale Sicherung: Der Sozialverband VdK ist für seine Mitglieder ein kompetenter Ratgeber und Helfer in allen sozialrechtlichen Belangen. | weiter
  • Rente
    Der VdK will die Rente zukunftssicher machen und Altersarmut verhindern. Lesen Sie hier alles rund um die Themen Rente, Alterssicherung und unsere rentenpolitischen Forderungen. | weiter
  • Soziale Gerechtigkeit
    Rund 15,3 Millionen Menschen sind in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht - das ist fast jeder Fünfte! Der Sozialverband VdK kämpft für soziale Gerechtigkeit und setzt sich gegen die fortschreitende soziale Spaltung ein. | weiter
  • Behinderung
    Der VdK setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen ein. Lesen Sie mehr zu Inklusion, Behindertenpolitik und Barrierefreiheit. | weiter
  • Pflege
    Wir finden: Die Situation Pflegebedürftiger und Pflegender muss sich dringend verbessern. Lesen Sie hier mehr zum Thema Pflegepolitik, pflegende Angehörige, häusliche Pflege und Pflegeleistungen. | weiter
  • Gesundheit
    Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das an den Bedarfen der Menschen ausgerichtet ist. Lesen Sie mehr zu Gesundheitspolitik, Prävention, Gesundheitsleistungen, Hilfsmitteln und Versorgung. | weiter
  • Frauen
    Frauen erhalten 49 Prozent weniger Einkommen und 53 Prozent weniger Rente als Männer. Der VdK setzt sich für mehr Gerechtigkeit für Frauen ein, kämpft für Gleichberechtigung und Gleichstellung. | weiter
  • Familie
    Wir brauchen Verlässlichkeit für Familien. Der VdK setzt sich unter anderem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, für familiengerechte Arbeitszeiten, den Ausbau der Kinderbetreuung und für ein Rückkehrrecht in Vollzeit. | weiter
  • Ukraine-Hilfe
    Auf dieser Seite haben wir Basis-Informationen für ukrainische Geflüchtete und Helfer zusammengestellt. Zu allen Informationen gibt es weiterführende Links. | weiter
    09.01.2023

Rat und Tat | 13 Fragen zum GdB

Was ist der Grad der #Behinderung, kurz #GdB? Was bedeutet #Schwerbehinderung? Kann man auch mit einer psychischen Erkrankung einen GdB bekommen? Wie wird der Grad der Behinderung ermittelt? Unser Rechtsexperte Oliver Sonntag erklärt euch die 13 wichtigsten Fragen rund um den GdB!

Grad der Behinderung abgelehnt?

Wir sagen Ihnen, was Ihnen laut Sozialrecht zusteht und kämpfen für Ihr Recht. Bundesweit. Jetzt Beratung vereinbaren!

Der VdK
Eine Frau gibt einer anderen Frau zur Begrüßung die Hand. Sie stehen am Eingang eines Gebäudes mit der Aufschrift "VdK Service Point"
Finden Sie mit der Beratungsstellen-Suche die nächste Rechtsberatungsstelle des Sozialverbands VdK - auch in Ihrer Nähe!
DER VdK
Symbolfoto: Zwei Frauen und ein Mann ziehen gemeinsam an einem Seil, an dessen Ende auch jemand zieht.
Wir machen uns stark für soziale Gerechtigkeit. Wir vertreten Ihre sozialpolitischen Interessen und kämpfen für Ihre Rechte. Unsere Stärke: Unabhängigkeit und Neutralität.

Presse
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter mit Informationen zu Sozialpolitik und Sozialrecht sowie aktuellen Infos rund um den Sozialverband VdK.

Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.