Springen Sie direkt:
„Behindert“ ist keine Beleidigung.
In einer Gesellschaft, in der Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit bewertet werden, haben es Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten nicht immer einfach. Es gibt sehr klare Vorstellungen davon, was als "normal" angesehen wird, und was davon abweicht. Aber was ist eigentlich "normal"?
Wikipedia sagt: "Normalität bezeichnet (...) das Selbstverständliche in einer Gesellschaft, das nicht mehr erklärt und über das nicht mehr entschieden werden muss."
Aber wäre laut dieser Definition eine Behinderung nicht auch "normal"? Alle haben schon mal einen Rollstuhl gesehen. Warum wird eine Behinderung dann nicht als "normal" angesehen?
"Ich bin jetzt 38 Jahre alt und mir fällt auf, dass ich immer noch total häufig der erste Mensch mit Behinderung bin, auf den nichtbehinderte Menschen treffen. Ich frage mich dann schon, wenn zwölf Prozent unserer Gesellschaft eine Behinderung hat, wie kann das sein?"
Die entstandenen (Berührungs-)Ängste führen zu Ausgrenzung: Othering (="Veranderung") nennt man das auch. Mitglieder einer Gruppe distanzieren sich von Mitgliedern anderer Gruppen. Es wird unterschieden in "Wir" und "die Anderen".
„Othering“ ist u.a. auch die Ursache von Rassimus, Sexismus, Cissexismus, Transfeindlichkeit. Und von Ableismus – der sozialen Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten.
Das Wort setzt sich zusammen aus dem englischen Wort „able“ (= fähig sein) und „ismus“. Das sozialwissenschaftliche Konzept sagt aus, dass jemand auf eine bestimmte Eigenschaft oder Fähigkeit reduziert wird, wie zum Beispiel eine Behinderung.
Das kann mit einer Aufwertung einher gehen, zum Beispiel wenn Menschen mit Behinderung für die Erledigung ganz alltäglicher Sachen gelobt werden. Häufig passiert es auch als Abwertung.
#WasAbledsSagen
— Meggy Monster (@MeggyMonster1) 25. März 2019
„Aber man sieht dir nicht an, dass du so krank bist.“
„Freu dich doch, dass es kein Krebs ist.“
„Andere haben es schlimmer als du.“
„Du brauchst immer ne Sonderbehandlung oder?“
„Geh doch einfach mal raus, benimm dich normal und hab Spaß.“
Bei Twitter schrieben diese Woche unter dem Hashtag #WasAbledsSagen viele Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten über ihre Erfahrungen. Sie machen öffentlich, was sie sich von "Ableds" (=Menschen mit den Fähigkeiten, die innerhalb unserer Gesellschaft als normal gelten) manchmal anhören müssen.
Dabei wird erschreckend deutlich, wie sehr Menschen mit Beeinträchtigung im Alltag abgewertet werden – und wie oft das passiert. Die Masse der Kommentare und ihr Inhalt macht betroffen.
"Dauerhaft erwerbsgemindert? Das heißt doch du musst nicht arbeiten gehen!? Ich beneide dich!"#WasAbledsSagen
— Mr. Meeseeks #Tilidoom (@RiverInsanity) 24. März 2019
So ist die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg seit Wochen Hatespeech (="Hassprech", abwertende Sprache) im Internet ausgesetzt – nicht nur wegen ihres Protests, sondern wegen ihres Asperger-Syndroms.
Greta Thunberg wird, vor allem in den sozialen Netzwerken, aufgrund ihres Asperger-Syndroms die Fähigkeit abgesprochen, rationale Entscheidungen zu treffen. Mit anderen Worten: Sie wird ständig als zurückgeblieben und minderbemittelt dargestellt. Dieser Ableismus ist so ekelhaft. https://t.co/5O7mKdfgeO
— nathan (@sozialgruppe) 9. Februar 2019
Das wirklich erschreckende an Behinderungen und Krankheiten ist vor allem der Umgang der (nichtbehinderten) Mehrheitsgesellschaft:
Das einzige was erschreckend an meinem Autismus ist, ist euer Umgang damit! Danke auch!
— koshiko-zurück zu den richtigen Wurzeln (@Koshiko_San) 19. März 2019
Ich finde Unwissenheit oder Ableismus übrigens auch eine ganz schreckliche Diagnose! *kotz*
Das muss sich ändern. Bloggerin und Autorin Laura Gehlhaar formulierte es so:
„Meine Behinderung ist nicht das Problem. Das Problem sind die vielen Dinge, die mich von außen behindern, vor allem die Unsicherheiten der Menschen.“
Laura Gehlhaar im Gespräch mit welt.de
Antonia Galganek
Wir beraten, führen Papierkrieg mit Behörden und kämpfen für euer Recht. Für 8 Euro im Monat.
Bildrechte auf der Seite "http://www.vdk.de//berlin-brandenburg/pages/76631/ableismus":
Liste der Bildrechte schließen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.