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Erklärung: Demografie heißt: die Zahlen der Menschen unterschiedlichen Alters. Sie werden von Fachleuten erfasst und ihre Entwicklung wird beobachtet.
Der Sozialverband VdK hatte immer einen Demografie-Beauftragten gefordert.
Seit März 2017 ist das jetzt Thaddäus Kunzmann. VdK-Mitarbeiterin Priya Bathe sprach mit ihm über seine Arbeit. Und über die Themen Leben im Alter, Pflege sowie barrierefreier Wohnraum.
Herr Kunzmann, was genau sind Ihre Aufgaben als Demografie-Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg? Thaddäus Kunzmann: Mein Auftrag ist es, die Aktivitäten des Landes zum Thema demografischer Wandel und die verschiedenen Arbeitsbereiche dazu, miteinander abzustimmen. Ich spreche da mit vielen Ministerien oder auch Akteuren wie Ihnen, dem VdK. Zum Beispiel: „Was haben Sie vor, wo geht die Reise hin und was stelle ich mir vor?“
Viele Punkte im Koalitionsvertrag der Regierung gehen übrigens auf das Thema Alter ein. Ich möchte die Akteure zu diesem Thema demografischer Wandel einstimmen.
Warum ist es so wichtig, das Thema auf die Liste zu setzen? In den kommenden 10 bis 15 Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge, die zwischen 1957 und 1967 geboren wurden, aus dem Berufsleben ausscheiden. Aus Sicht der Wirtschaft bedeutet das einen Mangel an Fachkräften. Aber wir müssen auch auf diese Menschen und unsere Gesellschaft selbst schauen. Es sind die Menschen, die eine längere Lebenserwartung haben. Sie werden wahrscheinlich das Alter von 80 Jahren überschreiten. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung.
Erklären Sie uns diese Herausforderung. Ich zeige Ihnen den üblichen Fall auf: Ich bin schon sehr alt und kann mich nicht mehr in meinen vier Wänden bewegen. Die Folge ist heute oft das Pflegeheim. Aber wir werden in Zukunft weniger Pflegekräfte haben. Deshalb wird die Pflege nur noch für hochgradig Pflegebedürftige zur Verfügung stehen. Darum ist es ein gesellschaftliches Anliegen, dass die Rentner von morgen mobil bleiben. Und dass sie ihr Leben noch lange selbstbestimmt leben können.
Eine Forderung, die auch wir vom Sozialverband VdK unterstützen. Ganz genau. Durch die Digitalisierung haben wir auch die Möglichkeiten, die vor zehn Jahren noch undenkbar waren.
Erklärung: Digitalisierung ist: Alles wird elektronisch mit Computern verarbeitet und vernetzt. Vieles, was es sonst nur auf Papier gab, wird nun digital.
Früher hätte ich stürzen können und niemand hätte es gemerkt.
Heute gibt es Sensoren, die Alarm schlagen.
Erklärung: Sensoren sind Geräte, die auf bestimmte Ereignisse reagieren können.
Der Umbau von Bädern, Küchen und Häusern werden gefördert. Denn sie ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Für barrierefreies Umbauen zahlt die Pflegeversicherung 4000 Euro. Von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kann man Kredite mit verbilligten Zinsen bekommen, oder Zuschüsse. Gerade wurde das Programm „Altersgerechtes Umbauen“ von zwei Milliarden Euro um weitere 500 Millionen Euro für das Jahr 2019 aufgestockt.
Nicht jeder Wohnungs-Eigentümer hat aber viel Geld? Sehr richtig! Darum wünsche ich vom Bund Anreize zu schaffen. Damit Vermieter barrierefrei umrüsten. Durch den aktuellen Bauboom und durch die hohen Mieten wird es schwierig werden, den Bedarf an barrierefreien Wohnraum zu decken. Darum muss hier ein Anreiz für private Vermieter geschaffen werden. Private Vermieter sind oft zögerlich, weil sie das investierte Geld nicht wieder über die Miete reinholen können.
