13. Februar 2023
BEHINDERUNG

Der tägliche Kampf mit der Bürokratie

Schriftstellerin Dorota Danielewicz erzählt über ihr Leben mit ihrem schwerstbehinderten Sohn

Eltern, die ihr geliebtes Kind pflegen, weil es eine Behinderung hat, sind oft überlastet. Der tägliche Kampf mit Ämtern und Krankenkassen, die ständige Sorge um die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes kosten Kraft, darüber hinaus gehen viele Eltern einer Erwerbsarbeit nach – all das kennt Dorota Danielewicz. Sie wäre beinahe daran zerbrochen.

Das Bild zeigt Dorota Danielewicz mit ihrem Sohn.
Dorota Danielewicz mit ihrem Sohn Jan. | © privat

Dorota Danielewicz und ihr Mann haben mit ihrem zwölfjährigen Sohn eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, bevor endlich klar ist, dass der Junge unheilbar krank ist. Jan leidet an der Stoffwechselkrankheit Galaktosialidose, die sein Nervensystem angreift, und ist rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Als die Krankheit mit riesigen Schritten voranschreitet, sie Jans Sehkraft und seine Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt, überkommt die Mutter das Gefühl, „dass ich keine einzige Stunde weiterleben kann“.

Sie ist in ständiger Angst, verfällt in einen Kontrollzwang, weil sie die Gesundheit des Sohnes nicht kontrollieren kann, und erleidet eine Panikattacke. Sie müsse endlich an sich denken, so ihre Ärztin. Schweren Herzens tritt Danielewicz eine Kur an. Sie sei mit dem „wiedergefundenen Teil meiner selbst“ zurückgekommen und habe beschlossen, „nicht zu vergessen, dass ich außer einer Mutter vor allem ich selbst bin“.

Was Dorota Danielewicz in ihrem sehr persönlichen Buch „Jans Weg“ schildert, kennen so oder so ähnlich viele Eltern von Kindern mit Behinderung. Sie sind mit der Pflegesituation irgendwann körperlich und psychisch überfordert und brauchen eine Entlastung. Viel zu viele finden aber keine.

Allein gelassen

Der Sozialverband VdK kennt dieses Problem aus seiner Rechtsberatung. „Die Familien mit pflegebedürftigen Kindern fühlen sich häufig sehr allein gelassen“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Weder im eigenen Umfeld, noch bei der Krankenkasse oder bei ihrer Kommune fänden sie ein offenes Ohr. „Im Gegenteil, wenn sie kämpfen und ihr Recht einfordern, dann werden sie schnell als Störer bezeichnet. Manche haben oft gar keine Zeit und Kraft, um für ihre Ansprüche zu kämpfen.“ Es fehle an Entlastungsangeboten, die so wichtig sind, um sich von der Pflege zu erholen. „Wir brauchen beispielsweise dringend mehr Verhinderungs- und Nachtpflegen sowie mehr Plätze für Kurzzeitpflege“, sagt Bentele.

Die Pflege eines Kindes ist oft ein Vollzeitjob. Dorota Danielewicz berichtet von einem monatelangen Antragsverfahren, bevor dem arbeitsunfähigen Jan als junger Mann die Grundsicherung zuerkannt wird. Der Umgang mit Ämtern habe sie – neben der ganztägigen Pflege – sehr stark in Anspruch genommen. Sie sei bei der Beantragung von Dingen, die ihr gesetzlich zustanden, so behandelt worden, als verlange sie Luxusgüter.

Lohn für Pflegearbeit

„Wir brauchen dringend gute Beratungsangebote vor Ort, gerade für Familien mit pflegebedürftigen Kindern“, fordert Bentele. Ein häufiges Problem sei, dass die Krankenkassen Hilfsmittel ablehnen. „Für Kinder mit Behinderung darf nicht die Wirtschaftlichkeit über der Gesundheit der Kinder stehen.“ Die Krankenkasse müsse sich bei der Bewilligung an der Verordnung der behandelnden Ärzte orientieren. „Außerdem brauchen wir einen Lohn für pflegende Angehörige, um das hohe Armutsrisiko zu senken“, so Bentele. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin im Auftrag des VdK ist jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet, bei pflegenden Frauen sogar jede vierte.

