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„Inklusion ist eine Haltung. Sie beginnt in unseren Köpfen und verändert den Blick, mit welchem wir auf unsere Gesellschaft sehen“, erklärte Landtagspräsidentin Muhterem Aras zum Auftakt des TMB 2023. Aras hatte rund 200 behinderte und nichtbehinderte Menschen zum „Tag der Menschen mit Behinderungen“ in den Landtag von Baden-Württemberg eingeladen. Dabei betonte sie: „Mir ist es wichtig, dass Politik sich insgesamt für die unterschiedlichen Perspektiven aus der Gesellschaft öffnet und die Belange von Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit ihnen aktiv aufgreift und voranbringt.“ Der Landtag sei der richtige Ort dafür. Schließlich gelte es die nächsten Schritte zu mehr Inklusion zu formulieren und zu gehen.
Muhterem Aras und Simone Fischer, die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, die ebenfalls ein Grußwort sprach, bezeichneten die Inklusion als ein Menschenrecht. Ziel müsse es sein, jeder einzelnen Person ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dabei erinnerten sie an den bekannten Kämpfer für mehr Rechte der Menschen mit Behinderungen, Raúl Krauthausen, der schon oft betonte: „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer keine Inklusion will, findet Ausreden.“ Und Moderatorin Zuhal Mössinger-Soyhan, die wie Krauthausen auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hob hervor, wie wichtig die aktive Beteiligung sei, denn sie schaffe Sichtbarkeit. Zugleich gab sie zu bedenken, dass die Teilhabe mangels ausreichender Inklusion immer noch erschwert werde, obwohl sie ein Recht und „keine Barmherzigkeit“ sei. Gerade in den letzten Jahren habe es vielerorts eher einen Stillstand oder sogar Rückschritte gegeben, beklagte Mössinger-Soyhan.
Die Anwesenden rief sie auf: „Lassen Sie uns weiter Tempo machen, damit wir vorankommen auf den Weg zur inklusiven Gesellschaft.“ Zuvor hatte Landtagspräsidentin Aras die Betroffenen ausdrücklich ermutigt, für politische Ämter zu kandidieren. Auch die Landesbehindertenbeauftragte Fischer misst der politischen Teilhabe große Bedeutung zu. Beteiligung schaffe Akzeptanz und Normalität: „Wenn der Gedanke der Inklusion Kompass unserer Gesellschaft ist, erreichen wir bessere Lebensbedingungen für den Einzelnen und das Zusammenleben“, so Simone Fischer. Beide erinnerten an den einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der bereits 1993 gesagt hatte: „Es ist normal verschieden zu sein!“. Alle würden von Vielfalt profitieren. Und, wer von klein auf Vielfalt erlebe, sei „besser gestärkt gegen Hetze“, zeigten sich Muhterem Aras und Simone Fischer mit Blick auf aktuelle Hasstendenzen in Gesellschaft und Politik überzeugt.
Die Großveranstaltung, die 1995 erstmals erfolgt war, fand diesmal unter dem Motto „Gemeinsam Politik gestalten – Menschen mit Behinderungen auf Augenhöhe mit der Politik“ statt – und erneut unter aktiver Beteiligung namhafter Behindertenverbände wie beispielsweise dem VdK Baden-Württemberg, der Lebenshilfe, der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und dem Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Ursprünglich einmal pro Legislaturperiode vorgesehen, hatte es nun allerdings eine „Pause“ seit 2013 gegeben. Unter anderem hatte die Pandemie für mehrere Verschiebungen gesorgt. Am 27. April 2023 war es nun endlich soweit: Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, unterschiedlichen Alters und aus allen Landesteilen diskutierten ihre Anliegen in vier themenbezogenen „Dialogcafés“ à jeweils drei Gesprächsrunden, wobei für die Politik zunächst das Zuhören angesagt war. Im Gespräch mit dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration in der Lobby des Landtags bezogen Vertreter von Regierungs- und Oppositionsfraktionen danach Stellung.
Nach teils leidenschaftlicher und ausführlicher Diskussion unter diversen Aspekten wurden in den drei Gesprächsrunden „Selbstbestimmt wohnen ohne Barrieren – barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum für ALLE sicherstellen“ unter VdK-Regie diese Kernforderungen erarbeitet: „Klare gesetzliche Vorgaben, die auch überprüft werden“; „Individuelle Entscheidungsmöglichkeiten, wo und wie man wohnen will“; „Wohnen allein reicht nicht. Es braucht auch eine barrierefreie Infrastruktur im Quartier“. Mehrere Eltern erwachsener schwertbehinderter Kinder forderten zudem mehr alternative Wohnformen für Menschen mit Assistenzbedarf. Denn auch diese Menschen hätten ein Recht auf eigenständiges Wohnen außerhalb von Heim oder Elternhaus. Aber die Suche nach Trägern von solchen WGs gestalte sich sehr schwierig.
Wegen des demografischen Wandels und der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen einerseits und der bereits heute erheblich fehlenden barrierefreien Wohnungen prognostizierten die Teilnehmer eine eher düstere Entwicklung. Und angesichts der Forderungen aus der Bauwirtschaft – und teils auch aus der Politik beim TMB – nach „Bürokratieabbau“ bei den Baubestimmungen wurde die Sorge geäußert, dass dies gerade zulasten der von den Teilnehmenden geforderten Pflicht zum barrierefreien Bauen gehen werde. Dabei waren sich die Betroffenen hinterher in großer Runde speziell in Sachen Mobilität einig: „Es muss richtig wehtun, wenn das Prinzip der Barrierefreiheit verletzt wird.“ Denn Barrierefreiheit, sei mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland und Baden-Württemberg umsetzen müssen, kein Almosen, sondern es gebe hier einen Rechtsanspruch.
Die viel beschworene Vielfalt war in der Landtagslobby beim künstlerischen Rahmenprogramm realisiert. Morgens begeisterte die Band „Groove Inclusion“, die sich aus 27 Musikerinnen und Musikern mit und ohne Behinderung zusammensetzt, mit ihrer Mischung aus Rock, Pop und Jazz. Nachmittags sorgte der Gebärdenchor „Hands on music“ für beste Unterhaltung. Und der behinderte Poetry Slammer Kai Bosch, der sich auch selbst aufs Korn nahm („Ja, ich bin ein Spasst und das ist auch gut so!“) erzielte einige Lacher, ehe es beim Schlusswort von Präsidentin Aras wieder ernster wurde: „Es gibt kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit“, gab sie allen mit auf den Heimweg.
b.bü
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