Springen Sie direkt:
Ende Juni 2021 sorgte ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Sachen Mindestlohn für besonders viel Beachtung und Diskussionen, für Kritik an der hiesigen Pflegepolitik aber auch für Beunruhigung bei pflegebedürftigen Menschen, die Zuhause gepflegt werden und deren Angehörigen, sowie bei Menschen, die im Fall der Fälle, über eine Pflege Zuhause nachdenken. Was war geschehen?
Das BAG in Erfurt fällte ein Urteil mit Signalwirkung: Auch Betreuerinnen von Pflegebedürftigen, die in Privathaushalten beschäftigt werden, können für ihre Betreuungs-, Unterstützungs- und Pflegetätigkeit den in Deutschland jeweils gültigen gesetzlichen Mindestlohn (ab 1. Juli 2021 11,60 Euro pro Stunde bei Pflegehilfstätigkeit) beanspruchen – und zwar auch für ihre Zeit der Anwesenheit in Bereitschaft. Dies betrifft nach Expertenschätzungen 300 000 bis 600 000 Personen, hauptsächlich Osteuropäerinnen aus Polen, Rumänien, Bulgarien oder aus der Ukraine, die teils legal, teils illegal oder zumindest in rechtlicher Grauzone in vielen Haushalten in Deutschland leben, um die Angehörigen von Pflegebedürftigen bei der Pflege zu entlasten oder alleinlebenden pflegebedürftigen Menschen zur Seite zu stehen. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts rückte zugleich die Lebenssituation der pflegebedürftigen Menschen, die dringend – und das Tag für Tag – auf bezahlbare Unterstützung angewiesen sind, in den Fokus. Welch schwerwiegende Folgen das Wegbleiben dieser Arbeitskräfte hätte, wurde einem größeren Personenkreis bewusst, als zu Beginn der Coronakrise in Deutschland im März 2020, etliche Pflegehelferinnen pandemiebedingt vorzeitig abgereist, nicht gekommen beziehungsweise nicht zurückgekommen waren.
Gegenüber den in Karlsruhe erscheinenden Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) äußerte sich Landesverbandsvorsitzender Hans-Josef Hotz zur Problematik. Dabei bemängelte er einmal mehr das ständige Stückwerk der Politik in Sachen Pflegereform, das auch mit der Kleinreform des aktuellen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn 2021/22 fortgesetzt wird:
„Seit Jahren fordert der Sozialverband VdK eine umfassende Pflegereform, die auch die Finanzierungsfragen im Sinne der Betroffenen anpackt. Denn seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995 wurden die Leistungsbeträge nur geringfügig erhöht. Seither steigen die Eigenanteile stetig und führen vielfach zur finanziellen Überforderung. So verfehlt die Pflegeversicherung immer häufiger ihr Ziel, Armut Pflegebedürftiger oder auch eine Unterversorgung zu Hause lebender Pflegebedürftiger zu verhindern.
Auf der anderen Seite braucht es bessere Löhne in der Pflege und mehr Wertschätzung für Pflegetätigkeit, um mehr Menschen für einen Pflegeberuf gewinnen und Pflegemängel, auch Pflegemissstände, eher vermeiden zu können. Dies gilt für die stationäre und insbesondere auch für die ambulante Pflege, denn die Menschen wollen überwiegend zu Hause gepflegt werden und dort ihren Lebensabend verbringen. Allein in Baden-Württemberg werden von den rund 400 000 Pflegebedürftigen 300 000 Personen zu Hause gepflegt.
Daher fordert der VdK eine Pflegevollversicherung, vergleichbar der gesetzlichen Krankenversicherung, damit den steigenden Eigenanteilen Einhalt geboten wird. Denn anderenfalls gehen alle Lohnsteigerungen, egal ob in Heimen, bei ambulanten Pflegediensten – oder bei osteuropäischen Pflegehelfern, wie vom Bundesarbeitsgericht in Sachen Mindestlohn gerade entschieden – zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen.
bü
Bildrechte auf der Seite "http://www.vdk.de//bawue/pages/vdk-themen/vdk-themen/82667/wir_brauchen_die_pflegevollversicherung":
Liste der Bildrechte schließen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.