6. Juni 2023
VdK-Zeitung

„Wer schreiben kann, schreibt Liebesbriefe“

Botschaften aus vier Jahrhunderten – mit Tinte in Sütterlin auf Papier geschrieben oder als digitale Nachricht verschickt

30.000 Liebesbriefe hat Professor Eva Lia Wyss gesammelt. Aufbewahrt werden sie heute im Liebesbriefarchiv der Universität Koblenz. Als Wyss ihre Arbeit 1997 begann, startete sie einen Aufruf in der Zeitung. Dass sie daraufhin in wenigen Monaten über 2000 Exemplare erhielt, überraschte die Sprachwissenschaftlerin sehr.

Symbolfoto: Ein handschriftlicher Liebesbrief, darauf ein Füller
© IMAGO / emil umdorf

Ein Rosenzweig rankt sich auf dem Papier um die sehnsüchtig geschriebenen Worte, die Ännli in ihrem Brief an Oskar richtet: „Lieber Oskar, ach könnte ich es Dir sagen, wie so sehr ich Dich liebe, aber mein armes Herz muss es Dir verhehlen, weil es nicht genug passende Worte dafür findet.“

„Briefe aus früherer Zeit wurden häufig auf besonders schönes Papier mit Verzierungen geschrieben, während es in jüngerer Zeit auch üblich wird, mit Bleistift auf herumliegende Zettel zu schreiben“, erklärt Wyss. Seit über 25 Jahren beschäftigt sich die Sprachwissenschaftlerin mit Liebesbriefen. Ihr Interesse richtet sich auf die Botschaften, die sich „Menschen wie du und ich“ schicken, und nicht auf die historischen Briefe berühmter Persönlichkeiten. Sie ist fasziniert vom Alltäglichen, davon, wie die Menschen im Laufe der Zeit ihre Gefühle kommuniziert haben.

Das Archiv umfasst inzwischen vier Jahrhunderte der „Liebeskommunikation“, wie Wyss sie nennt. Darin finden sich Briefe, Karten, aber auch knappe Notizen, E-Mails oder Kurznachrichten, die per Messengerdienst verschickt wurden. Der älteste Brief ist datiert auf den 10. Dezember 1715, der jüngste Brief stammt aus dem Jahr 2022.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Briefe von Menschen verfasst, die gebildet waren. Das waren neben dem Klerus insbesondere Adlige und Bürgersleute, Kaufleute und Händler. Denn nur sie konnten schreiben. So wie auch der Lithograf Josef Mandig, der am 12. November 1887 folgende Worte aufs Papier brachte: „Geehrter Herr, ich habe das Glück gehabt, Ihr Fräulein Tochter Klara kennenzulernen und wünsche mir, dass die selbe meine Gattin werde, welches ebenso der Wunsch Klaras ist.“ Die beiden haben tatsächlich geheiratet, erzählt Wyss.

Über die Schreibenden

Sie versucht wie eine Detektivin so viele Informationen über die Schreibenden zu sammeln, wie sie kann. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter und hängt davon ab, ob es noch Verwandte oder andere Ansprechpartnerinnen oder -partner gibt.

Heute werden viel seltener Briefe geschrieben. Oft braucht es dafür einen besonderen Anlass, wie einen Geburtstag oder eine Reise. Stattdessen tauschen sich viele Paare über Instagram oder Messengerdienste wie WhatsApp oder Signal kontinuierlich aus.

Auch die Art der Kommunikation habe sich verändert, so Wyss: So wurden etwa im 19. Jahrhundert von Männern leidenschaftliche, emotionale Texte erwartet, während Frauen eher zurückhaltend schrieben. In den 1960er-Jahren formulierten auch Frauen emotionaler. So schreibt Silvia am 4. Januar 1960 an Peter: „Bald sind es 24 Stunden her, seit Du weggefahren bist ... Peter, ich sehne mich so sehr nach Dir. Du sollst wissen, dass ich Dir ewig treu sein werde.“

Seit den 1960er-Jahren nimmt auch die Zahl der Liebesbriefe zu, die Kinder und Jugendliche verfasst haben. „Kann jemand schreiben, schreibt er Liebesbriefe“, sagt Wyss. Sie erinnert sich an einen Brief, den drei Mädchen gemeinsam an einen Jungen gerichtet haben. Alle drei waren in ihn verliebt. Die eindringliche Bitte: Er möge sich endlich für eine von ihnen entscheiden.

Kristin Enge

Liebesbriefspenden

Das Liebesbriefarchiv nimmt weitere Spenden entgegen. Das können eigene Liebesbriefe oder Exemplare aus dem Familienkreis sein. Auch an Funden auf Dachböden oder Flohmärkten, an E-Mails oder Nachrichten aus Messengerdiensten sowie an kurzen getippten oder handgeschriebenen Notizen sind die Forschenden interessiert.

Liebesbriefarchiv
Universität Koblenz
Institut für Germanistik
Universitätsstr. 1
56070 Koblenz

www.liebesbriefarchiv.de

Mediadaten

  • VdK-Mediadaten_2023.pdf (1,90 MB, PDF-Datei)

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