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Während der Corona-Krise ist die ambulante Betreuung von Pflegebedürftigen zusammengebrochen. Viele Angebote waren nicht mehr verfügbar – für Betroffene und deren Angehörige eine enorme Belastung. Die meisten Familien mussten die Pflege in Eigenregie übernehmen.
Sabine E.’s* Mutter ist 96 Jahre alt und lebt im Haus ihres Sohnes. Bis Februar war sie dreimal wöchentlich in der Tagespflege, damit die Familienmitglieder arbeiten gehen können. Anfang März schloss die Einrichtung. Nur mit enormer Mühe und Zusammenhalt schaffte es die Familie, die Versorgungslücke zu schließen. Der Sohn baute viele Überstunden ab, seine Frau und der gemeinsame Sohn nahmen Urlaub. Auch Sabine E. und ihre Schwester, die weiter weg wohnen, kümmerten sich um die Mutter.
Trotz dieser Betreuung geht es der Seniorin nun schlechter. „Meine Mutter hat stark abgebaut“, erzählt E. „Die Tagespflege hat ihr Struktur gegeben. Jetzt liegt sie häufig im Bett, ihre Mobilität hat abgenommen, und neulich hat sie ihren Enkel nicht mehr erkannt.“ „Fälle wie diesen erleben wir während der Corona-Krise häufig“, berichtet Yvonne Knobloch, Leiterin des Ressorts „Leben im Alter“ beim VdK Bayern, die am Pflegetelefon Betroffene berät. Für Pflegeheime gilt ein Aufnahmestopp. Wer unbedingt stationär gepflegt werden muss, durchläuft erst einmal eine zweiwöchige Quarantäne, sofern eine stationäre Einrichtung in der Kommune das anbietet.
Pflegebedürftige, die zu Hause versorgt werden, haben große Probleme, zur Unterstützung einen Pflegedienst zu bekommen. Ambulante Anbieter sind vielerorts bereits ausgebucht. Seit März fielen auch die Tages- und die Nachtpflege weg. Das Budget, das den Pflegebedürftigen zusteht, verfiel. Hinzu kommt, dass es bereits vor der Corona-Krise in Bayern viel zu wenige Kurzzeitpflegeplätze gab. Und selbst, wer den Pflegebedürftigen dort noch unterbringen konnte, musste sich nach 28 Tagen – so lange ist der maximale Anspruch – überlegen, wie es weitergehen soll. Auch zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld sind viel zu kurz, um den Ausfall der Betreuung zu kompensieren.
Niedrigschwellige Entlastungsleistungen könnten diesen Missstand ein wenig ausgleichen, sind aber vielerorts kaum verfügbar. Theoretisch könnten die Versorgungslücken laut § 150 SGB XI während der Krise auch unkonventionell durch Alternativen zum Pflegedienst geschlossen werden. Doch nicht jede Pflegekasse übernimmt die Kosten dafür (siehe Artikel auf Seite 6). „In den Zeiten der Corona-Krise brechen jetzt die jahrelang verschleppten Probleme auf“, stellt die bayerische VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher fest.
Der VdK Bayern fordert die Entbürokratisierung und Auszahlung aller Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden können und konnten. Die Fristen für deren Inanspruchnahme sollen verlängert werden, und die Höhe der Vergütungssätze soll sich generell an den Sätzen für ambulante Dienste orientieren. Weiterhin fordert der VdK Freistellung mit Lohnfortzahlung, Kostenvorschüsse für Härtefälle, Versorgung mit Schutzmaterial sowie mindestens die Verdoppelung des Betrags für Pflegehilfsmittel.
Eine Forderung des VdK wird bereits erfüllt – zumindest bis 30. September: Das Pflegeunterstützungsgeld wird solange von zehn auf 20 Tage verlängert. „Klar ist aber auch, dass diese Zeit in vielen Fällen nicht ausreichen wird. Pflegende Angehörige brauchen – wie Eltern – den Schutz des Infektionsschutzgesetzes“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele. Sabine E. und ihre Familie müssen die verlängerte Pflegeunterstützungszeit nicht in Anspruch nehmen. Sie freuen sich, dass die Mutter seit ein paar Tagen wieder in die Tagespflege kann.
*Name von der Redaktion geändert
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Annette Liebmann
Schlagworte Corona | Pflege | pflegende Angehörige
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