27. April 2016
VdK-Zeitung Archiv

Abensberg geht schon lange barrierefreie Wege

Seit 23 Jahren baut die Stadt ihre historische Innenstadt um – Es ist schon viel geschehen, aber auch noch viel zu tun

Die niederbayerische Stadt Abensberg ist bekannt für ihren Hundertwasserturm. Was hingegen kaum jemand weiß: Die idyllische mittelalterliche Altstadt ist nahezu barrierefrei.

Marion Huber-Schallner, Eberhard Grünzinger und Hans Wemmers
Die Abensberger Behindertenbeauftragte Marion Huber-Schallner und Eberhard Grünzinger diskutieren über das Straßenpflaster mit Blindenstreifen. Rechts der Kelheimer VdK-Kreisvorsitzende Hans Wemmers. | © Liebmann

Ist die Brücke zu steil oder nicht? Marion Huber-Schallner kurbelt kräftig an den Rädern ihres Rollstuhls, doch kaum hat sie die Hälfte geschafft, rollt sie immer wieder zurück. Eberhard Grünzinger, Leiter der Abteilung Ehrenamt und soziale Praxis beim VdK Bayern und Experte für Barrierefreiheit, misst die Steigung: „25 Prozent.“ Der Weg zur „Liebesinsel“ ist für die Behindertenbeauftragte von Abensberg, die auch Stadträtin und VdK-Mitglied ist, zu steil.

Grünzinger und Huber-Schallner machen eine Ortsbegehung im Rahmen der VdK-Kampagne „Weg mit den Barrieren!“. Auf der Suche nach Hindernissen werden sie begleitet von der Kelheimer Kreisgeschäftsführerin Martina Mayer, vom VdK-Kreisvorsitzenden Hans Wemmers sowie seinen beiden Stellvertretern Andreas Tremmel und Kurt Weingartner, der zugleich Ortsvorsitzender von Abensberg ist. Auch in der niederbayerischen Kleinstadt gibt es noch Barrieren, wenngleich schon viel geschehen ist.

Als Dr. Uwe Brandl 1993 das Amt des Ersten Bürgermeisters übernahm, war schnell klar, dass Abensberg bei der Innenstadtgestaltung neue Wege gehen wird. „Wir haben überall Kleinsteinpflaster verlegt, ohne Bordstein, dafür mit Blindenstreifen. Die Verkehrsschilder wurden abmontiert, die gesamte Altstadt ist verkehrsberuhigt“, erläutert Brandl. Nach 23 Jahren steht die Stadt unmittelbar vor dem Abschluss, es fehlt nur noch eine Gasse. Auch viele öffentliche Gebäude wurden im Zuge einer Sanierung barrierefrei umgebaut. Im kommenden Jahr steht das Rathaus an, dann soll die Webseite der Stadt ebenfalls barrierefrei werden.

Als nächsten Schritt hofft Brandl, die Privatwirtschaft mit ins Boot zu holen. „Es ist ein sehr langer Weg“, sagt er. „Man muss schon viel Beharrlichkeit mitbringen, um ihn zu gehen. Aber die städtischen Gremien stehen voll dahinter.“ Noch ein bisschen leichter verlaufen Abstimmungen, seit Huber-Schallner für den gesamten Stadtrat eine Rundfahrt mit Rollstühlen organisiert hat. Das war 2009, als sie zur Behindertenbeauftragten ernannt wurde. Die Stadträtin, die seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist, erinnert sich: „Alle hatten danach Muskelkater. Und alle waren sich einig, dass noch viel passieren muss.“

Auch in einer Stadt, die sich um Barrierefreiheit bemüht, gibt es noch Probleme: Der Türöffner für die Behindertentoilette im Herzogskastl ist bei der Begehung defekt, aber schnell repariert. Menschen mit Behinderung gelangen bereits jetzt ins Rathaus, aber der Türöffner ist nicht gekennzeichnet, und drinnen ist die Tür zum Aufzug zu schmal. Der Blindenstreifen im Straßenpflaster ist an manchen Stellen schwer zu erkennen, die Bürgersteige sind sehr schmal, und dass die Bordsteine abgesenkt wurden, freut vor allem die Autofahrer, die nun verbotenerweise auf den Gehwegen parken.

Der Bahnhof ist nicht so barrierefrei, wie ihn die städtische Webseite anpreist: Es gibt kein Blindenleitsystem, am zweiten Bahnsteig ist der Einsatz der mobilen Rampe nicht möglich, und die Überquerung des Gleises im Rollstuhl ist allein nicht zu bewältigen. Angeboten wird aber eine Umsteigehilfe, und die Bahnmitarbeiter versichern, rund um die Uhr behilflich zu sein.

