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Bei den Paralympischen Winterspielen in Sotschi (7. bis 16. März) werden auch blinde Athleten im Biathlon gegeneinander antreten. In der Loipe fährt ein Begleitläufer voraus und weist den Weg. Am Schießstand sind die Sportler jedoch auf sich allein gestellt. Die VdK-Zeitung wollte wissen, wie das funktioniert, und schickte einen Redakteur zum Selbstversuch zum VdK-Mitglied Verena Bentele. Die neue Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen gewann allein im Biathlon fünfmal paralympisches Gold.
Ruhig legt sich Verena Bentele bäuchlings auf ihre rosafarbene Isomatte. Sie greift sich das auf einer Ablage liegende Gewehr. Neben ihr liegt ein Kopfhörer, aus dem ein klopfender, tiefer Ton zu hören ist. Sie legt das Gewehr an, zielt auf die Scheiben und erklärt, dass der Ton immer höher und konstanter wird, je näher sie dem Ziel kommt. Nach kurzer Zeit ist statt eines tiefen brummenden Klopftones ein greller, pausenloser Ton zu hören. Sie drückt ab. Ein hohes Klingeln ertönt, und die rechte der fünf etwa sieben Meter entfernten und 28 Millimeter großen Zielscheiben leuchtet grün auf: Treffer.
"Dann müssen Sie repetieren", erklärt sie. Das entspricht dem Nachladen bei einem normalen Gewehr. Sie visiert erneut an. Der Ton wird ganz hoch. Sie schießt. Grün. Zweiter Treffer. Innerhalb weniger Sekunden wiederholt sie das. Drei Treffer. Vier Treffer. Dann drückt sie einfach nur ab, ohne sich zu konzentrieren. Ein dumpfes "bööb" kommt aus den Kopfhörern. Rot. So sieht es aus, wenn man nicht trifft, erklärt sie.
"Jetzt sind Sie dran", sagt die zwölffache Paralympics-Gewinnerin. Ich lege mich auf die Matte: "Sie brauchen die Augen nicht zumachen," erklärt Bentele. Kimme und Korn fehlen ebenso wie ein Visier. Denn die Schießanlage, die Verena Bentele im Innenhof ihrer Münchner Wohnung aufgebaut hat, ist speziell für blinde Sportler entwickelt worden. Der finnische Hersteller rüstet damit alle offiziellen Wettbewerbe aus - auch die Paralympics in Sotschi.
Geschossen wird nicht mit Patronen wie bei den sehenden Biathleten, sondern mit Infrarot. Sowohl Gewehr als auch Zielscheiben sind an einen Koffer angeschlossen, der per Steckdose mit Strom versorgt wird. Bei Wettkämpfen stehen die Scheiben zehn Meter weit weg. Im Hinterhof bei Verena Bentele sind es ein paar weniger. Und im Gegensatz zum richtigen Wettkampf habe ich keine drei Kilometer auf Langlaufskiern hinter mich gebracht. Mein Pulsschlag ist trotzdem hoch, ein bisschen aufgeregt bin ich nämlich schon.
Ich sehe zwar alles. Doch anvisieren muss auch ich mithilfe der Töne. Zunächst höre ich immer nur den tiefen, klopfenden Brummton. Verena Bentele kniet sich neben mich und sagt, sie würde mir helfen. Sie greift den Gewehrlauf, und nach kurzer Zeit wird der Ton höher. "Jetzt schießen", sagt sie. Grün. Treffer.
Beim nächsten Mal will ich es allein schaffen. Eine gefühlte Ewigkeit versuche ich, das Gewehr richtig auszurichten, aber der Ton wird und wird nicht höher. Endlich scheint das Ziel näher zu kommen. Ein hoher Ton. Doch Verena Bentele warnt mich: "Noch nicht schießen!" Ich höre ihren Einwand zwar, drücke aber trotzdem ab. Wieder nur der dumpfe Ton. Daneben.
Nach mehreren Fehlversuchen will ich endlich treffen - ohne Hilfe. Nach rechts, nach links, nach oben, nach unten. Irgendwo muss das Ziel doch sein. "Sie müssen mal langsam schießen", ruft Verena Bentele nach mehreren Minuten von der Seite. Endlich der hohe, durchgehende Pfeifton. Schuss. Treffer. Ganz ohne fremde Hilfe. Doch das Biathlon-Rennen hätte ich mit Sicherheit verloren - in den vergangenen Minuten wäre die Konkurrenz längst im Ziel.
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Schlagworte Biathlon | Paralympics | Blinden-Biathlon | Selbstversuch | Spezialgewehr | Paralympische Spiele | Behindertensport | VdK-Mitglied | Behindertenbeauftragte
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