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Ju ist Mutter eines dreijährigen Sohnes und sie ist Mutter mit Behinderung. Wegen einer chronischen Erkrankung sitzt sie die meiste Zeit im Rollstuhl. Die 31-Jährige schreibt im Internet an ihrem Blog (vergleichbar mit einem öffentlichen Tagebuch), berichtet dort aus ihrem Alltag als Mutter mit Behinderung. Der Blog heißt denn auch Wheelymum – Mutter auf Rädern.
VdK-Zeitung: Warum haben Sie mit dem Blog Wheelymum begonnen?
Ju: Ich habe im November 2015 ohne Vorkenntnisse mit dem Bloggen angefangen, weil ich dachte: Man sieht Eltern mit Behinderungen nicht in der Öffentlichkeit. Auch ich sehe sie nicht! Warum ist das so? Das war meine zentrale Frage. Denn wir haben etwas zu sagen. Ich möchte zeigen, dass es uns gibt. Ich möchte aber auch probieren, Kontakte herzustellen, Informationen weiterzugeben, wertvolle Informationen für den Alltag zu bekommen. Das ist manchmal sehr schwer. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Das große, weite allwissende Internet konnte mir nicht Informationen über einen geeigneten Kinderwagen geben. Hier ist der Austausch mit anderen Eltern mit Behinderungen Gold wert.
VdK-Zeitung: Warum sieht man Eltern mit Behinderung nicht in der Öffentlichkeit?
Ju: Nach wie vor glaube ich, es ist die Angst der Eltern selbst vor Vorwürfen in der Öffentlichkeit, Angst vor Unwissenheit der anderen. Es ist vor allem erschreckend, dass auch Behörden und Ärzte unwissend sind.
VdK-Zeitung: Haben Sie damit auch Erfahrung gemacht?
Ju: Ja! In der Schwangerschaft wurde mir von einem Arzt nahegelegt, das Kind abzutreiben – auch nach der zwölften Woche. Begründung: Die Behinderung der Mutter. Ich höre auch immer noch Aussagen, bei denen sich die Frage stellt, ob eine Mama ihr neugeborenes Kind alleine wickeln kann. Ist dies nicht der Fall, wird Menschen immer noch nahegelegt, das Kind in eine Pflegefamilie zu geben. Ich bin über solche Aussagen empört. Anstatt Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man eine selbstständige Mutter sein kann, will man „Bürden“ abnehmen. Dafür habe ich nur Kopfschütteln übrig.
VdK-Zeitung: Wie sind die Reaktionen auf den Blog gewesen?
Ju: Unterschiedlich, aber größtenteils positiv. Große Blogs von Elternbloggern haben mich mit Kusshand begrüßt: ‚Toll, dass Du da bist!‘, habe ich oft gehört. Denn mit meinem Blog habe ich ein Thema bedient, was andere Elternblogs nicht bieten. Ich konnte eine neue Sichtweise einbringen. Denn es gibt zahlreiche Blogs über Kinder mit Behinderung, aber über Eltern mit Behinderung eben nicht. Ich glaube, ich habe eine Lücke geschlossen.
VdK-Zeitung: Haben Sie nicht Angst, mit Ihrem themenspezifischen Blog wieder nur eine Randgruppe zu sein und anzusprechen?
Ju: Nein, im Gegenteil. Das Ziel ist ja auch, den Transfer in die „normale“ Gesellschaft zu schaffen. Im Internet ist es egal, ob man behindert ist. Und Eltern haben grundsätzlich die gleichen Fragen, Anliegen rund um die Kindererziehung. Wir Eltern mit Behinderung haben oft nur noch spezielle Fragen dazu, die ich hier im Blog gern aufgreife und der „normalen“ Gesellschaft auch zeigen möchte. Wir wollen einfach sichtbar sein. Im Netz sind wir es und meine Hoffnung ist, dass wir das im echten Leben auch einmal sein werden.
VdK-Zeitung: Sie haben unsere Kampagne „Weg mit den Barrieren“ sehr groß auf Ihrem Blog beworben.
Ju: Ja, ich bin von der Kampagne wirklich begeistert, weil sie auf so einfache Art und Weise zeigt, dass wir alle von Barrierefreiheit profitieren können. Der Rollstuhlfahrer, die Frau mit Rollator oder auch die „gesunde Mama“ mit dem Kinderwagen, die die gleiche Treppe nicht hoch kommt wie die anderen beiden. Die Kampagne zeigt einfach: Barrierefreiheit ist ein gesamtgesellschaftliches Thema!
VdK-Zeitung: Danke für das Gespräch!
Das Interview führte VdK-Mitarbeiterin Priya Bathe von der Abteilung Marketing und Kommunikation des VdK Baden-Württemberg.
(Anmerkung der Redaktion: Ju´s Blog ist im Internet unter http:///wheelymum.com erreichbar. Neben ihren eigenen Einträgen, veröffentlicht die „Wheelymum“ auch Gastbeiträge.)
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