Nur positive Rückmeldungen

Trotzdem haben in Abensberg Menschen mit Behinderung mit weniger Hürden zu kämpfen als anderswo. Denn die größte Barriere – die in den Köpfen der Kommunalpolitiker – ist längst abgebaut. So war der Stadtrat schnell bereit, für eine querschnittsgelähmte Schülerin einen Aufzug bauen zu lassen, damit sie die Mittelschule besuchen kann. Die örtliche Sparkasse, bisher nur über eine Treppe erreichbar, hat jetzt ebenfalls einen Aufzug, damit Kunden mit Behinderung die Filiale besuchen können. „Ich habe von anderen Rollstuhlfahrern bisher nur Positives gehört“, versichert Huber-Schallner.

„Abensberg ist auf einem guten Weg“, lobt auch Eberhard Grünzinger. „Der Bürgermeister ist sehr engagiert, und dass die Stadt das Ziel der Barrierefreiheit schon seit Jahren verfolgt, ist bemerkenswert.“ Er bedauert, dass Abensberg diesen Pluspunkt nicht besser bewirbt. Auf der städtischen Webseite wird beispielsweise nicht erwähnt, dass das Rathaus barrierefrei zu betreten ist. „Das ist verschenkt“, findet Grünzinger. Wünschenswert wäre seiner Meinung nach außerdem eine Broschüre für Senioren und Menschen mit Behinderung, die die Stadt gemeinsam mit den örtlichen Einrichtungen erarbeitet. „Auch der VdK würde ein solches Vorhaben mit Rat und Tat unterstützen“, bekräftigt er.


Das könnte Sie auch interessieren:

VdK-Kampagne "Weg mit den Barrieren!"
Button mit der Aufschrift "Weg mit den Barrieren!"
Mit der Kampagne „Weg mit den Barrieren!“ macht sich der Sozialverband VdK für eine barrierefreie Gesellschaft stark. Unterstützen Sie unsere Forderungen und melden Sie Barrieren! Alle Informationen zur Kampagne, die "Landkarte der Barrieren" und Möglichkeiten zum Mitmachen finden Sie hier. | weiter
12.01.2016

Die VdK-Berater/innen für Barrierefreiheit setzen sich aktiv für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ein. In Zusammenarbeit mit Vertretern aus der Gemeinde können sie einen wichtigen Beitrag zum Abbau mancher Barrieren leisten. | weiter

Annette Liebmann

Schlagworte Abensberg | Barrierefreiheit | Inklusion | Menschen mit Behinderung | Ortsbegehung | VdK-Berater für Barrierefreiheit

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Artikel liegt in unserem Archiv und ist daher möglicherweise veraltet.

Zur Startseite mit aktuellen Inhalten gelangen Sie hier:

Presse
Man sieht eine Grafik mit blauem Hintergrund und der Aufschrift: Pressemitteilungen. Links im Bild ist ein Umschlag-Logo, auf welchem das VdK Logo abgebildet ist.
Bleiben Sie stets auf dem Laufenden: Unsere Abteilung "Presse, PR, neue Medien" versorgt Journalistinnen und Journalisten mit aktuellen Pressemeldungen und Statements des Sozialverbands VdK Bayern.
VdK-Zeitung
Eine Frau und ein Mann lesen die VdK-Zeitung
Mit einer Druckauflage von 690.000 Exemplaren zählt die VdK-Zeitung zu den auflagenstärksten Printmedien in ganz Bayern. Alle VdK-Mitglieder bekommen sie zehnmal pro Jahr kostenlos per Post zugestellt.
VdK-TV
Die Videoprogramme des Sozialverbands VdK bieten spannende Interviews, aktuelle Reportagen und anschauliche Berichte. Sie sind über das Video-Portal VdK-TV jederzeit im Internet abrufbar.
Presse
Man sieht eine Grafik mit blauem Hintergrund und der Aufschrift: Newsletter. Links im Bild ist ein Umschlag-Logo, auf welchem das VdK Logo abgebildet ist.
Wir bieten Ihnen zwei Newsletter an, die Sie kostenfrei abonnieren können: unseren Presse-Newsletter mit den aktuellen Pressemitteilungen des VdK Bayern und den monatlichen Newsletter.
Tipps und Termine
Das Bild zeigt ein Post-It mit einer darauf gemalten Glühbirne
In unserer Rubrik "Tipps und Termine" stellen wir Ihnen aktuelle Neuigkeiten aus dem Verbandsleben, Aktionen, Veranstaltungen sowie Links zu interessanten Beiträgen vor.

Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.