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„Die Frist für die Anträge endet am 31. Dezember 2020“, wiederholte Evelyne Rochus-Hamlin im Februar, auf der Freiburger Informationsveranstaltung der Stiftung Anerkennung und Hilfe, gleich mehrfach. Rund 30 Interessierte hatten sich im Rathaus im Stühlinger eingefunden, um mehr über das belastende Thema „Leid und Unrecht in Einrichtungen der Psychiatrie und Behindertenhilfe in der Nachkriegszeit“ zu erfahren.
Nach der Begrüßung durch die Freiburger Behindertenbeauftragte Sarah Baumgart, würdigte Ulrich von Kirchbach, der Erste Bürgermeister und Sozialdezernent, die Unterstützung von betroffenen behinderten Menschen durch die Stiftung. Zugleich gab er zu bedenken, dass diese Hilfe lange habe auf sich warten lassen. Zu viele hätten jahrelang geschwiegen.
Mit Blick auf Freiburg zeigte sich von Kirchbach aber erfreut über die vielen Teilhabemöglichkeiten wie den Behindertenbeirat der Stadt oder auch den Aktionstag Inklusion, der wieder am Samstag, 8. Mai 2021 stattfinden soll (aufgrund der Coronavirus-Pandemie findet der Aktionstag Inklusion 2020 nicht statt). In diesem Zusammenhang appellierte der Sozialbürgermeister eindringlich an die Anwesenden, ihre Stimme zu nutzen und miteinander ins Gespräch zu kommen: Nicht nur bezüglich der Stiftung und deren wertvoller Arbeit, sondern auch hinsichtlich der Wahl zum Behindertenbeirat im Frühjahr 2020.
Ulrich von Kirchbach begrüßte im Rahmen seiner Ansprache insbesondere den stellvertretenden VdK-Landesvorsitzenden Uwe Würthenberger. Denn der größte Sozialverband in Deutschland ist Anlauf- und Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe. So finden im Lande die Beratungsgspräche der Stiftung beim VdK Baden-Württemberg in Stuttgart statt. Dort stehen den betroffenen Menschen mit Unrechtserfahrungen in damaligen Behindertenheimen neben Evelyn Rochus-Hamlin auch Jutta Wehl und Frank Hapatzky zur Verfügung.
Rochus-Hamlin informierte in Freiburg über die genauen Hintergründe ihrer Arbeit: Die Stiftung ist für Menschen gedacht, die als Kinder und Jugendliche in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 in der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an Folgewirkungen leiden. Die Stiftung Anerkennung und Hilfe wurde von Bund, Ländern und Kirchen sowie deren Wohlfahrtsverbänden errichtet.
Es geht um die Anerkennung des Leids und Unrechts, das damals passiert ist. Die Betroffenen erhalten eine Anerkennungs- und Unterstützungsleistung, sozusagen einen finanziellen Ausgleich für ihre schlimmen Erlebnisse. Die Leistungen der Stiftung sind übrigens steuerfrei: „Das Finanzamt hat das Unrecht nicht erlitten“, erklärte Evelyne Rochus-Hamlin mit einem Zwinkern. Die noch bis 31. Dezember 2020 möglichen Anträge sollen dann bis zum 31. Dezember 2021, dem Ende der Stiftungslaufzeit, abgearbeitet werden. Beraterin Rochus-Hamlin hofft, dass sich bis zum Jahresende 2020 noch mehr Menschen bei der Stiftung melden.
In Freiburg kam auch zur Sprache, dass das Landesarchiv Baden-Württemberg bei der Recherche von Heimakten, Melde- sowie Schulbescheinigungen und anderen Unterlagen seine Unterstützung anbietet. Hierüber informierte Nora Wohlfahrt vom Landesarchiv, die das Dokumentationsprojekt „Heimerziehung zwischen 1949 und 1975 in Baden-Württemberg“ bearbeitet, ein Forschungsprojekt der Stiftung, das sich um die wissenschaftliche und historische Aufarbeitung der Geschehnisse in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie kümmert.
„Ziel ist es, die Leid- und Unrechtserfahrungen intensiv zu beleuchten“, erklärte Wohlfahrt. Auf diesem Weg werde ein wesentlicher Beitrag zur Bewältigung und Aufarbeitung des Erlebten auch in der Gesellschaft geleistet. Denn die Missstände der Vergangenheit sollen nicht nur aufgedeckt, es sollen auch Lehren für die Zukunft gezogen werden, indem die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Unter den Zuhörern befand sich auch eine betroffene gehörlose Frau, die den Anwesenden im Anschluss an die Vorträge ihre persönlichen Erfahrungen von damals schilderte. Ihre Erzählungen verdeutlichten, dass diese Ereignisse, auch nach teils mehr als fünfzig Jahren, ihren Schrecken noch nicht verloren haben. Die Hilfe der Stiftung hat sie bereits in Anspruch genommen. Allgemein verfügen die Gehörlosenverbände in ganz Deutschland über ein gut strukturiertes Netzwerk.
Da ist es kaum verwunderlich, dass sich bisher fast ausschließlich gehörlose Menschen bei der Stiftung gemeldet haben. „Doch wo sind die anderen?“, fragte Evelyn Rochus-Hamlin vor allem mit Blick auf die Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg. Hier ist die Stiftung auf Multiplikatoren angewiesen sowie auf die Hilfe von Dritten, die sich im Auftrag von betroffenen Menschen, die sich nicht selbst an die Stiftung wenden können, diese Stelle kontaktieren.
Die Stiftung Anerkennung und Hilfe ist bundesweit vertreten. Informationen und Adressen der Anlauf- und Beratungsstellen gibt es unter www.stiftung-anerkennung-hilfe.de im Internet.
Für Betroffene entscheidend ist der aktuelle Wohnsitz. Die baden-württembergische Stiftungs-Beratungsstelle befindet sich beim Sozialverband VdK Baden-Württemberg, Johannesstraße 22, 70176 Stuttgart.
Täglich erreichbar: Telefonzentrale (07 11) 6 19 56-0, Stiftungssekretariat Patricia Sigle (Durchwahl -76)
E-Mail: stiftung-anerkennung-hilfe-bw@vdk.de
Für mehr allgemeine Fragen zur Stiftung gibt es zudem das von Montag bis Donnerstag besetzte Infotelefon (08 00) 221 221 8.
Rebecca Schwarz
Schlagworte Stiftung | Freiburg | Heimkinder | Gehörlos
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