26. Januar 2022
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Regierungspläne auf dem Prüfstand

Jahrespressekonferenz des VdK Bayern zu Rente und Armut

Welchen Stellenwert haben Armutsbekämpfung und Altersabsicherung in der Ampelkoalition? Auf seiner Jahrespressekonferenz in München hat sich der Sozialverband VdK Bayern Mitte Dezember diese Seiten des Koalitionsvertrags ganz genau angeschaut.

Gruppenfoto
VdK-Jahrespressekonferenz mit (von links) Pressesprecherin Dr. Bettina Schubarth, Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele und Landesgeschäftsführer Michael Pausder. | © Mirko Besch

VdK-Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele nannte es „die größte Enttäuschung“, dass der Einstieg in ein Sozialversicherungssystem für alle verpasst wurde. Dennoch kann der VdK einige Erfolge verbuchen: Es gibt keine Rentenkürzungen und keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, das Rentenniveau wird bei 48 Prozent gesichert. Für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand sind Nachbesserungen zugesagt.

„Licht und Schatten“ erkannte Bentele im Koalitionsvertrag in Sachen Armutsbekämpfung. „Eine zentrale VdK-Forderung wurde mit der deutlichen Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro umgesetzt. Allerdings müsste dieser sogar bei 13 Euro liegen, damit mit einer Vollzeittätigkeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung erwirtschaftet werden kann“, so Bentele. Kritik übte sie an der gleichzeitigen Anhebung der Minijobgrenze auf 520 Euro: „Damit wird sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängt.“

Zu niedrige Regelsätze

Die Reform der Grundsicherung Richtung „Bürgergeld“ findet beim VdK grundsätzlich Zustimmung. „Es fällt jedoch kein Wort zur überfälligen Neugestaltung der Regelsätze. Immer noch werden dieselben Maßstäbe für alle gesetzt, unabhängig von Alter und Gesundheit“, kritisierte Bentele. Gerade Menschen, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen, helfe auch die geplante Erhöhung der Zuverdienstgrenze nichts, denn diese Menschen können meistens nicht zusätzlich jobben gehen.

Mit der neuen Kindergrund­sicherung hat eine weitere VdK-Forderung Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden. „Gespannt sind wir auf die Ausgestaltung, denn Ehrlichkeit muss sein. Zur Kindergrundsicherung gehört nämlich ganz wesentlich die Umverteilung, also beispielsweise das Herunterfahren steuerlicher Vorteile für einkommensstarke Eltern. Das wird nicht allen gefallen“, prophezeite Bentele.

VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder analysierte die Renten- und Altersarmutssituation in Bayern. „Seit 2005 ist Bayern trauriger Spitzenreiter mit der höchsten Altersarmutsquote im Bundesländervergleich. Die Renten halten mit den Lebenshaltungskosten und der Inflation nicht Schritt“, sagte er. 2020 liegt die Altersarmutsquote in Bayern bei Männern bei 17,5 Prozent, bei Frauen bei 23,8 Prozent. Dazu tragen die niedrigen Renten in Bayern wesentlich bei, denn etwa zwei Drittel der Alterseinkommen werden aus der gesetzlichen Rente bestritten, in ärmeren Haushalten sind es nahezu 100 Prozent.

Kleine Renten in Bayern

Durchschnittlich 1265,20 Euro beträgt eine Männerrente in Bayern, bei Frauen nur 765,84 Euro. Männerrenten über 1400 Euro werden nur in den Landkreisen Erlangen-Höchstadt, Aschaffenburg, Dachau und München sowie in der Stadt Erlangen erreicht. Die höchsten Durchschnittsrenten bei Frauen liegen deutlich unter 1000 Euro. Spitzenreiter ist hier die Stadt München mit 913,37 Euro, gefolgt vom Landkreis München mit 876,21 Euro und der Stadt Fürth mit 869,89 Euro. Schlusslicht bei den Männerrenten ist der Landkreis Berchtesgadener Land mit 1106,86 Euro, auf dem vorletzten Platz liegt die Stadt Weiden mit 1127,67 Euro, Drittletzter ist die Stadt Regensburg mit 1133,04 Euro. Auf den drei letzten Plätzen bei den Frauenrenten liegen die Landkreise Cham mit 616,71 Euro, Freyung-Grafenau mit 625,70 Euro und Regen mit 632,10 Euro. „Die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt liegt in Bayern bei 1212 Euro. Bei diesen Rentenzahlbeträgen ist klar, wa­rum die Altersarmut in Bayern so hoch ist“, sagte Pausder.

Großer Beratungsbedarf

Er warnte: „Die soziale Kluft wächst, auch wenn die Staatsregierung das nicht wahrhaben will. Wir beim VdK Bayern merken das sehr deutlich. Der VdK ist eine der wichtigsten Anlaufstellen in der Krise geworden.“ Abzulesen sei dies in den wachsenden Mitgliederzahlen: „Im 75. Jahr unseres Bestehens zählen wir Ende 2021 über 760.000 Mitglieder. Das sind 17.000 mehr als vor einem Jahr.“

Etwa 330.000 Beratungen haben 2021 in den Geschäftsstellen des VdK Bayern stattgefunden, das sind trotz Corona 1,3 Prozent mehr als 2020. Die Statistik ist ein Spiegelbild der Pandemie: Anfragen zu den Bereichen Grund­sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) haben deutlich zugenommen, ebenso die Beratungen und Widersprüche zu Entscheidungen der Pflegekassen, meist in der häuslichen Pflege. Bei Widersprüchen gegen Pflegegradeinstufungen, die pandemiebedingt meist telefonisch vorgenommen wurden, beträgt die VdK-Erfolgsquote über 50 Prozent. Die Pflege wird der sozialpolitische Schwerpunkt 2022 sein.


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15.12.2021 - Auf seiner Jahrespressekonferenz hat sich der Sozialverband VdK Bayern den Koalitionsvertrag genau angeschaut. VdK-Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele ist enttäuscht, dass der Einstieg in ein Sozialversicherungssystem für alle verpasst wurde, sieht aber auch Positives. VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder warnt davor, dass die soziale Kluft in Bayern wächst. | weiter
15.12.2021 | bsc

Dr. Bettina Schubarth

Schlagworte Jahrespressekonferenz 2021 | Rente | Armut

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