Und was ist mit den Mietern selbst? Mieter können den Zuschuss von der KfW auch beantragen, aber das macht kaum jemand. Das Problem ist der Mietmarkt. Es fehlen Wohnungen. Aber viele stehen leer oder werden einfach nicht vermietet, weil Wohneigentümer es aus persönlichen Gründen nicht möchten. Ich glaube, eine Entrümpelung des aktuellen Mietrechts wäre ganz gut. Man müsste Vermietern einen Anreiz geben, ihren Leerstand zu vermieten (…)
Lassen Sie uns noch mal auf das Thema Pflege kommen. Sie haben das Thema Pflege der sehr alten Menschen der kommenden 10 bis 30 Jahre angesprochen. Wie wird die Pflege künftig aussehen? Man muss versuchen, nicht so hohe Erwartungen zu schaffen. Weder von Seiten der Politik noch gesellschaftlich und von Seiten der Presse. Wenn bundesweit 13000 neue Stellen in der Pflege angekündigt werden, dann ist das schon schwer genug. Ich lese Ihnen unsere Zahlen im Ländle mal vor: Bis zum Jahr 2030 werden 40 000 Pflegekräfte benötigt. Und zwar zusätzlich zu den Kräften, die wir heute haben.
Wir müssen also den aktuellen Stand halten und neue Kräfte einstellen. Das ist bei dem jetzigen Stand unmöglich. Daher warne ich davor, Erwartungen zu wecken, die niemand erfüllen kann. Wir haben nicht viele Möglichkeiten. Entweder wir erhöhen den Beitrag zur Pflegeversicherung oder den Eigenanteil an der Pflege. Damit bekommen wir eine Zwei-Klassen-Pflege. Das will keiner. Darum schlage ich einen anderen Weg vor: Alles muss dazu geleistet werden, damit Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit so lange mobil bleiben wie möglich.
Wie soll das gehen? Vorbeugung ist im mittleren Lebensabschnitt besonders wichtig. Wir müssen gesundheitlich und in unserem Sozialverhalten wesentlich mehr machen, sonst werden wir im Alter einsam werden.
Erklärung: Sozialverhalten ist das Verhalten der Menschen miteinander in einer Gesellschaft.
Wer das ganze Leben nur für sich was tut, macht sich im Alter keinen Gefallen. Bürgerschaftliches Engagement und das Ehrenamt sind auch eine Art Vorbeugung.
Erklärung: Bürgerschaftliches Engagement bedeutet, dass Menschen anderen Menschen oder Gruppen helfen.
Denn viele Rentner suchen nach dem Erwerbsleben etwas Sinnstiftendes. Das Ehrenamt gibt ihnen hier oft viel. Wir müssen daher das Ehrenamt fördern, nicht nur mit Geld. Sondern auch die Bereitschaft fördern und ausreichende Anerkennung für das Geleistete geben. Durch das soziale Engagement ist die Gefahr zu vereinsamen geringer. Und Einsamkeit ist eine große Falle im Alter. (…) In Baden-Württemberg haben wir genau deshalb das Sonderprogramm „Quartier“ geschaffen. Hier geht es um das gemeinsame Leben von Alt und Jung, um soziales Miteinander in den Stadtteilen. Und um gemeinsames Wohnen von Jung und Alt. (…)
Herr Kunzmann, es ist Halbzeit in der jetzigen Regierungszeit in Baden-Württemberg. Was wollen Sie bis zur nächsten Landtagswahl als Demografie-Beauftragter noch erreichen? Ich möchte die Themen Digitalisierung und demografischer Wandel weiter vertiefen und zusammenführen. Es werden die beiden einschneidenden Themen der nächsten 30 Jahre sein. Denn die Digitalisierung erleichtert das selbstbestimmte Leben im Alter. Am Ende der jetzigen Regierungszeit möchte ich, dass in jedem Wahlprogramm des Landtags das Thema Demografie drin steht. Und dass es in das kommende Regierungs-Programm mit einfließt. Der demografische Wandel kennt keine Parteifarbe.
„Zur Person“
Thaddäus Kunzmann (CDU) ist seit März 2017 Demografie-Beauftragter der grün-schwarzen Landesregierung. Im April 2018 startete er die Demografie-Foren und lud zum Thema „Gestalte ich mit oder werde ich gestaltet“ Interessierte ein, um über die Herausforderungen des Demografischen Wandels zu diskutieren. Der ehemalige Landtagsabgeordnete kommt aus Nürtingen.
www.demografiebeauftragter-bw.de
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