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Hände und Finger sind für taubblinde Menschen die wichtigsten Kommunikationsmittel. Denn sie können sich nur per Berührung miteinander verständigen. Da Sprache und Blickkontakt fehlen, ist die Unterhaltung viel körperbetonter.
Malgorzeta Zabinski und Franz Kupka sitzen sich gegenüber, fassen sich ständig an den Händen, umarmen sich, und immer wieder hält sie mit ihrer linken Hand sein linkes Handgelenk fest und tippt mit dem rechten Zeigefinger in enormer Geschwindigkeit auf seine Handinnenfläche. Während sie gehörlos ist und nur noch minimal sieht, kann er weder hören noch sehen. Die schwarze Sonnenbrille schützt ihn vor zu großer Helligkeit.
Die beiden treffen sich regelmäßig. Dieses Mal sind sie zu Gast beim „Überregionalen Fachdienst zur Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern“ (ITM). Diese deutschlandweit einzigartige, staatlich geförderte Einrichtung veranstaltet Treffen für hörsehbehinderte Menschen. So organisieren die ITM-Mitarbeiter Britta Achterkamp, Thomas Asam und Nicole Hauf Zoobesuche, bei denen nicht nur Ziegen und Schafe, sondern auch Spinnen und Schlangen angefasst werden. Mit der Informations- und Servicestelle des Bayerischen Landesverbands für die Wohlfahrt Gehörgeschädigter veranstalten sie „kulinarische Reisen“. Ziel aller Aktivitäten ist es, die funktionierenden Sinne Fühlen, Riechen und Schmecken anzusprechen.
An diesem Nachmittag mit Kaffee und Kuchen tauschen sich alle lebhaft aus: Gebärdensprachdolmetscher übersetzen für diejenigen, die noch ein geringes Sehvermögen haben, mit FM-Anlagen (drahtlose Tonübertragung) verständigen sich die Menschen mit Rest-Hörvermögen, und diejenigen, die nicht mehr sehen und hören können, „lormen“. Dies ist eine Kommunikationsform der Taubblinden. Der „Sprechende“ tastet dabei auf die Handinnenfläche des „Lesenden“.
Dabei sind einzelnen Fingern sowie Handpartien bestimmte Buchstaben zugeordnet. So bedeutet beispielsweise eine Berührung auf der Daumenspitze „A“, auf der Zeigefingerspitze „E“ und ein Kreis auf dem Handteller „S“. Hieronymus Lorm, der selbst hörsehbehindert war, entwickelte diese Sprache im Jahr 1881. Franz Kupka ist seit 15 Jahren auf das Lormen angewiesen. 1945 kam er gehörlos auf die Welt. Mit 28 Jahren hatte er Sehstörungen. Lange hoffte er, dass diese nur vorübergehend sein würden. Doch dann wurde bei ihm das „Usher-Syndrom“ diagnostiziert. Unter der Erbkrankheit, die Gehörlosigkeit mit der Augenkrankheit Retinopathia Pigmentose verbindet, leiden viele der taubblinden Menschen.
Nachdem Taubblindheit lange Zeit kaum bekannt war, bekommt diese Behinderung zunehmend Aufmerksamkeit. So gibt es mittlerweile ein eigenes Merkzeichen „Tbl“, und die Qualifizierung von Dolmetschern für hörsehbehinderte Menschen wird gefördert. Franz Kupka kämpft weiter mit großem Engagement um Anerkennung. Nachdem er seit über 30 Jahren Leiter der Selbsthilfegruppe für Taubblinde in Bayern ist, will er nun einen eigenen bayernweiten Verein gründen.
Sebastian Heise
Schlagworte Taubblindheit | Sehen und Hören | Behinderung | taubblind
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