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Deutsche Sprache, schwere Sprache. Mit dem Lesen und Schreiben haben viele Menschen Probleme. Die Sätze sind oft verschachtelt, die Grammatik steckt voller Fallstricke, und Fremdwörter machen es noch schwerer, einen Text zu begreifen. Leichte Sprache hingegen wird von allen verstanden: auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen mit einer Leseschwäche und Migranten.
Die Leichte Sprache hat in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt: Die Bundesregierung und immer mehr Ministerien nutzen sie auf ihren Webseiten, Broschüren erklären anschaulich die Bundestags- und die Landtagswahlen und andere Vorgänge, viele Behörden halten verständliche Antragsformulare bereit. Manche Organisationen schließen sogar Arbeitsverträge in Leichter Sprache ab. Das erleichtert nicht nur den Alltag, sondern trägt auch zur Inklusion bei.
„Leichte Sprache wird häufiger nachgefragt als früher“, bestätigt Gisela Holtz, Geschäftsführerin des Vereins Netzwerk Leichte Sprache. „Ich habe das Gefühl, dass das Verständnis dafür wächst, dass man auch Menschen mit Lernschwierigkeiten miteinbeziehen muss. Wenn zum Beispiel eine Arbeitsanleitung auch von Beschäftigten mit Lernschwierigkeiten verstanden wird, muss ich nicht immer wieder alles neu erklären.“
Die Idee einer Leichten Sprache wurde in den 1970er-Jahren in den USA entwickelt. 1997 wurde sie in Deutschland aufgegriffen. Vier Jahre später gründete sich der Verein „Mensch zuerst“ und gab zwei Wörterbücher in Leichter Sprache heraus. 2006 entstand das Netzwerk Leichte Sprache. Mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 hat die Leichte Sprache an Bedeutung gewonnen. Ab 2018 sind alle Behörden in Deutschland verpflichtet, ihre Informationen und Bescheide auch in Leichter Sprache anzubieten.
Für Menschen mit Lernschwierigkeiten sind Texte in herkömmlichem Deutsch voller Barrieren. Wie ein Rollstuhlfahrer vor einer Treppe, so stehen sie vor einem Berg aus Buchstaben. „Menschen mit Lernschwierigkeiten empfinden Fremdwörter und komplizierte Sätze mit vielen Nebensätzen und Adjektiven als schwierig“, erklärt Holtz. Formulierungen mit „man“ werden oft nicht verstanden, weil sie zu unkonkret sind. Leichte Sprache hingegen benutzt kurze, anschauliche Sätze. Sie verzichtet auf komplizierte Wörter und Fremdwörter. Inhalte, die Hintergrundwissen voraussetzen, werden erklärt. „Wer einen Text schreibt, den auch Menschen mit Lernschwierigkeiten verstehen sollen, sollte grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass schon bekannt ist, worum es sich handelt“, betont Holtz.
Kommt zum Beispiel der Begriff „Sozialverband“ vor, so müsse er kurz erklärt werden. Auf der Webseite des VdK Deutschland www.vdk.de heißt das dann so: „Das ist ein Verein. Der Verein setzt sich besonders für Menschen ein, die benachteiligt sind. Und die Hilfe brauchen.“ Auch optisch erleichtert die Leichte Sprache das Lesen. Der Text ist locker gestaltet, die Schrift und der Abstand zwischen den Zeilen sind größer als üblich. Jeder Satz bekommt eine eigene Zeile. „Das erleichtert die Orientierung und ist auch für Menschen mit einer Sehbehinderung eine Hilfe“, so Holtz. Grafiken und Fotos veranschaulichen das Geschriebene und tragen so zusätzlich zur Verständlichkeit eines Textes bei.
„Das bedeutet nicht, dass man diesen Stil lieben muss“, sagt Holtz, „aber wenn ich als Zielgruppe Menschen mit Lernschwierigkeiten habe, muss ich das so schreiben, dass sie das verstehen“. Nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten profitieren von dem Sinneswandel, der sich derzeit in der Gesellschaft vollzieht. In Deutschland gibt es laut Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung etwa 7,5 Millionen funktionale Analphabeten. Die meisten von ihnen können zwar eigentlich lesen und schreiben, scheitern aber an längeren Texten und komplizierten Sätzen. „Im Prinzip nützt die Leichte Sprache allen Menschen, weil sie das Geschriebene gut verstehen“, betont Holtz.
Auch ein Teil der gehörlosen Menschen braucht Leichte Sprache, weil die Gebärdensprache komplett anders ist als geschriebenes und gesprochenes Deutsch. Und schließlich erleichtert Leichte Sprache Migranten das Deutschlernen. Die Zahl der Angebote in Leichter Sprache wächst. Einige Fernsehsender, Tages- und Wochenzeitungen veröffentlichen leicht verständliche Nachrichten auf ihren Webseiten. Seit 2013 können sich Menschen mit Lernschwierigkeiten auf der Webseite www.nachrichtenleicht.de einmal wöchentlich über aktuelle Ereignisse aus aller Welt informieren. Die Texte sind in Einfacher Sprache verfasst. Diese ist etwas schwieriger als Leichte Sprache, aber dennoch gut verständlich.
Mittlerweile werden auch Bücher in Leichte Sprache übersetzt, darunter literarische Werke, die Bibel, aber auch Fußballregeln. „Texte in Leichter Sprache sind auf das Wesentliche reduziert“, erklärt Holtz. Das nimmt zwar so manchem literarischen Werk die Schönheit der Sprache – dafür können sich auch Menschen damit auseinandersetzen, die bisher davon ausgeschlossen waren.
Auf VdK-TV, dem Videoportal des Sozialverbands VdK, gibt es einen Film über Leichte Sprache.
Einige Grundregeln:
Jeder Text in Leichter Sprache sollte vor einer Veröffentlichung von einem Fachmann überprüft werden. Professionelle Prüfer arbeiten in Leichte-Sprache-Büros.
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Annette Liebmann
Schlagworte Leichte Sprache | Menschen mit Lernschwierigkeiten | Einfache Sprache
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