11. September 2014
    VdK-Themen

    Achtung bei Verschlimmerungsanträgen bei Schwerbehinderung

    „Zwei künstliche Kniegelenke – dafür gab es vor einigen Jahren noch einen Behinderungsgrad von 50. Zwischenzeitlich haben sich die Vorgaben geändert und es werden nur noch 30 Prozent Behinderung zugestanden“, betont Egon Graus. Der Kreisverbandsvorsitzende von Bruchsal ist seit vielen Jahren in der VdK-Info- und Beratungsarbeit in Sachen Schwerbehinderung aktiv. Neben umfangreicher Vortragstätigkeit auf Patientenversammlungen in Rehaeinrichtungen hält Graus regelmäßige Sprechstunden in der VdK-Geschäftsstelle in Ubstadt ab. Dort hat der Sozialrechtsexperte in den letzten Jahren schon öfters die Erfahrung gemacht, dass anerkannte Schwerbehinderte, die einen Erhöhungsantrag stellten, keinen höheren Grad der Behinderung (GdB) zuerkannt bekamen, sondern stattdessen geringer als vorher eingestuft wurden. Wer auf diese Weise zu einem GdB von weniger als 50 kam, verlor seine Schwerbehinderteneigenschaft und die damit zusammenhängenden Nachteilsausgleiche entfielen. Der Schwerbehindertenausweis wurde wenige Monate später eingezogen.

    Der Grund für solche Vorgänge liege vielfach an der geänderten Beurteilungsgrundlage, sagte Graus der Redaktion der VdK-Zeitung. Die Festlegung der Grade der Behinderung erfolgt bereits seit fast 100 Jahren nach einer Tabelle, die sich früher „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ nannte. Sie wurde im Laufe der Jahrzehnte – auch unter Berücksichtigung einerseits neuer Erkrankungen und andererseits neuer medizinischer Möglichkeiten – fortgeschrieben. Bei einzelnen körperlichen oder geistigen sowie seelischen Beeinträchtigungen gab – und gibt es weiterhin – Veränderungen (selten) nach oben zu einem höheren GdB oder eben nach unten mit den skizzierten weitreichenden Folgen.

    Seit dem Jahr 2009 hat diese Tabelle den Charakter einer Rechtsverordnung. Diese „Versorgungsmedizin-Verordnung mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ ersetzt seitdem die bisherigen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“. Die Prüfung und Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit sind somit gesetzlich festgeschrieben. Für die von Behinderung betroffenen Menschen änderte sich durch diese Verrechtlichung der Beurteilungsgrundlage per se nichts. Da medizinische Entwicklungen immer wieder bei der Festlegung der GdB berücksichtigt werden, kommt es regelmäßig zu einzelnen Änderungen. So kann eine Erkrankung, die früher mit einem GdB von 50 eingestuft wurde und somit zum Schwerbehindertenausweis führte, heute mit weniger als 50 beurteilt werden, weil die langfristigen Funktionsbeeinträchtigungen, auf die es hier maßgeblich ankommt, dank des medizinischen Fortschritts geringer sind als früher. Deshalb raten Egon Graus aber auch die VdK-Sozialrechtsreferenten in Baden-Württemberg schwerbehinderten Menschen zur Vorsicht. Wer als anerkannter Schwerbehinderter einen Erhöhungsantrag stellen möchte, weil sich die Beschwerden verstärkt haben oder weil gegebenenfalls auch zusätzliche Beeinträchtigungen hinzugekommen sind, der sollte gleichwohl vorab zunächst das Gespräch mit den VdK-Experten suchen. So kann individuell geprüft werden, ob im konkreten Fall heute, im Wege einer Neubegutachtung, mit einer geringeren Festlegung des Grades der Behinderung zu rechnen ist. Und es kann geprüft werden, ob der Betroffene unter Umständen im Rahmen des neuen Feststellungsverfahrens wegen des Verschlimmerungsantrags Gefahr läuft, seinen Schwerbehindertenschutz zu verlieren.

    So gibt Egon Graus allen den Tipp „Vor einem Änderungsantrag ans Versorgungsamt beim Landratsamt erst beraten lassen. Denn wenn der Antrag raus ist, ist das Kind schon im Brunnen.“ Schließlich komme bei einem Änderungsantrag alles auf den Prüfstand, betonte Graus und verwies auf den fehlenden Bestandsschutz der Schwerbehinderten. Auf eine vor Jahren erfolgte Schwerbehindertenanerkennung können sich die Betroffenen dann nicht mehr berufen. Beim neuen Antrag wird entsprechend der aktuellen Versorgungsmedizinverordnung geprüft, wissen auch die mehr als 40 VdK-Sozialrechtsreferenten im Lande, die sehr häufig Mitglieder in diesen Fragen beraten. Außerdem gewähren sie den Betroffenen Sozialrechtsschutz. Schließlich muss eine Zurückstufung nicht einfach hingenommen werden. Widerspruch und – nach erfolglosem Widerspruchsverfahren – eine Klage vor dem Sozialgericht sind möglich. „Aber soweit soll es gar nicht kommen“, bekräftigt der Kreisverbandsvorsitzende Graus.

    Anmerkung der Redaktion: Seit der VdK-Anfangszeit können Mitglieder des Sozialverbands VdK Sozialrechtsschutz beanspruchen. Neben der Basisberatung durch versierte ehrenamtliche Mitarbeiter, insbesondere auf Kreisverbandsebene, gibt es hauptamtliche Sozialrechtsreferenten, die die Mitglieder auch juristisch in Widerspruchsverfahren und in Klageverfahren vor den Sozialgerichten vertreten können. Diese Sozialrechtsexperten erledigen jährlich über 10 000 Verfahren allein in Baden-Württemberg und erstreiten Jahr für Jahr acht bis zehn Millionen Euro an Nachzahlungen für die Sozialrechtsschutz begehrenden Mitglieder. Schließlich stehen sie den Mitgliedern nicht nur bei Streitfragen zur Schwerbehindertenanerkennung zur Verfügung, sondern auch in anderen sozialrechtlichen Bereichen wie Rentenfragen, Einstufung in Pflegestufen oder auch bei Streitigkeiten mit der gesetzlichen Krankenversicherung sowie bei Streitigkeiten mit den Berufsgenossenschaften (Arbeits- und Wegeunfälle oder Anerkennung von Berufskrankheiten). Die Adressen und Sprechzeiten der derzeit 41 baden-württembergischen Sozialrechtsreferenten können beim Landesverband in Stuttgart, den Bezirksverbandsgeschäftsstellen in Heidelberg, Tübingen und Freiburg oder direkt bei den 31 erfragt werden.

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