Dorota Danielewicz will mit anderen Eltern pflegebedürftiger Kinder weiter „um würdige Lebensbedingungen für unsere Kinder“ kämpfen. Jan lebt mittlerweile in einer WG und arbeitet in einer Werkstatt. Das ist für sie „ein Idealzustand“. „Trotzdem müssen wir ständig darauf achten, dass sich nichts zum Schlechteren hin verändert“, sagt sie. Dafür will sie weiter kämpfen wie eine „fürsorgliche Löwin“.

Jörg Ciszewski

  • Sozialrecht
    Ob Rente, Gesundheit und Pflege, Teilhabe und Behinderung, Leben im Alter oder soziale Sicherung: Der Sozialverband VdK ist für seine Mitglieder ein kompetenter Ratgeber und Helfer in allen sozialrechtlichen Belangen. | weiter
  • Rente
    Der VdK will die Rente zukunftssicher machen und Altersarmut verhindern. Lesen Sie hier alles rund um die Themen Rente, Alterssicherung und unsere rentenpolitischen Forderungen. | weiter
  • Soziale Gerechtigkeit
    Rund 15,3 Millionen Menschen sind in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht - das ist fast jeder Fünfte! Der Sozialverband VdK kämpft für soziale Gerechtigkeit und setzt sich gegen die fortschreitende soziale Spaltung ein. | weiter
  • Behinderung
    Der VdK setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen ein. Lesen Sie mehr zu Inklusion, Behindertenpolitik und Barrierefreiheit. | weiter
  • Pflege
    Wir finden: Die Situation Pflegebedürftiger und Pflegender muss sich dringend verbessern. Lesen Sie hier mehr zum Thema Pflegepolitik, pflegende Angehörige, häusliche Pflege und Pflegeleistungen. | weiter
  • Gesundheit
    Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das an den Bedarfen der Menschen ausgerichtet ist. Lesen Sie mehr zu Gesundheitspolitik, Prävention, Gesundheitsleistungen, Hilfsmitteln und Versorgung. | weiter
  • Frauen
    Frauen erhalten 49 Prozent weniger Einkommen und 53 Prozent weniger Rente als Männer. Der VdK setzt sich für mehr Gerechtigkeit für Frauen ein, kämpft für Gleichberechtigung und Gleichstellung. | weiter
  • Familie
    Wir brauchen Verlässlichkeit für Familien. Der VdK setzt sich unter anderem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, für familiengerechte Arbeitszeiten, den Ausbau der Kinderbetreuung und für ein Rückkehrrecht in Vollzeit. | weiter
  • Corona
    Aktuelle Maßnahmen, barrierefreie Texte und Videos sowie unsere Pressemitteilungen zum Thema. | weiter
  • Kampagnen
    Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Kampagnen transportiert der VdK seine Forderungen an die Politik und zeigt immer wieder soziale Missstände auf. | weiter

Rat und Tat | 13 Fragen zum GdB

Was ist der Grad der #Behinderung, kurz #GdB? Was bedeutet #Schwerbehinderung? Kann man auch mit einer psychischen Erkrankung einen GdB bekommen? Wie wird der Grad der Behinderung ermittelt? Unser Rechtsexperte Oliver Sonntag erklärt euch die 13 wichtigsten Fragen rund um den GdB!

Grad der Behinderung abgelehnt?

Wir sagen Ihnen, was Ihnen laut Sozialrecht zusteht und kämpfen für Ihr Recht. Bundesweit. Jetzt Beratung vereinbaren!

Der VdK
Eine Frau gibt einer anderen Frau zur Begrüßung die Hand. Sie stehen am Eingang eines Gebäudes mit der Aufschrift "VdK Service Point"
Finden Sie mit der Beratungsstellen-Suche die nächste Rechtsberatungsstelle des Sozialverbands VdK - auch in Ihrer Nähe!
Der VdK
Symbolfoto: Zwei Frauen und ein Mann ziehen gemeinsam an einem Seil, an dessen Ende auch jemand zieht.
Wir machen uns stark für soziale Gerechtigkeit. Wir vertreten Ihre sozialpolitischen Interessen und kämpfen für Ihre Rechte. Unsere Stärke: Unabhängigkeit und Neutralität.

Presse
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter mit Informationen zu Sozialpolitik und Sozialrecht sowie aktuellen Infos rund um den Sozialverband VdK.

Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.