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Nach der UN-Behindertenrechtskonvention
sollte Inklusion an Schulen längst Realität sein. Doch nach wie vor
gibt es Vorbehalte. Marian Indlekofer, Referent für die Belange von
Menschen mit Behinderung
beim VdK Bayern, widerlegt einige dieser Einwände.
1. Viele Lehrer haben Ängste vor der Herausforderung,
Kinder mit Behinderung unterrichten zu müssen, weil sie dafür keine
Ausbildung haben.
Leider geht die allgemeine Lehramtsausbildung kaum auf die Thematik
Behinderung ein. Eine Reform wäre dringend notwendig, um
Bewusstsein zu schaffen und gute Methoden zu entwickeln. Das
bedeutet jedoch nicht, dass man mit Inklusion warten muss. Schon
jetzt kann man durch Weiterbildungen das Thema den Fachkräften
nahebringen.
2. Inklusion im Schulsystem ist ein Konzept, das man
umsetzen kann oder nicht.
Das ist der größte Irrtum in der Debatte. Es geht nicht mehr darum,
ob wir Inklusion wollen. Dazu haben wir uns durch die Ratifizierung
der UN-Behindertenrechtskonvention völkerrechtlich verpflichtet. Es
geht darum, wie wir Inklusion umsetzen. Seit dem 26. März 2009 ist
der Artikel 24 für alle Bundesländer rechtsverbindlich, und dieser
besagt, dass es ein gemeinsames Schulsystem für alle Kinder von
Anfang an geben muss.
3. Durch zu wenig Geld und Personal im Bildungssystem gerät die inklusive Schulentwicklung ins Wanken. Eine inklusive Schule kann nicht mit weniger Lehrkräften als bisher auskommen, wenn Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam lernen sollen. Je mehr finanzielle Mittel aus dem System genommen werden, desto unwahrscheinlicher wird ein erfolgreicher Prozess hin zur Inklusion. Inklusive Schulen funktionieren mit multiprofessionellen Teams von Lehrkräften, Sonderpädagogen, Schulpsychologen, Sozialarbeitern, Erziehern und weiteren Fachkräften. Wenn in kleineren Klassen zwei Pädagogen unterrichten und für alle Kinder gemeinsam da sind, ist das ein guter Ausgangspunkt für eine inklusive Schulentwicklung.
4. Viele Eltern befürchten, dass ihre nichtbehinderten
Kinder in einem inklusiven Schulsystem von den Kindern mit Handicap
ausgebremst werden oder zu kurz kommen.
Diese Bedenken zielen darauf, dass Kinder permanent beste Zensuren
bringen müssen. Die aktuelle Bildungsforschung widerlegt diese
These: Kinder ohne Behinderung lernen in inklusiven Schulen nicht
weniger, stattdessen steigt ihre Sozialkompetenz signifikant.
Kinder mit Behinderung lernen in gemischten Klassen nachweislich
besser, sie schauen sich vieles ab. Schüler ohne Beeinträchtigung
erfahren, dass es nicht immer nur um maximale Leistung und Noten
geht. Diese Erkenntnisse und Teamfähigkeit sind in der Berufswelt
unabdingbar. Außerdem ist die Unterscheidung von Kindern mit und
ohne Behinderung nur für Außenstehende relevant. Kinder verstehen
schon früh, dass diese Kategorisierung irrelevant ist.
5. Inklusion ja, aber bitte nicht zu viel ändern, und es
darf nichts kosten.
Das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe ist ein Grundrecht und
darf deshalb keine Haushaltsfrage sein. Natürlich kostet Inklusion
Geld. Diese Investition muss es uns als Gesellschaft wert sein. Und
dieses Geld ist gut angelegt. Wir investieren in die Bildung und
Zukunft unserer Kinder. Die Mittel dafür sind vorhanden, es kommt
auf die Verteilung an. Die Rahmenbedingungen im Bildungssystem
müssen so ausgebaut werden, dass Barrierefreiheit und Teilhabe
gewährleistet sind.
6. Die Schulen haben schon genug zu tun, die Inklusion
würde diese noch zusätzlich belasten.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Bei einer guten Schulentwicklung
ist Inklusion ein Qualitätsstandard. Außerdem geht es bei Inklusion
nicht nur um Menschen mit Behinderung. Es geht um alle, das
bedeutet Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, Kinder
aus prekären Verhältnissen (z. B. Armut), mit Lernschwierigkeiten,
sprachlichen Barrieren usw. Die Gesellschaft unterliegt einem
fortwährenden Wandel, und darauf muss sich auch die Schule
einstellen. Inklusion ist der logische nächste Schritt in der
Entwicklung.
7. Es geht alles viel zu schnell mit der Inklusion, wir
brauchen mehr Erfahrungswerte.
Bereits 1973 stellte der Deutsche Bildungsrat fest, dass die
gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung zu
empfehlen ist, um Ausgrenzungserfahrungen entgegenzutreten. Der
Rechtsanspruch „zwingt“ nun viele
Einrichtungen, sich auf den Weg zu machen. Sie müssen nichts Neues
erfinden. Viele unserer Nachbarländer haben schon vor Jahrzehnten
angefangen. Ein Blick über den Tellerrand schadet nicht. Als
Wissensstandort Deutschland darf man den Anschluss an
internationale Standards nicht verlieren.
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hei
Schlagworte Inklusuion | Schule | Menschen mit Behinderung | UN-Behindertenrechtskonvention
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