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Sechs Punkte, drei in der Höhe und zwei in der Breite, haben vielen blinden Menschen den Weg zur Bildung eröffnet: 1825 erfand der 16 Jahre alte Louis Braille die Blindenschrift. Der Welt-Braille-Tag an seinem Geburtstag, dem 4. Januar, erinnert noch heute an ihn.
Louis Braille war erst vier Jahre alt, als er nach einem Unfall und einer Infektion völlig erblindete. Doch der wissbegierige Junge wollte sich nicht damit abfinden, dass er nie lesen lernen würde. In der Blindenschule lernte er eine Art Prägeschrift kennen, die zu ertasten jedoch sehr schwierig war. Als Elfjähriger erfuhr er von der „Nachtschrift“, die für militärische Zwecke erfunden worden war. Sie bestand aus zwölf Punkten, die ganze Silben darstellten.
Braille vereinfachte die Schrift, indem er die Anzahl der Punkte auf sechs verringerte und für jeden einzelnen Buchstaben eine eigene Kombination erfand. Als 16-Jähriger hatte er die Schrift fertiggestellt. Es sollte allerdings noch eine Zeit lang dauern, bis sich die Punkteschrift von Braille durchsetzte: Erst 1850 wurde sie in den französischen Blindenschulen eingeführt. Den internationalen Siegeszug seiner Erfindung im Jahr 1868 erlebte Louis Braille nicht mehr: Er starb 1852 in Paris an Tuberkulose.
Nach Deutschland kam die Blindenschrift 1879. Das Punktesystem Brailles wurde bis heute kaum verändert. Daneben gibt es eine Kurzschrift. Musiknoten, mathematische Formeln und Strickmuster haben eigene Schriftsysteme. Für das Computer-Braille wurde eine zusätzliche Zeile eingeführt – die Schriftzeichen bestehen nicht aus sechs, sondern aus acht Punkten. In Deutschland werden jährlich rund 500 neue Bücher in Blindenschrift gedruckt. Es gibt mehrere Wochenzeitungen, und für Menschen, die sowohl eine Hör- als auch eine Sehbehinderung haben, gibt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) die „Tagesnachrichten für taubblinde Menschen“ heraus.
Auch wenn die Brailleschrift weltweit gelehrt wird, so ist sie dennoch immer weniger verbreitet. Nur etwa jeder fünfte Blinde in Deutschland hat in der Schule oder in einem Bildungswerk gelernt, die Punkte zu ertasten. „Im 19. Jahrhundert erblindeten viele junge Menschen“, erklärt Reiner Delgado, Sozialreferent beim DBSV. Durch die moderne Medizin und die bessere Ernährung ist dies in den Industrieländern heute nur noch selten der Fall.
Die meisten Menschen verlieren erst im Laufe des Erwachsenenalters ihre Sehkraft. Häufige Krankheiten sind die diabetische Netzhauterkrankung, altersabhängige Makula-Degeneration, grauer und grüner Star. Dass gerade Senioren die Blindenschrift oft nicht erlernen, hat mehrere Gründe: „Im Rentenalter findet sich kein Träger mehr, der die Kosten für einen Kurs übernimmt“, sagt Delgado. Zudem sei es schwieriger, sich die Schrift im Erwachsenenalter anzueignen als in jungen Jahren. Dennoch lohne sich die Mühe, betont Delgado, denn das Lesen bringe ein Stück Lebensqualität zurück. „Im Alter glauben die Menschen, sie müssten sich mit ihren Leiden abfinden. Deshalb bemühen sie sich oft nicht um eine Reha“, bedauert er.
Vor allem Selbstständigkeit gewinne man hinzu, wenn man beispielsweise die Lebensmittel im Haushalt beschriften könne, um sich besser zurechtzufinden. Natürlich braucht man Fingerspitzengefühl, sprachliche Fähigkeiten und die körperlichen Voraussetzungen, um die Hände über das Papier zu bewegen und die Brailleschrift einzustudieren. Aber Reiner Delgado macht Mut: „Man kann diesen Tastsinn erlernen.“ Auch die Computertechnik hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es Vorleseprogramme, sogenannte Screenreader, die Internetseiten akustisch oder über eine Braillezeile übersetzen.
Die Spracherkennung von Computern hat sich verbessert, und für den Haushalt wurden viele kleine Helfer erfunden. Ob man sich diese Neuerungen leisten kann, ist auch eine Frage des Geldes. Eine Braillezeile am Computer beispielsweise ist im Vergleich zur Spracherkennung wesentlich teurer, und nicht alle Krankenkassen sind bereit, sie zu finanzieren. Auch das ist einer der Gründe, weshalb die Brailleschrift fast 200 Jahre nach ihrer Erfindung in den Industrieländern kaum noch Verbreitung findet. „Vorlesen lassen geht schneller“, sagt Delgado. „Das machen die meisten.“
Wer die Brailleschrift erlernen will, kann sich an den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) wenden. Die Vereine des DBSV bieten bundesweit kostengünstige Kurse und Einzelunterricht an. Informationen gibt es unter Telefon (0 18 05) 66 64 56 (14 Cent/Minute) oder auf der Internetseite des Verbands unter www.dbsv.org
Annette Liebmann
Schlagworte Blindenschrift | Brailleschrift | Louis Braille
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