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Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, fällt es schwer, auf ihre Gesundheit zu achten, weil sie wichtige Hinweise nicht verstehen oder einordnen können. Lebensmittelallergiker etwa greifen schlimmstenfalls zu einer Allergie auslösenden Ware. Betroffene brauchen mehr Unterstützung, fordern Experten.
Es ist kein Randphänomen: 12,1 Prozent der deutschsprechenden Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren können nicht richtig lesen und schreiben. Zu diesem Ergebnis kommt die Level-One-Grundbildungsstudie 2018 (LEO). „Mehr als sechs Millionen Menschen hierzulande können maximal einzelne Sätze, nicht aber zusammenhängende Texte lesen und schreiben“, sagt Prof. Dr. Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen in Mainz.
Sie möchte die Öffentlichkeit sensibilisieren und leitet gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband das Projekt „Health Literacy im Kontext von Alphabetisierung und Grundbildung“, kurz HEAL. Ob Nährwerttabelle, Beipackzettel, Vertragsunterlagen, Broschüren, Formulare beim Arzt – Vieles überfordert die Betroffenen, weil sie die Informationen nicht ausreichend verstehen. Damit sie keine Entscheidungen treffen, die der Gesundheit schaden, bitten sie Angehörige und Freunde, Bankberater, Supermarkt-Kassierer, bei Krankheit vor allem Ärzte und Apotheker, um Unterstützung.
Auch im Beruf sind sie auf die Hilfe anderer angewiesen. Die Forscherin betont, dass mehr als 60 Prozent der Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen erwerbstätig sind. „Häufig gehen sie ungelernten und angelernten Tätigkeiten nach, etwa als Reinigungskräfte, auf Baustellen, in der Fertigung oder in Küchen im Gastronomiebereich“. Die Wissenschaftlerin bedauert, dass Grundbildungsangebote, etwa am Arbeitsplatz, noch zu wenig bekannt sind.
HEAL hat sich zum Ziel gesetzt, Erwachsene, die im Lesen und Schreiben nicht sicher sind, zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten zu motivieren. „Das Thema Gesundheit bietet dafür gute Anreize, etwa durch gemeinsames Kochen und Einkaufen.“ Weitere wichtige Felder sind Versorgung im Krankheitsfall, Vorsorge und Pflege. „Denkbar wären etwa Infonachmittage für chronisch Kranke.“ Die Stiftung Lesen und AOK betonen, dass Materialien möglichst einfach und gut verständlich formuliert sein müssen. Beispielsweise können Infografiken und Videos sowie Vorlesefunktionen auf Webseiten weiterhelfen.
Aus zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen wissen die Bildungsspezialisten außerdem, dass sich die Zielgruppe Apps zum Scannen von Barcodes wünscht, um über die Sprachausgabe des Mobiltelefons Produktinformationen zu erhalten. Trotzdem ist eine gute Schriftsprachkompetenz notwendige Voraussetzung, um für sich die besten Gesundheitsentscheidungen zu treffen. „Selbst die Suche nach einem YouTube-Video setzt die Eingabe eines Begriffs voraus und die Auswahl eines Videos die Fähigkeit, eine kurze Beschreibung zu verstehen“, so Ehmig.
Hannah Gierschik, Referentin für Gesundheit beim VdK Deutschland, fordert mehr barrierefreie Angebote. „Wir müssen immer wieder anmahnen, dass Informationen in Leichter Sprache verfügbar sind.“ Sie nennt Packungsbeilagen als negatives Beispiel: Bisher seien Versuche gescheitert, diese verständlicher zu machen. „Das Hauptproblem bei Beipackzetteln: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, was im Text enthalten sein muss.“
Dennoch sollten Fremdwörter und lange Sätze vermieden werden, fordert die Gesundheitsexpertin. Das Netzwerk Leichte Sprache betont auf seiner Webseite, dass es um Teilhabe geht. Auf der Homepage ist zu lesen: „Viele Menschen brauchen Leichte Sprache, damit sie alles gut verstehen. Nur wer alles versteht, kann überall mitmachen.“ Prof. Ehmig gibt dennoch zu bedenken: „So hilfreich Leichte Sprache ist, sie trägt auch zur Bewahrung eines Status quo bei, den wir doch ändern wollen und müssen.“
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Elisabeth Antritter
Schlagworte Stiftung Lesen | Alphabetisierung
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