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Der Sozialverband VdK ist Schrittmacher für Barrierefreiheit. Das wurde bei der Auftaktveranstaltung des VdK Bayern zur Bundestagswahl deutlich. In Bergen bei Traunstein fand die erste von acht Veranstaltungen unter dem Motto „Sozialer Aufschwung JETZT!“ im Freistaat statt. Die Themen Barrierefreiheit und Inklusion standen dabei im Mittelpunkt. Bei einer Talkrunde mit Politikern kamen immer wieder Umsetzungsprobleme zur Sprache. Es war von überbordendem Bürokratismus die Rede. Der sei an so vielem schuld. Und es wurde deutlich: Es ist schon viel versprochen worden, doch viele Versprechen wurden gebrochen.
„Sozialer Aufschwung JETZT!“ und „Barrierefreiheit JETZT!“ steht auf den großen Aufstellern für die Bühne im Festsaal Bergen. Die Corona-Inzidenzzahl im Landkreis Traunstein lässt es zu, dass die erste Veranstaltung der Bayern-Tournee des VdK mit direktem Dialog mit Politikerinnen und Politikern, die sich bei der Bundestagswahl am 26. September zur Wahl stellen, vor Publikum stattfinden darf. VdK-Präsidentin Verena Bentele, VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher und VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder sind bestens vorbereitet. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, Kandidatinnen und Kandidaten von CSU/SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken im persönlichen Schlagabtausch zu erleben. In Bergen sind das die Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Ramsauer (CSU) und Dr. Bärbel Kofler (SPD) sowie die Kandidaten Patrick Weiß von der FDP, Wolfgang Ehrenlechner von den Grünen und Leon Buchwald von den Linken.
Die Tische und Stühle stehen coronakonform weit auseinander, die Zahl der Zuhörer ist begrenzt, die Stimmung dennoch gut. Der VdK-Ortsverband Bergen-Vachendorf gibt Fähnchen mit dem Logo „Sozialer Aufschwung JETZT!“ und Kugelschreiber aus, um die VdK-Mitglieder im Saal für die VdK-Forderungen einzustimmen. VdK-Geschäftsführer Michael Pausder macht gleich bei seiner Rede deutlich: „Wir erhoffen uns viele Menschen, die uns hier hören und sehen, zuhause vor den Computern und Monitoren.“ Ein Live-Stream macht dies möglich.
Die Veranstaltungsreihe beginnt im fast 200.000 Mitglieder zählenden VdK-Bezirk Oberbayern. Der VdK-Kreisverband Traunstein mit dem Vorsitzenden Rudi Göbel und Geschäftsführer Bernhard Oberauer an der Spitze hat 13.700 Mitglieder. Rund acht Prozent der Bevölkerung sind hier Mitglied im VdK. „Damit hat der VdK Traunstein den höchsten Organisationsgrad von VdK-Mitgliedern in ganz Oberbayern“, freut sich Pausder. „2,1 Millionen VdK-Mitglieder bundesweit, davon über 747.000 in Bayern, können Wahlen entscheiden“, betont er.
VdK-Präsidentin Verena Bentele erinnert an das Versprechen von Ministerpräsident Horst Seehofer von 2013, dass Bayern bis 2023 barrierefrei ist. Und stellt fest: „Das Ziel ,Bayern barrierefrei 2023‘ umfasste ausdrücklich den gesamten ÖPNV. Dieses Ziel ist in sehr weiter Ferne! Kein einziger bayerischer Landkreis wird dieses Ziel in Bezug auf den ÖPNV erreichen.“ In Bayern gibt es 1066 Bahnhöfe und Haltepunkte. Davon gelten 468 als komplett barrierefrei, das sind 43,9 Prozent (Stand Januar 2021). „Es gibt insgesamt 2969 staatliche, öffentliche Gebäude in Bayern. 2018 waren 39 Prozent davon barrierefrei. Sollten alle Planungen bis Ende 2021 umgesetzt werden, läge der Anteil bei 51 Prozent. Auch hier wird das Ziel ,Bayern barrierefrei 2023‘ weit verfehlt.“ Zur Verdeutlichung, warum Handeln erforderlich ist, nennt Bentele weitere Zahlen aus Bayern: 2019 gab es 1,9 Millionen Menschen mit Behinderung, das seien fast 14,5 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner, davon 1,24 Millionen schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Ende 2020 sei in Bayern etwa jeder fünfte Einwohner 65 Jahre oder älter (20,7 Prozent) gewesen. Barrierefreiheit und Inklusion seien keine „Randthemen“. „Viele Menschen sind betroffen oder werden betroffen sein von behinderungs-, alters- oder krankheitsbedingten Einschränkungen.“
Die große bundesweite VdK-Kampagne „Weg mit den Barrieren!“ von 2016 wirkt Bentele zufolge beim VdK Bayern bis heute nach. So habe sich das Ehrenamt „Beraterin/Berater für Barrierefreiheit“ etabliert. Etwa 90 aktive ehrenamtliche Mitglieder sind in Bayern mit der Mission „Barrierefreiheit“ unterwegs, 25 davon in Oberbayern. Barrieren werden aufgespürt und mit Handlungsempfehlungen an die Stadt- und Gemeindespitzen weitergegeben. Aber, so Bentele: „Ein VdK-Ehrenamt oder einzelne gutwillige Dienstleister und Privatpersonen alleine können fehlende gesetzliche Vorgaben zur Barrierefreiheit nicht ersetzen.“ Es müsse mehr staatlicher Druck aufgebaut werden. Deshalb fordere der VdK in seiner aktuellen Kampagne „Sozialer Aufschwung JETZT!“ von einer neuen Bundesregierung mehr barrierefreie Mobilität, mehr barrierefreien Wohnraum und eine bessere barrierefreie Gesundheitsversorgung. Zudem, so Bentele, müsse die digitale Welt barrierefrei werden. „Jeder Mensch muss seine Bankgeschäfte, seine Online-Einkäufe, seine Fahrkartenbuchungen und seine Behördengänge barrierefrei und selbstständig erledigen können.“
Wichtig ist Bentele auch die Inklusion am Arbeitsplatz. Im Oktober 2020 sei die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderung um 19,1 Prozent höher gelegen als im Oktober 2019. Der VdK fordere eine deutlich höhere Ausgleichsabgabe für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz. Bentele: „Unternehmen, die keinen einzigen Schwerbehinderten beschäftigen, müssen viel empfindlicher zur Kasse gebeten werden." Das Teilhabestärkungsgesetz, das im April beschlossen wurde, habe die Verdoppelung der Ausgleichsabgabe für Null-Beschäftiger nicht aufgenommen. Das Teilhabestärkungsgesetz müsse deshalb in der neuen Legislatur um diesen Punkt nachgebessert werden.
