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Zitat VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher:
„Entlastungsangebote zu schaffen, gehört zum Versorgungsauftrag des Staates. Menschen mit Pflegebedarf haben ein Recht auf Unterstützung und Teilhabe, pflegende Angehörige dürfen nicht länger die Leidtragenden einer mangelhaften Infrastruktur in Bayern sein.“
VdK macht „Nächstenpflege“ mit Schilderwäldern sichtbar
In den Innenstädten von sieben bayerischen Städten machte der VdK Bayern am Dienstag, 21. Juni, mit begehbaren Schilderwäldern auf die Situation der häuslichen Pflege aufmerksam, so auch auf dem Münchner Marienplatz. Zeitgleich wurden in Nürnberg, Augsburg, Würzburg, Bayreuth, Passau und Regensburg ebenfalls solche Schilderwälder aufgestellt. Die spektakulären Aktionen waren Teil der aktuellen VdK-Kampagne „Nächstenpflege“. Mit der Kampagne kämpft der Sozialverband VdK für bessere politische und strukturelle Rahmenbedingungen für die Angehörigenpflege. Dazu gehören Reformen in der Pflegeversicherung genauso wie der Ausbau der Angebote vor Ort, um pflegende Angehörige zu entlasten.
VdK-Pressekonferenz zur „Stillen Demo“ in München
Bei einer Pressekonferenz am 21. Juni im Münchner PresseClub mit Blick auf den Schilderwald auf dem Marienplatz sprachen VdK-Präsidentin und stellvertretende Landesvorsitzende Verena Bentele, VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher, der Bezirkstagspräsident Oberbayern Josef Mederer, die Gesundheitsreferentin der Landeshauptstadt München, Beatrix Zurek, und die Sozialreferentin der Landeshauptstadt München, Dorothee Schiwy. Auf dem Marienplatz standen 300 Schilder mit Zitaten und Forderungen von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen und bildeten so eine „Stille Demo“. Die Idee: Pflegebedürftige und ihre Angehörigen haben weder Zeit noch Kraft, für ihre Interessen selbst auf die Straße zu gehen. Das sollen die aufgestellten Protestschilder zeigen.
Bentele: „Häusliche Pflege ist Goldstandard“
„Wir wollen die Pflege zu Hause als Goldstandard etablieren und auf Dauer festigen“, erklärte Verena Bentele. Die VdK-Präsidentin kritisierte, dass die Angehörigenpflege bei Reformen der Pflegeversicherung grundsätzlich zu kurz kommt. So wurde beispielsweise das Pflegegeld seit 2017 nicht erhöht und soll erst 2025 wieder angepasst werden. Zudem werden Zeiten der häuslichen Pflege im Gegensatz zu Kindererziehungszeiten für die eigene Rente kaum angerechnet. Doch diese Vernachlässigung könnte sich angesichts der demografischen Entwicklung und des eklatanten Pflegekräftemangels bald rächen: „Es wäre politisch geradezu dumm, die häusliche Pflege weiterhin so vor sich hin laufen zu lassen. Auch aus Kostengründen: Stationäre Pflege ist immer um ein Vielfaches teurer.“
Bentele wies darauf hin, dass ein Drittel der Pflegepersonen zu Hause kurz vor dem Zusammenbruch stehen, weil ihnen Entlastung fehlt. Das hat eine große VdK-Pflegestudie ergeben, der eine Befragung von 56.000 Menschen zugrundeliegt und die als erste deutsche wissenschaftliche Studie überhaupt belastbare Zahlen zur häuslichen Pflege liefert. Aus den VdK-Daten geht auch hervor, dass jährlich zustehende Leistungen im Wert von 12 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung nicht abgerufen werden, weil Entlastungsangebote wie Tages-, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege oder für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht abgerufen werden. Gründe sind die nicht vorhandenen Angebote sowie die fehlende Beratung der Familien darüber, dass ihnen diese Leistungen zustehen.
Mascher: „Ausbau von Entlastungangeboten dringend erforderlich“
VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher bestätigte diesen Befund für Bayern. Rund 80 Prozent der 500.000 Pflegebedürftigen werden hier zu Hause gepflegt, zwei Drittel von ihnen ausschließlich durch Angehörige. Man geht von mindestens 750.000 pflegenden Angehörigen in Bayern aus. Mascher warnte vor einem Zusammenbruch dieses Systems: „60 Prozent der pflegenden Angehörigen geben in unserer Studie teils erhebliche gesundheitliche Probleme an. Wir brauchen in Bayern dringend mehr Entlastungsangebote.“ Der Ausbau solcher Angebote müsse auch deshalb vorangetrieben werden, damit sich Beruf und Pflege besser vereinbaren lassen. Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind im erwerbsfähigen Alter und müssen derzeit oft hohe Einkommensverluste hinnehmen, weil sie gezwungen sind, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder den Beruf ganz aufzugeben.
