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Bei der 15. VdK-Landesschulung für Behinderten- und Personalvertreter im Juli in Heilbronn gab es eine einhellige Meinung der Podiumsteilnehmer:
„Es ist nicht hinnehmbar, dass die gesetzliche Beschäftigungspflicht für Menschen mit Behinderung nicht erfüllt wird. Die Arbeits-und Sozialexperten forderten vor 550 Teilnehmern gezielte Maßnahmen, um die Pflichtquote von 5 Prozent zu erfüllen. Auch die Bevölkerungsentwicklung im Arbeitsleben mit vielen älteren Beschäftigten muss berücksichtigt werden.
Die Landesverwaltung kam 2016 nur auf 4,89 Prozent. An sie ging der Appell, der Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes nachzukommen.
Landesgeschäftsführer Hans-Josef Hotz rief die Arbeitgeberseite zum Umdenken auf. Er unterstützte auch die Forderung der Podiumsteilnehmer nach Anhebung der Ausgleichsabgabe.
Erklärung: Die Ausgleichsabgabe ist ein Geldbetrag, den Arbeitgeber zahlen müssen, wenn sie keine Menschen mit Behinderung einstellen. Das gilt für Betriebe ab 20 Mitarbeitern.
Hotz verlangte außerdem, dass Arbeitgeber nicht mehr die Ausgleichsabgabe als Betriebskostenausgabe bei den Steuern absetzen können. Das ist nämlich eine häufige Praxis. Dagegen müsse man einen Riegel vorschieben.
Hotz bedauerte es, dass Sozial-und Integrationsminister Manfred Lucha nicht auf die schlechte Behindertenquote in der Landesregierung eingegangen war.
Lucha hatte darüber informiert, dass die Arbeitslosenquote bei den Schwerbehinderten im Land zurückgegangen ist. Er hatte festgestellt, dass ein Umdenken bei Unternehmen stattgefunden hat.
Er hatte auch über die Maßnahme des Landes zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) informiert.
Lucha lobte dabei die gute Arbeit der Verbände. Denn ohne „Kümmerer“ könne Inklusion nicht gelingen. Er stellte klar, dass die Politik dafür den Rahmen schaffen muss. Es sei ein wichtiger Schritt, in Baden-Württemberg Behindertenbeauftragte zu berufen. Das ist eine gesetzliche Pflicht.
Psychische Erkrankungen Ursache von Frühverrentung
Professor Dr. Bernhard Badura von der Universität Bielefeld verwies in seinem Vortrag darauf: Die Arbeitsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen habe stark zugenommen. Heute sei fast jede zweite Frühverrentung die Folge seelischen Leids.
Die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz haben eine große Bedeutung für das Gesundheits- und Krankheitsgeschehen. Weit verbreitete Beeinträchtigungen in der Erwerbsbevölkerung sind: Müdigkeit und Erschöpfung, Schlafstörungen und Rückenschmerzen. Das geht aus einem Arbeitsbericht von 2016 hervor.
Beschäftigte in Deutschland bewerten ihre Beziehungen zum direkten Vorgesetzten schlechter als Arbeitnehmer in anderen Ländern. Prof. Dr. Badura sagte dazu: „Wir haben ein Führungsproblem: zu viel Hierarchie, zu viel Kontrolle“ Beschäftigte könnten oft nicht mitbestimmen bei der Arbeit. Das sei psychisch belastend.
Erklärung: Hierarchie ist eine bestimmte Ordnung in Stufen. Zum Beispiel im Arbeitsleben gibt es den Geschäftsführer als Oberhaupt eines Betriebes. Darunter gibt es verschiedene Führungskräfte, die was zu sagen haben. Darunter sind dann verschiedene Mitarbeiter. Sie müssen tun, was die Vorgesetzten sagen. Die Vorgesetzten müssen tun, was der Geschäftsführer sagt.
Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und anderer Stellen finden „das gute Bauchgefühl auf dem Weg zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause“ sehr wichtig. Denn: „Arbeit muss man gerne machen“.
Die Stellvertretende Ver.di-Landesbezirksleiterin Susanne Wenz findet: Für Menschen mit Behinderung ist die Teilhabe von ganz großer Bedeutung. Denn, sie müssen alle Lebensbereiche ausschöpfen können, einschließlich der Arbeit.
Wenz ist im Sozialverband VdK ehrenamtlich tätig als stellvertretende Kreisvorsitzende von Heidelberg. Sie erinnerte daran, dass es zurzeit in Deutschland rund zehn Millionen Menschen mit Behinderung gibt. Davon sind mehr als 7,5 Millionen Schwerbehinderte. Nur bei 4 Prozent ist die Schwerbehinderung angeboren.