Bei der von Eva Nußhart (München TV) moderierten Diskussionsrunde mit den Politikern ist vor allem von zu viel Bürokratie die Rede. Denn grundsätzlich sind sich alle einig, dass bei den Themen Barrierefreiheit und Inklusion noch viel Luft nach oben ist. „Allein mit einem Lift oder einer Rolltreppe wird sich jahrelang beschäftigt“, poltert Peter Ramsauer (CSU) und spricht gar von einem „verselbstständigten Bürokratensauhaufen“. Ramsauer weiter: „Du wirst mit den Themen niemals fertig werden. Man muss immer dranbleiben und bohren, bohren. Wir sind auf einem guten Weg, es bleibt aber eine Daueraufgabe.“ Bärbel Kofler (SPD) erklärt: „Es gibt wirklich viel zu tun. Es geht ums Handeln, nicht um eine Absichtserklärung.“ Es müssten die richtigen Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben geschaffen werden. Barrierefrei zu bauen müsse Standard werden. „Wir brauchen die finanziellen Mittel, die über Programme zur Verfügung gestellt werden.“ Sie unterstütze außerdem sehr die Forderung des VdK, die Ausgleichsabgabe für Betriebe, die keine Menschen mit Behinderung beschäftigen, zu erhöhen.“
Patrick Weiß (FDP) sagt: „Ich bin auch hier, um Anregungen mitzunehmen. Wir haben einen Wahlwerbespot in verschiedenen Sprachen, aber nicht in Gebärdensprache.“ Inklusionsbetriebe müssten außerdem mehr Privilegien bekommen, um bessere Anreize zu schaffen. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel sei dies notwendig. Außerdem: „Wir müssen endlich die Bürokratie abschaffen. Wir müssen dynamischer werden.“ Wolfgang Ehrenlechner von den Grünen bemerkt: „Barrierefreiheit lässt sich technisch machen, Inklusion ist schwieriger.“ Es gehe einfach nur um den Willen, das Geld in die Hand zu nehmen. Bei all den Vorhaben, die noch anstünden, gehe es vor allem darum: „Dass Menschen mit Behinderung ihre Würde bewahren können.“ Leon Buchwald von den Linken spricht von einem „breiten Feld“ und fordert, die Beschäftigungspflicht für Menschen mit Behinderung auf sechs Prozent zu erhöhen. „Die Finanzierung der Barrierefreiheit und Inklusion sind Menschenrechte, und die dürfen nicht unter Vorbehalt stehen.“
„Nur drei Prozent aller Seniorenwohnungen sind barrierefrei“, befeuert Moderatorin Eva Nußhart noch einmal die Diskussion. VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher ist es außerdem wichtig, den ganzen Gesundheitsbereich in Richtung Barrierefreiheit auf Vordermann zu bringen. „Das ist wirklich Voraussetzung, dass ich gut leben kann.“ Bei Arztpraxen, Physiotherapeuten und selbst in Krankenhäusern gebe es immer noch viel zu viele Hürden. Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern sind nur 20 Prozent aller Arztpraxen rollstuhlgerecht ausgestattet. Von anderen Vorgaben der Barrierefreiheit ganz zu schweigen.
Hans Loy, stellvertretender VdK-Kreisvorsitzender in Rosenheim und Vorsitzender des Arbeitskreises Inklusion in Stadt und Landkreis Rosenheim, meldet sich im Saal zu Wort. Man müsse bei der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die keine Menschen mit Behinderung anstellen, viel konsequenter sein und nicht mehr so viele Schlupflöcher zulassen. Aus dem Zuschauerchat, der für die VdK-Veranstaltung geschaltet ist, kommen gleich mehrere Fragen. So heißt es etwa: „Was ist mit Inklusionsbetrieben, die sich engagieren?“ Da gebe es einen Antragswahnsinn und Bürokratie ohne Ende. Fazit: Die Forderungen des VdK zur Bundestagswahl sind bitter notwendig.
Mehr Infos und Videos zur VdK-Kampagne unter:
Petra J. Huschke
Schlagworte VdK-Kampagne | Auftaktveranstaltung zur Bundestagswahl | Sozialer Aufschwung Jetzt!
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