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Die niederbayerische Stadt Abensberg ist bekannt für ihren Hundertwasserturm. Was hingegen kaum jemand weiß: Die idyllische mittelalterliche Altstadt ist nahezu barrierefrei.
Ist die Brücke zu steil oder nicht? Marion Huber-Schallner kurbelt kräftig an den Rädern ihres Rollstuhls, doch kaum hat sie die Hälfte geschafft, rollt sie immer wieder zurück. Eberhard Grünzinger, Leiter der Abteilung Ehrenamt und soziale Praxis beim VdK Bayern und Experte für Barrierefreiheit, misst die Steigung: „25 Prozent.“ Der Weg zur „Liebesinsel“ ist für die Behindertenbeauftragte von Abensberg, die auch Stadträtin und VdK-Mitglied ist, zu steil.
Grünzinger und Huber-Schallner machen eine Ortsbegehung im Rahmen der VdK-Kampagne „Weg mit den Barrieren!“. Auf der Suche nach Hindernissen werden sie begleitet von der Kelheimer Kreisgeschäftsführerin Martina Mayer, vom VdK-Kreisvorsitzenden Hans Wemmers sowie seinen beiden Stellvertretern Andreas Tremmel und Kurt Weingartner, der zugleich Ortsvorsitzender von Abensberg ist. Auch in der niederbayerischen Kleinstadt gibt es noch Barrieren, wenngleich schon viel geschehen ist.
Als Dr. Uwe Brandl 1993 das Amt des Ersten Bürgermeisters übernahm, war schnell klar, dass Abensberg bei der Innenstadtgestaltung neue Wege gehen wird. „Wir haben überall Kleinsteinpflaster verlegt, ohne Bordstein, dafür mit Blindenstreifen. Die Verkehrsschilder wurden abmontiert, die gesamte Altstadt ist verkehrsberuhigt“, erläutert Brandl. Nach 23 Jahren steht die Stadt unmittelbar vor dem Abschluss, es fehlt nur noch eine Gasse. Auch viele öffentliche Gebäude wurden im Zuge einer Sanierung barrierefrei umgebaut. Im kommenden Jahr steht das Rathaus an, dann soll die Webseite der Stadt ebenfalls barrierefrei werden.
Als nächsten Schritt hofft Brandl, die Privatwirtschaft mit ins Boot zu holen. „Es ist ein sehr langer Weg“, sagt er. „Man muss schon viel Beharrlichkeit mitbringen, um ihn zu gehen. Aber die städtischen Gremien stehen voll dahinter.“ Noch ein bisschen leichter verlaufen Abstimmungen, seit Huber-Schallner für den gesamten Stadtrat eine Rundfahrt mit Rollstühlen organisiert hat. Das war 2009, als sie zur Behindertenbeauftragten ernannt wurde. Die Stadträtin, die seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist, erinnert sich: „Alle hatten danach Muskelkater. Und alle waren sich einig, dass noch viel passieren muss.“
Auch in einer Stadt, die sich um Barrierefreiheit bemüht, gibt es noch Probleme: Der Türöffner für die Behindertentoilette im Herzogskastl ist bei der Begehung defekt, aber schnell repariert. Menschen mit Behinderung gelangen bereits jetzt ins Rathaus, aber der Türöffner ist nicht gekennzeichnet, und drinnen ist die Tür zum Aufzug zu schmal. Der Blindenstreifen im Straßenpflaster ist an manchen Stellen schwer zu erkennen, die Bürgersteige sind sehr schmal, und dass die Bordsteine abgesenkt wurden, freut vor allem die Autofahrer, die nun verbotenerweise auf den Gehwegen parken.
Der Bahnhof ist nicht so barrierefrei, wie ihn die städtische Webseite anpreist: Es gibt kein Blindenleitsystem, am zweiten Bahnsteig ist der Einsatz der mobilen Rampe nicht möglich, und die Überquerung des Gleises im Rollstuhl ist allein nicht zu bewältigen. Angeboten wird aber eine Umsteigehilfe, und die Bahnmitarbeiter versichern, rund um die Uhr behilflich zu sein.
Trotzdem haben in Abensberg Menschen mit Behinderung mit weniger Hürden zu kämpfen als anderswo. Denn die größte Barriere – die in den Köpfen der Kommunalpolitiker – ist längst abgebaut. So war der Stadtrat schnell bereit, für eine querschnittsgelähmte Schülerin einen Aufzug bauen zu lassen, damit sie die Mittelschule besuchen kann. Die örtliche Sparkasse, bisher nur über eine Treppe erreichbar, hat jetzt ebenfalls einen Aufzug, damit Kunden mit Behinderung die Filiale besuchen können. „Ich habe von anderen Rollstuhlfahrern bisher nur Positives gehört“, versichert Huber-Schallner.
„Abensberg ist auf einem guten Weg“, lobt auch Eberhard Grünzinger. „Der Bürgermeister ist sehr engagiert, und dass die Stadt das Ziel der Barrierefreiheit schon seit Jahren verfolgt, ist bemerkenswert.“ Er bedauert, dass Abensberg diesen Pluspunkt nicht besser bewirbt. Auf der städtischen Webseite wird beispielsweise nicht erwähnt, dass das Rathaus barrierefrei zu betreten ist. „Das ist verschenkt“, findet Grünzinger. Wünschenswert wäre seiner Meinung nach außerdem eine Broschüre für Senioren und Menschen mit Behinderung, die die Stadt gemeinsam mit den örtlichen Einrichtungen erarbeitet. „Auch der VdK würde ein solches Vorhaben mit Rat und Tat unterstützen“, bekräftigt er.
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Annette Liebmann
Schlagworte Abensberg | Barrierefreiheit | Inklusion | Menschen mit Behinderung | Ortsbegehung | VdK-Berater für Barrierefreiheit
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