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Pflege macht arm, denn Eigenanteile von zweieinhalb oder drei Tausend Euro und mehr sind für Pflegeheimbewohner keine Seltenheit. Und das Monat für Monat! Mit der Rente ist dies meistens nicht zu stemmen. Über kurz oder lang muss die Sozialhilfe hier einspringen und „Hilfe zur Pflege“ nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) leisten, wenn die eigenen finanziellen Mittel des Heimbewohners nicht oder nicht mehr ausreichen.
Weitere Folge ist sodann der Rückgriff des Sozialamts auf die Angehörigen ersten Grades, beispielsweise die Kinder des Betroffenen. Die Sorge vor solch einer für die ganze Familie belastenden Situation hielt manche Pflegebedürftige dann davon ab, überhaupt ins Heim zu gehen – selbst wenn das große Ausmaß der Pflegebedürftigkeit und die Schwere der Beeinträchtigung eine Pflege und Betreuung zu Hause nicht mehr zuließen. Denn zu groß war oftmals die Angst, im Alter seinen Kindern in beträchtlichem Umfang finanziell zur Last zu fallen – gegebenenfalls sogar über Jahre hinweg. Dies zeigen die jahrelangen VdK-Erfahrungen.
Doch seit dem 1. Januar 2020 gibt es eine spürbare Entlastung für die Kinder von Pflegebedürftigen, die Hilfe zur Pflege vom Sozialamt bekommen, beispielsweise Heimbewohner, sowie für unterhaltsverpflichtete Eltern von Hilfsbedürftigen. Sie können vom Sozialamt nicht mehr so leicht in Regress genommen werden.
Von der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommen, wurde im Sommer 2019 das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom Bundestag verabschiedet, dem der Bundesrat am 29. November 2019 zugestimmt hat. Es sieht vor, dass Sohn oder Tochter nur dann zu den Sozialhilfekosten für die ungedeckten Pflegekosten – wie beispielsweise ungedeckte Pflegeheim-Eigenanteile – herangezogen werden können, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen 100 000 Euro übersteigt.
Dies dürfte bei den meisten der an sich unterhaltspflichtigen Kinder nicht der Fall sein. Daher wird fortan von Seiten der Sozialämter grundsätzlich vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen die Jahreseinkommensgrenze von 100 000 Euro nicht überschreitet. Die Unterhaltsverpflichteten müssen deshalb nichts unternehmen.
Diese 100 000 Euro-Grenze umfasst das gesamte Jahresbruttoeinkommen. Daher werden hier auch Einnahmen aus Verpachtung und Vermietung sowie aus Wertpapierhandel berücksichtigt, nicht jedoch das vorhandene Vermögen. Zu beachten ist auch, dass es keine rückwirkende Anwendung der Neuregelung gibt. Deshalb können unterhaltspflichtige Kinder von pflegebedürftigen Heimbewohnern, die bislang vom Sozialamt in Regress genommen wurden, keine Erstattung dieser in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen verlangen. Sie brauchen aber fortan nichts mehr zu den ungedeckten Pflegekosten beitragen, sofern sie die 100 000 Euro-Jahresbrutto-Grenze nicht überschreiten.
Wenngleich sich durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz per se am seit Beginn geltenden Prinzip der Pflegeversicherung als Teilleistungssystem nichts ändert, so schafft diese Neuregelung doch eine zügige und spürbare Entlastung unterhaltsverpflichteter Kinder und Eltern. Der Sozialverband VdK wertet die Neuregelung auch als großen Erfolg.
Schließlich haben viele Menschen lange darauf gewartet. Und das neue Gesetz ist ein Signal, dass die Gesellschaft die Belastungen von Unterhaltsverpflichteten bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen anerkennt und hier solidarisch entlastet. Bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber in Bund und Land auch bei den Pflegebedürftigen selbst für finanzielle Entlastung sorgt.
Daher setzt sich der Landesverband auch weiterhin mit Vehemenz dafür ein, dass Pflege nicht mehr arm macht, wie die Landespressekonferenz vom 16. Januar 2020 und die nach wie vor aktuelle Aktion des VdK Baden-Württemberg: „Pflege macht arm!“ zeigen.
Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz werden auch die Eltern von volljährigen Kindern mit starker Behinderung, die auf die Hilfe von Pflegediensten angewiesen sind, entlastet. Auch für sie gilt fortan die 100 000 Euro-Grenze. Daneben regelt das neue Gesetz, dass unterhaltspflichtige Eltern volljähriger Kinder mit Behinderungen den Betrag zu deren Eingliederungshilfeleistungen in Höhe von monatlich 34,44 Euro (Stand 1. Januar 2020) nicht mehr zu leisten haben – und zwar ganz unabhängig vom Einkommen der Eltern.
bü
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