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Am 31. Oktober vor 500 Jahren schlug der Augustiner-Mönch Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg an der Elbe. Er prangerte darin den Ablasshandel der katholischen Kirche an. Der Thesenanschlag gilt als die Geburtsstunde des Protestantismus mit heute mehr als 800 Millionen Gläubigen weltweit. 2017 ist der Jubiläums-Reformationstag daher ausnahmsweise bundesweit ein Feiertag.
Ob es den Thesenanschlag an besagtem Tag tatsächlich gegeben hat, ist nicht bezeugt. Übliche Praxis war es damals allerdings, akademische Verlautbarungen auf diese Weise zu publizieren. Im Laufe der Zeit wurden der Thesenanschlag und sein Ort symbolisch überhöht.
Luther wollte eine breite Auseinandersetzung über den Ablasshandel, der seiner Ansicht nach die Glaubwürdigkeit der Kirche aufs Spiel setzte. Für Geld konnte man sich ohne zu büßen von Sünden freikaufen und der Strafe des Fegefeuers entgehen. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, lautete das Versprechen des Ablasspredigers Johann Tetzel, der Geld für die Fertigstellung des Petersdoms in Rom sammelte, des damals weltweit größten Bauvorhabens. Zu Tetzel kamen auch viele Wittenberger Bürger.
Martin Luther, geweihter Priester, seit 1512 Doktor der Theologie und Theologieprofessor bis zu seinem Tod, war Beichtvater vieler Wittenberger. Er predigte in der Stadtkirche St. Marien. Luther kritisierte die Geschäftspraktiken und Predigten Tetzels und setzte sich mit ihnen in den 95 Thesen „Gegen den Missbrauch des Ablass“ auseinander, die sich infolge der Erfindung des Buchdrucks schnell verbreiteten.
Er wollte die Kirche reformieren, nicht spalten. Die Thesen stehen für den Ausdruck einer tiefen Enttäuschung und gelten als Auslöser der Reformation. Luther habe dabei die noch junge Technik des Buchdrucks als Publizist, Propagandist und Agitator berechnend und in revolutionärer Weise für seine theologischen Anliegen zu nutzen gewusst, so Thomas Kaufmann, Professor für Kirchengeschichte an der Georg- August-Universität Göttingen.
Die römisch-katholische Kirche und der Kaiser waren von der Kritik Luthers nicht begeistert. 1521 wurde der Reformator exkommuniziert und so aus der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen. Luther widersetzte sich auf dem Reichstag in Worms der Forderung von Kaiser Karl V. und Papst Leo X., seine Thesen zu widerrufen. Er berief sich dabei auf die Heilige Schrift und sein Gewissen und betonte die Gewissensfreiheit, Urteilskraft und Eigenverantwortung.
Luther und seine Anhänger wurden daraufhin unter Reichsacht gestellt und damit für rechtlos erklärt. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise ließ ihn entführen und auf die Wartburg oberhalb von Eisenach vor den Verfolgern in Sicherheit bringen. Dort versteckte sich Luther monatelang unter dem Namen „Junker Jörg“ und übertrug das Neue Testament lebensnah und bildhaft ins Deutsche. Später in Wittenberg folgte die Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen. Die 1534 in Wittenberg gedruckte gesamtdeutsche Bibel beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache wie kein anderes Buch. Sie wurde zur Grundlage für die neuhochdeutsche Schriftsprache und vielfach übersetzt.
Reformation und Buchdruck gehen Hand in Hand. Die monopolistische Vermittlerrolle und Deutungshoheit der Geistlichkeit in Glaubensfragen begann zu bröckeln. Die gedruckten Bilderbögen und Publikationen ersetzten den geistlichen Stand als bis dahin alleinige vermittelnde Instanz. Die Vorläufer einer neuen Dialog- und Wissenskultur entstanden. Die Reformation sorgte für einen gewaltigen Bildungsschub. So gab es beispielsweise im protestantischen Thüringen bereits im 16. Jahrhundert ein blühendes Dorfschulwesen. Immer mehr Menschen konnten die Bibel alleine lesen.
1522 kehrte Luther nach Wittenberg zurück und heiratete die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Zusammen mit ihren Kindern und den Angestellten lebten sie in Wittenberg und gelten als die Begründer des evangelischen Pfarrhaushalts.
Luther, der am 10. November 1483 als Sohn von Hans und Margarete Luder in Eisleben geboren wurde und erst 1517 seinen Nachnamen ins hochdeutsche Luther änderte, starb am 18. Februar 1546 in seiner Geburtsstadt und wurde in der Wittenberger Schlosskirche beigesetzt.
Die großen Anstöße zur Reformation hat Martin Luther durch seine Worte und seine Schriften gegeben. Die Inhalte und seine zum Teil wortgewaltigen, derben und sinnbildlichen Aussprüche verbreiteten sich mithilfe des Buchdrucks sozusagen explosionsartig. „Gewissensbiss“, „Machtwort“ und „Lästermaul“ gehen ebenso auf ihn zurück wie „ein Herz und eine Seele“, „ausposaunen“, „Perlen vor die Säue“ und „im Dunkeln tappen“.
Christine Eichel: Deutschland, Lutherland. Warum uns die Reformation bis heute prägt. Blessing Verlag, 19,99 Euro. ISBN 978-3-89667-527-9.
Die Reformation revolutionierte das geistliche Leben und die Gesellschaft. Nicht durch gute Werke, Fürbitten und die Vermittlung geweihter Priester sollte der Einzelne künftig das Seelenheil erlangen, sondern es wird ihm allein aufgrund seines Glaubens (lat. sola fide) von Gott aus reiner Gnade (lat. sola gratia) geschenkt. „Allein durch den Glauben wird der Mensch erlöst“, lautete die zentrale neue Botschaft des Reformators. Es entstanden neue Konfessionen, wie die Lutheraner und Reformierten.
Ausgehend von Luthers Berufung auf das eigene Gewissen, entdeckten die Menschen zunehmend ihre eigene Persönlichkeit. Sie wurden mündiger gegenüber der Kirche und dem Staat. Aus der Freiheit jedes Einzelnen entstand die Gewissensfreiheit, das heißt, aufgrund des Gewissens, frei von äußerem Zwang, zu entscheiden und zu handeln. Sie prägt bis heute das Miteinander in Staat, Kirche und Gesellschaft. Das Eintreten jedes Einzelnen für Freiheit, Bildung und Teilhabe ist heute so aktuell wie vor 500 Jahren.
sko
Schlagworte Martin Luther | Reformationstag | Schlosskirche | Wittenberg | Reformation | Thesen | Thesenanschlag | Protestantismus | Ablasshandel
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