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Gesellschaftsspiele eignen sich oft nicht für blinde Menschen. Volker Lendeckel wollte sich damit nicht abfinden und rüstet diese so um, dass einem inklusiven Zocker-Abend nichts im Weg steht. VdK-Präsidentin Verena Bentele hat ein Spiel getestet.
Als junge Eltern wollten Erika und Volker Lendeckel aus Neuwied am Rhein mit ihren Kindern gerne Brett- und Kartenspiele machen. Doch so einfach war das nicht. Meistens wird vorausgesetzt, dass jede Person Spielfeld, Figuren und Karten sehen kann. Erika Lendeckel ist jedoch blind. Ihr Mann Volker fing daher an, jedes neue Spiel so umzurüsten, dass auch seine Frau selbstständig alles erfassen kann. Er klebte fühlbare Markierungen, Zeichen und Schriftzüge in Braille auf alle Teile, sodass Erika sie ertasten kann.
Volker Lendeckel fand immer mehr Spaß daran. Denn er bastelt noch lieber als zu spielen. „Je kniffliger ein Spiel ist, desto mehr reizt es mich, dieses umzurüsten“, erzählt er. So wandte er sich vor mehr als 40 Jahren an die Firma Ravensburger und bewarb sich als Spieletester. Er berichtete, dass er die Produkte immer für seine blinde Frau zugänglich macht. Das schwäbische Traditionsunternehmen wurde hellhörig und fragte, ob er nicht auch für andere Menschen die Spiele umgestalten wolle. Volker Lendeckel sagte zu, und so nahm er sich als Erstes das Agentenspiel „Heimlich & Co“ vor. Ravensburger lieferte das Originalmaterial, und er fertigte daraus eine blindengerechte Fassung.
Dies war der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Denn dieses neue Angebot sprach sich unter blinden und sehbehinderten Menschen sowie Familien mit Kindern, die nicht sehen können, immer mehr herum. Inzwischen bietet er 30 verschiedene Spiele an, und insgesamt verkauft er etwa 300 Exemplare im Jahr.
Seit dem Start seiner Webseite www.velen-spiele.de ist der Absatz etwas gestiegen. Dem 76-jährigen Rheinländer ging es aber nie darum, möglichst viel zu verkaufen. Die Spiele veräußert er von Anfang an zum Selbstkostenpreis. Maximal 20 Euro mehr kosten die Produkte bei ihm. Grund sind die zusätzlichen Materialkosten für die Magnete in den Spielfiguren und die dünne Metallplatte unter dem Spielfeld. So steht alles möglichst stabil, damit beim Tasten nichts umgeworfen wird. Außerdem befestigt Lendeckel auf allen Teilen des Spiels mit Doppelklebefolie fühlbare Abgrenzungen, Zeichen und Schriftzüge in Braille. Und natürlich gibt es eine Spielanleitung in Blindenschrift.
Lendeckel verkauft Klassiker wie „Das Original Malefiz-Spiel“ und „Hase und Igel“ sowie neue Spiele wie „Prime Climb“, bei dem die Grundrechenarten geübt werden. Seit einiger Zeit gibt es auch das „3D Labyrinth“, eine Weiterentwicklung von „Das verrückte Labyrinth“. Die Schätze, die gesammelt werden, sind nicht nur auf einem flachen Brett verteilt, sondern auf verschieden hohen Türmen, die teilweise verschoben werden können.
Die Redaktion hat das Spiel mit Verena Bentele zusammen getestet. Die VdK-Präsidentin, die von Geburt an blind ist, konnte Figuren, Karten und Feld schnell ertasten, und in kurzer Zeit war ein gemeinsames Spiel möglich. Alle hatten die gleiche Chance, und es wurde mit vollem Einsatz um den Sieg gespielt. Bentele spricht von einer „tollen Möglichkeit, Inklusion spielerisch zu erleben“.
Eltern mit blinden und sehenden Kindern schreiben Volker Lendeckel auch immer wieder dankbar von glücklichen Spielenachmittagen. Das ist für ihn der größte Lohn, wie er sagt. Damit sich der Rentner langsam zur Ruhe setzen kann, arbeitet er nun mit einer forensischen Klinik zusammen. Patientinnen und Patienten rüsten dort die Spiele um. Er selbst kümmert sich um den Vertrieb. Künftig will diese Aufgabe sein Sohn übernehmen. Inklusive Zocker-Nachmittage wird es also auch in Zukunft geben.
Sebastian Heise
Schlagworte Gesellschaftsspiele | Inklusion | Verena Bentele | Das verrückte Labyrinth | Malefiz | Hase und Igel | Brettspiel
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