Der VdK Bayern fordert von Freistaat, Kommunen und Städten:
Zusammenfassend sagte Mascher: „Die Einrichtung von ausreichenden Beratungs- und Entlastungsangeboten für die häusliche Pflege gehört für mich zwingend zum Versorgungssauftrag des Staates. Menschen mit Pflegebedarf haben ein Recht auf Unterstützung und Teilhabe, und pflegende Angehörige dürfen nicht länger die Leidtragenden einer mangelhaften Infrastruktur sein. Sie zahlen dafür mit ihrer Gesundheit und riskieren sogar Armut. Der Staat wiederum riskiert mit der fortwährenden Vernachlässigung der häuslichen Pflege, dass dieses System in nicht allzu ferner Zeit zusammenbricht.“
Mederer: „Pflegestützpunkte haben in Oberbayern eine sehr hohe Priorität“
Im Hinblick auf den Ausbau von Pflegestützpunkten zeigte Bezirkstagspräsident Josef Mederer, dass in Oberbayern auch dank seines persönlichen Einsatzes in relativ kurzer Zeit viel vorangegangen ist: „Die Einrichtung von wohnortnahen Pflegestützpunkten hat im Bezirk Oberbayern eine sehr hohe Priorität. Wir setzen alle Energie daran, um Landkreise und kreisfreie Städte sowie die Pflegekassen zu überzeugen – mit Erfolg. In 16 von 23 Landkreisen bzw. kreisfreien Städten gibt es bereits einen Pflegestützpunkt. Weitere drei Landkreise stehen kurz vor der Unterzeichnung. Und ich setze mich dafür ein, auch die letzten weißen Flecken auf der Oberbayern-Karte zu beseitigen.“
Allerdings sieht es in den restlichen sechs Regierungsbezirken Bayerns teils deutlich magerer aus, kritisiert der VdK. Insbesondere in Oberfranken mit drei und in Niederbayern und der Oberpfalz mit jeweils nur einem Pflegestützpunkt finden Betroffene so gut wie keine wohnortnahen Anlaufstellen.
Zurek: „Selbstfürsorge ist für pflegende Angehörige wichtig“
Schiwy: „Kommunen brauchen verbindliche Mitgestaltungsmöglichkeiten“
Die Landeshauptstadt München steht als Großstadt vor besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Organisation der Nächstenpflege. Dies erläuterten Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek und Sozialreferentin Dorothee Schiwy.
Beatrix Zurek sagte: „Es ist eine große Herausforderung, einen Angehörigen zu pflegen. Ich habe allergrößte Hochachtung vor der Leistung der Betroffenen. Denn die häusliche Pflege verändert das Leben der Pflegenden ebenso drastisch wie das der hilfebedürftigen Angehörigen. Es verlangt einem viel ab, einen nahe stehenden Menschen zu Hause zu betreuen – viel Verantwortung, viel Zeit, viel Aufmerksamkeit. Es ist verständlich, dass so manche die andauernde Fürsorge zeitweise als Last empfinden. Pflegende Angehörige sollten deshalb rechtzeitig an ihre eigenen Bedürfnisse denken. Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit einem selbstbestimmten Umgang mit sich selbst und den zu Pflegenden. Nur wer sich um sich selbst sorgt, kann auch mit gesunder Wertschätzung seine Angehörigen versorgen. Deshalb rate ich allen Betroffenen dazu, rechtzeitig das Angebot von Beratungsstellen für pflegende Angehörige in Anspruch zu nehmen. Diese psychosozialen Hilfen sind eine Stütze, damit man bei oft lange andauernder häuslicher Pflege nicht selbst erkrankt – und den andauernden Balanceakt zwischen Fürsorge und Überforderung meistern kann.“
Dorothee Schiwy sagte: „Die Stadt München nutzt derzeit alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um pflegende Angehörige zu unterstützen, z.B. mit einer Vielzahl von städtisch finanzierten Anlaufstellen, wie den Alten- und Servicezentren, Beratungsstellen oder den auf ältere Menschen spezialisierten Kolleg*innen in den Sozialbürgerhäusern, die eng mit den Einrichtungen der offenen Altenhilfe und z.B. den Gerontopsychiatrischen Diensten, Krankenhaussozialdiensten zusammenarbeiten. Doch die Möglichkeiten der Steuerung für Kommunen im Bereich der Pflege sind begrenzt. Ein besonderer Handlungsbedarf besteht bei der Kurzzeitpflege, weil sich fest buchbare Plätze aufgrund der Regelungen der Pflegeversicherung für die Träger in der Regel wirtschaftlich nicht lohnen. Hier sind dringende Reformen notwendig. Das gilt auch ganz generell für die Finanzierung der Pflege. Der marktorientierte Wettbewerb in der Versorgungsstruktur für eine sehr vulnerable Gruppe gehört grundsätzlich auf den Prüfstand. Wir brauchen verbindliche Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Kommunen und mittel- bis langfristig den Wechsel zu einer Pflegevollversicherung mit gedeckelter Eigenbeteiligung und einem – über staatliche Strukturen organisierten und steuerfinanzierten – Pflegesystem.
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Dr. Bettina Schubarth, Pressesprecherin
Sozialverband VdK Bayern e.V.
Schellingstraße 31
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Telefon: 089 / 21 17-289
Telefax: 089 / 21 17-280
eMail: B.Schubarth@vdk.de
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Dr. Bettina Schubarth
Schlagworte Pressemitteilung | Presse-Info
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