Eltern, die ihr geliebtes Kind pflegen, weil es eine Behinderung hat, sind oft überlastet. Der tägliche Kampf mit Ämtern und Krankenkassen, die ständige Sorge um die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes kosten Kraft, darüber hinaus gehen viele Eltern einer Erwerbsarbeit nach – all das kennt Dorota Danielewicz. Sie wäre beinahe daran zerbrochen.
Dorota Danielewicz und ihr Mann haben mit ihrem zwölfjährigen Sohn eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, bevor endlich klar ist, dass der Junge unheilbar krank ist. Jan leidet an der Stoffwechselkrankheit Galaktosialidose, die sein Nervensystem angreift, und ist rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Als die Krankheit mit riesigen Schritten voranschreitet, sie Jans Sehkraft und seine Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt, überkommt die Mutter das Gefühl, „dass ich keine einzige Stunde weiterleben kann“.
Sie ist in ständiger Angst, verfällt in einen Kontrollzwang, weil sie die Gesundheit des Sohnes nicht kontrollieren kann, und erleidet eine Panikattacke. Sie müsse endlich an sich denken, so ihre Ärztin. Schweren Herzens tritt Danielewicz eine Kur an. Sie sei mit dem „wiedergefundenen Teil meiner selbst“ zurückgekommen und habe beschlossen, „nicht zu vergessen, dass ich außer einer Mutter vor allem ich selbst bin“.
Was Dorota Danielewicz in ihrem sehr persönlichen Buch „Jans Weg“ schildert, kennen so oder so ähnlich viele Eltern von Kindern mit Behinderung. Sie sind mit der Pflegesituation irgendwann körperlich und psychisch überfordert und brauchen eine Entlastung. Viel zu viele finden aber keine.
Der Sozialverband VdK kennt dieses Problem aus seiner Rechtsberatung. „Die Familien mit pflegebedürftigen Kindern fühlen sich häufig sehr allein gelassen“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Weder im eigenen Umfeld, noch bei der Krankenkasse oder bei ihrer Kommune fänden sie ein offenes Ohr. „Im Gegenteil, wenn sie kämpfen und ihr Recht einfordern, dann werden sie schnell als Störer bezeichnet. Manche haben oft gar keine Zeit und Kraft, um für ihre Ansprüche zu kämpfen.“ Es fehle an Entlastungsangeboten, die so wichtig sind, um sich von der Pflege zu erholen. „Wir brauchen beispielsweise dringend mehr Verhinderungs- und Nachtpflegen sowie mehr Plätze für Kurzzeitpflege“, sagt Bentele.
Die Pflege eines Kindes ist oft ein Vollzeitjob. Dorota Danielewicz berichtet von einem monatelangen Antragsverfahren, bevor dem arbeitsunfähigen Jan als junger Mann die Grundsicherung zuerkannt wird. Der Umgang mit Ämtern habe sie – neben der ganztägigen Pflege – sehr stark in Anspruch genommen. Sie sei bei der Beantragung von Dingen, die ihr gesetzlich zustanden, so behandelt worden, als verlange sie Luxusgüter.
„Wir brauchen dringend gute Beratungsangebote vor Ort, gerade für Familien mit pflegebedürftigen Kindern“, fordert Bentele. Ein häufiges Problem sei, dass die Krankenkassen Hilfsmittel ablehnen. „Für Kinder mit Behinderung darf nicht die Wirtschaftlichkeit über der Gesundheit der Kinder stehen.“ Die Krankenkasse müsse sich bei der Bewilligung an der Verordnung der behandelnden Ärzte orientieren. „Außerdem brauchen wir einen Lohn für pflegende Angehörige, um das hohe Armutsrisiko zu senken“, so Bentele. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin im Auftrag des VdK ist jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet, bei pflegenden Frauen sogar jede vierte.
Dorota Danielewicz will mit anderen Eltern pflegebedürftiger Kinder weiter „um würdige Lebensbedingungen für unsere Kinder“ kämpfen. Jan lebt mittlerweile in einer WG und arbeitet in einer Werkstatt. Das ist für sie „ein Idealzustand“. „Trotzdem müssen wir ständig darauf achten, dass sich nichts zum Schlechteren hin verändert“, sagt sie. Dafür will sie weiter kämpfen wie eine „fürsorgliche Löwin“.
Jörg Ciszewski