Wenz verwies auch darauf hin, dass bei 85 Prozent der Betroffenen, die Behinderung erst im Laufe des Lebens entsteht. Man müsse älterwerdende Mitarbeiter länger im Arbeitsleben binden, weil es längere Arbeitskarrieren gibt.
Ebenso braucht es „gesundheitsförderndes Führen“ und eine gesunde Anpassung an den Arbeitsplatz.
Wenz sieht Chancen in EDV mit Programmen, die Behinderungen ausgleichen, damit behinderte Menschen besseren Zugang bekommen zu Infos und Lerninhalten.
Dadurch bekommen sie besseren Zugang zu Arbeit und sozialen Netzwerken. Und die Mobilitätseinschränkungen werden dadurch unbedeutend.
Erklärung: EDV ist die Abkürzung von: „Elektronische Datenverarbeitung“.
Das Internet ist nichts Anderes als EDV.
Aber die andere Wahrheit ist, dass die Beschäftigten die Geschwindigkeit in dieser Branche im betrieblichen Alltag immer stärker spüren. Das ist auch so bei dem Jobverlust. Zudem sind die Beschäftigten belastet, weil sie immer erreichbar sein müssen.
Neuerung nach dem Bundesteilhabegesetz
Dass Fortschritt im Behindertenrecht nicht automatisch läuft, hob Prof. Franz Josef Düwell besonders hervor. Dafür müsse man arbeiten. Er ist ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht. Heute ist er Honorarprofessor an der Universität Konstanz. Er informierte über die gesetzliche Stärkung der Schwerbehindertenvertretung, die seit 2017 gilt. Sie wurde in der ersten Stufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) festgemacht.
Damit können Schwerbehinderten∙vertrauenspersonen schon ab 100 schwerbehinderten Beschäftigten im Betrieb freigestellt werden. Vorher war das erst ab 200 Betroffenen möglich. Zudem bekommt der erste Stellvertreter eine Freistellung bei Schulungen. Dafür wurde lange gekämpft.
Und Kündigungen von schwerbehinderten Beschäftigten sind nicht mehr möglich, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt ist.
Prof. Düwell bemängelte, dass über die Neuerungen nicht informiert werde.
Er stellte klar, dass nur eine informierte Schwerbehindertenvertretung Beistand leisten kann. Und, dass sie nur dann auf Inklusion hinwirken kann.
Dr. Olaf Otto zeigte in seiner Präsentation, wie man Beschäftigte Schritt für Schritt wieder eingliedern kann, wenn sie länger als 6 Wochen in einem Jahr arbeitsunfähig sind. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Präventic GmbH. Und Facharzt für Arbeits- und Allgemeinmedizin.
Dr. Otto meinte: Es bringt für die Unternehmen weniger Kosten, weil es weniger Fehlzeiten gibt. Dadurch können die Betriebe besser die Abläufe planen.
Otto sagte aber auch, dass es Hürden dabei gibt. Zum Beispiel mangelnde Infos und überzogene Erwartungen.
Dr. Otto ist für eine frühzeitige Erkennung bei Reha-bedarf. Zum Beispiel im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen. Sie bieten die Möglichkeit, die gesundheitliche Situation des Betroffenen zu stärken.
Der Betriebsarzt hat dabei eine bedeutende Rolle. Er kann feststellen, ob die Arbeitsunfähigkeit arbeitsbedingt ist oder ob gar eine Berufsunfähigkeit vorliegt.
Die betriebliche Eingliederungsmaßnahme gelingt nur, wenn der Arbeitgeber dahintersteht und sie unterstützt.
Prof. Dr. Otto bemängelte, dass der Nutzen des BEM oft in den Betrieben bei den Arbeitgebern nicht bekannt sei. Außerdem befürchten sie zu viel Aufwand.
Erklärung: BEM ist die Abkürzung für: „Betriebliches Eingliederungsmanagement“.
Damit ist das gemeint: Für Menschen, die länger als 6 Wochen in einem Jahr arbeitsunfähig waren, gibt es bestimmte Möglichkeiten eine Wiedereingliederung im Arbeitsleben.
Pausengymnastik kommt gut an
Die begleitende VdK-Gesundheits-und Reha-Messe mit 55 Ausstellern wurde gut besucht. Auch der schwäbische Turnerbund war da und informierte über die „fünf Esslinger“. Und während der Pause am Vormittag gab es „Hallensport“. Übungsleiterin Ingrid Herbst zeigte einige Gymnastikübungen. Die meisten der 550 Teilnehmer machten gerne mit.
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