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Unser VdK-Mitglied Marco Schulz lebt seit knapp dreieinhalb Jahren mit der Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Hierbei handelt es sich um eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu einer zunehmenden Muskelschwäche führt. Wir haben mit ihm über sein Leben mit dieser schweren Krankheit gesprochen.
Hinweis: Diesen Artikel in einfacher Sprache finden Sie hier.
Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, führt im weiteren Verlauf zu Muskelschwund und damit einhergehend zu fortschreitenden Gang-, Sprech- und Schluckstörungen sowie Beeinträchtigungen der Arm- und Handmuskulatur. Nach und nach werden Alltagsaktivitäten schwierig oder unmöglich. Im fortgeschrittenen Stadium müssen ALS-Patienten meist beatmet werden. Die Überlebenszeit der Betroffenen beträgt im Mittel nur drei bis fünf Jahre. Britta Bühler von der VdK-Zeitung sprach mit unserem VdK-Mitglied aus dem Raum Ludwigsburg über das Leben mit ALS.
Marco Schulz: Mir fällt es schwer, mich mit dem Verlust meiner Stimme abzufinden. Der Verlust der Arme und Beine war heftig, aber nicht zu vergleichen mit dem Stimmverlust. Wenn meine Kinder aufmunternde Worte bräuchten, kann ich sie nur ansehen und hoffen, dass sie meine Liebe zumindest in meinen Augen sehen. Nach sechs Wochen Kampf, Trauer und Depression wegen des Verlusts der Stimme geht es mir langsam wieder besser.
Ich arbeite sehr gerne. Mir macht mein Job Spaß. Außerdem lenkt es mich ab. Mein Arbeitgeber, die Bosch Engineering GmbH, unterstützt mich bei allem. Anfangs konnte ich meine Arbeit ganz normal ausüben. Mit fortschreitender Erkrankung musste ich das operative Geschäft an den Prüfständen aufgeben. Das ist mir sehr schwer gefallen. Und jetzt, ohne Stimme, wird die Kommunikation immer schwerer. Es wird jetzt leider Zeit für den nächsten Schritt. Dieser tut nochmals sehr weh. Vor allem meine Kollegen werden mir fehlen, den Tag auszufüllen wird noch schwerer.
Er ist lang. Mich den ganzen Tag zu beschäftigen, ist schwer – neue Hobbys zu finden so ziemlich unmöglich. Ich versuche viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Ansonsten pflege ich meine Sozial Media-Kontakte, schreibe am neuen Kinderbuch, surfe im Netz, höre Musik oder schaue Filme und Serien. Außerdem habe ich oft Besuch von Verwandten und Freunden, Zeit die ich sehr genieße.
Durch die Diagnose ist mir klar, dass mein Leben früher endet als gedacht. Es fühlt sich an, wie ein Film, den man im Vorspulmodus anschaut. Aber letztlich ist jedes Leben endlich. Nur mit der Todesdiagnose wird einem das bewusster. Niemand weiß was morgen ist, nur ist mein Leben eben nicht mehr so unbeschwert wie früher. Und ALS bringt es mit sich, dass es viele frustrierende Tage gibt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich ALS nicht oft an meine Grenzen bringt.
Ich wünsche mir viel mehr Aufmerksamkeit für ALS. Außerdem bin ich sicher: Man könnte schon lange was in der Hand haben gegen ALS, wenn die entsprechenden Gelder flössen. Immerhin gibt es die Krankheit schon über 100 Jahre. Leider ist es wie so oft ‚Geld regiert die Welt‘. Und mit knapp 10 000 ALS-Patienten in Deutschland ist kein Geld verdient. Meine Forderung ist: Nicht länger wegsehen. Ist ein Menschenleben in Geld aufzurechnen? Ich bin mir sicher, dass es genügend Gelder gibt bei Staat und Pharmaindustrie. Was mir gefallen würde – ein Spendenmarathon für ALS im TV.
Man müsste Pflegegesetze ändern. Denn, Intensivpflege bekommt man nur, wenn man beatmet wird. Das verstehe ich nicht. Ich bin Vollpflegefall, kann mich nicht einmal mehr am Kopf kratzen, aber eine 24-Stundenpflege steht mir nicht zu. Dabei geht es mir auch um meine Frau und Familie, die die Pflege übernehmen müssen – eine untragbare Situation. Gleichzeitig Mutter, Ehefrau, Hausfrau, berufstätig und Vollzeit-Pflegekraft zu sein, ist unmöglich, von der psychischen Belastung ganz zu schweigen. Hier müssen betroffene Familien schneller Hilfe bekommen. Und, was an Formularen ausgefüllt werden muss, bis man Hilfsmittel oder andere Unterstützung bekommt, ist extrem.
Überwältigend. Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht mit diesem Erfolg. Ich bin unglaublich froh und dankbar für das Interesse an ‚Marie‘ und die tolle Unterstützung. Mich freut es, dass ich so meinen kleinen Beitrag leisten kann, ALS bekannter zu machen. Und zusätzlich kann ich einigen Kindern und Erwachsenen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Viele Menschen senden mir Fotos von Marienkäfern oder schreiben mir liebe Worte. Das berührt mich sehr.
Mein Plan ist die Veröffentlichung meines zweiten Kinderbuchs, natürlich auch wieder mit Marie, aber als Kinderroman. Marie und ihre Freunde müssen den Wald retten. Mehr will ich aber noch nicht verraten. Was mich sehr freut ist die Zusage meiner Verlegerin Edith Götzfried. Dass wir uns getroffen haben, ist ein echter Glückgriff.
Durch die Liebe, die mir entgegengebracht wird. Das mag sich vielleicht abgedroschen anhören. Aber das gibt Kraft weiterzumachen. Und meinen Kindern will ich zeigen, dass man vor dem Leben nicht wegrennt, egal wie schwer. Im Gegensatz zum Tod, gibt es im Leben immer Möglichkeiten. Auch wenn es zugegebenermaßen doch Tage gibt, an denen man keine Kraft mehr hat. Es geht aber immer irgendwie weiter. ‚NiemALS aufgeben!‘.
Viel, viel Zeit: Zeit mit meinen Kindern, meiner Frau, Familie und Freunden. Toll wäre es zu erleben, dass etwas gegen ALS gefunden wird und ich die Möglichkeit bekomme meine Kinder aufwachsen zu sehen.
Marco Schulz‘ Kinderbuch „Kleiner Marienkäfer Marie und ihre Freunde“ (ISBN 978-3982045597) ist im Oktober 2020 in 5. Auflage beim Verlag Edition Bad Wimpfen erschienen und kostet 12,90 Euro.
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Schlagworte Amyotrophe Lateralsklerose | ALS | seltene Erkrankungen | Motoneuronerkrankung
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