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Als der sechsjährige Nick vor der Tür seiner zukünftigen Pflegeeltern Heike und Torsten Hellmann steht, ist er ein traumatisiertes, verängstigtes und abgemagertes Kind. Inzwischen ist er ein junger Mann und träumt davon, als Betreuungskraft in der Pro-Seniorenresidenz Posthof in Göttingen zu arbeiten.
Nick hat einen langen Weg hinter sich. Als Kind wurde er misshandelt. Er hat viel Schlimmes erlebt, aber mit seinen Pflegeeltern auch viel Gutes. Das hat dazu beigetragen, dass aus dem Jungen ein warmherziger, empathischer und engagierter 20-Jähriger geworden ist. Schach spielt er leidenschaftlich gern und Klavier. Er hat einen GdB von 80 mit den Merkzeichen G, H und B sowie Legasthenie.
In der Montessori-Schule war er ein Kind wie jedes andere. „Ich war Nick, nicht der behinderte Nick“, sagt er. „Das war ganz groß für ihn“, meint seine Pflegemutter. „Er wurde nicht in Watte gepackt, sondern gefordert.“ Für die Hellmanns ist der Besuch einer Werkstatt nie infrage gekommen. Zu viel Schubladendenken gebe es, finden sie. „Es steht viel Gutes auf dem Papier, aber oft scheitert die Umsetzung.“
Nach der Schule begann Nick ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einem Tierheim. Hier wurde er wegen seiner Behinderung gemobbt. Nach sechs Monaten rieten ihm sein Arzt und sein Therapeut, vorzeitig aufzuhören. Für den jungen Mann war das eine Katastrophe. „Nach dem Zusammenbruch hatten wir schlimme Monate“, sagt Heike Hellmann. Es kostete viel Geduld und Kraft, ihren Pflegesohn von einem Praktikum im Posthof zu überzeugen. Das lief so gut, dass man ihm ein FSJ anbot.
Für Natascha Dimond, stellvertretende Leiterin des sozio-kulturellen Dienstes im Posthof, ist Nick ein Mitarbeiter und Teamkollege wie jeder andere. „Nick spürt, wenn es den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht gut geht, und was sie brauchen“, sagt sie. „Als Betreuungskraft tut er das, was sonst die Angehörigen tun. Er ist Familienersatz.“ Mit den Bewohnern geht er spazieren, spielt mit ihnen, sie schauen Fotos an, er unterstützt sie beim Einkaufen oder Aufräumen. Und er erzählt ihnen von der Welt draußen. Einen Lieblingsbewohner hat er nicht. „Ich mag alle genauso, wie sie sind“, sagt er.
Im Pflegealltag mussten sie manches vereinfachen und ihrem Kollegen die Zeit geben, die er braucht. Heike Hellmann war immer ansprechbar, um mögliche Schwierigkeiten auszuräumen. Nick sagt selbst, dass er den Wochenplan nicht gut lesen kann. Für die Dokumentation seiner Tätigkeit fand sich eine einfache Lösung: Auf einem Zettel kreuzt er von mehreren Optionen eine an und schreibt den Namen des Bewohners dazu. Damit kommt er gut zurecht. Schwierig kann es werden, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Dann ist es wichtig, ihrem Mitarbeiter überschaubare Aufgaben zuzuteilen, die er bewältigen kann, sagt Natascha Dimond.
„Ich bin unendlich dankbar, dass man mir diesen Platz gegeben hat. Es war für die Mitarbeiter dort eine Herausforderung. Das weiß ich“, sagt Nick. Und seine Pflegemutter fügt hinzu: „Sie haben ihm die Menschen anvertraut. Er strahlt, wenn er aus dem Haus geht, und er strahlt, wenn er zurückkommt. Was sie ihm gegeben und zu seiner Entwicklung beigetragen haben, ist unschätzbar.“ Wenn Nick könnte, würde er dem Posthof einen Inklusionspreis verleihen.
Zu seinem 18. Geburtstag hat Nick 500 Euro gesammelt, die er der „Aktion Kindertraum“ spendet. Von dem Geld erhielt ein Junge ein Piano. Und nachdem der 20-Jährige endlich seine Opferrente nach dem Opferentschädigungsgesetz bekam, wurde er Mitglied im VdK. Seitdem lesen er und seine Herzensmama Heike gemeinsam die VdK-Zeitung.
Er lässt sich zur Betreuungskraft weiterbilden. Die Corona-Pandemie verzögert alles, der Erste-Hilfe-Schein fehlt ihm noch. Nick wünscht sich sehr, irgendwann fest angestellt im Posthof arbeiten zu dürfen.
Kristin Enge
Schlagworte Behinderung | Familie | Freiwilliges Soziales Jahr | Inklusion | Beruf | Legasthenie
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